Von Lars Fuchs aus dem ARD-Hauptstadtstudio
Der bange Blick aufs Handy: Wie viele Minuten Verspätung sind es dieses Mal? Fährt die Bahn überhaupt?
Der bange Blick am Bahnhof: Wie komme ich mit dem Kinderwagen die Treppe rauf? Wo stelle ich mich in der Eiseskälte unter?
Der glückliche Blick aus dem Fenster: Der Zug fährt, ich kann die Augen nochmal zumachen, lesen, arbeiten oder im Speisewagen ein Bier trinken. Meine Kinder können sich bewegen und sitzen nicht jammernd im Autositz.
Bahn fahren könnte so schön sein - doch daraus wird leider nichts.
Zugausfälle und Verspätungen
Im November fuhr jeder zweite Zug zu spät, ganze Landstriche sind nicht an die Bahn angebunden. Die Schneefälle in Süddeutschland haben den Bahnverkehr für mehrere Tage völlig lahmgelegt und eindrucksvoll gezeigt, wie schlecht die Bahn aufgestellt ist.
Doch ein Blick ins Ausland zeigt, wie es besser gehen könnte.
Taktfahrplan in die Schweiz
Die Schweizer Bundesbahn zeigt täglich, wie ein staatlich organisiertes Bahn-System funktioniert. Die Bahnen fahren regelmäßig und pünktlich. Sie transportieren bei jedem Wetter nicht nur Menschen, sondern auch Güter.
Seit 1982 gibt es einen sogenannten Taktfahrplan im Fernverkehr. Anders als bei uns fahren Züge nach einem festen Rhythmus, teilweise alle 15 Minuten. Niemand muss sich Abfahrtszeiten merken und lange warten. Züge treffen sich an Knotenbahnhöfen, an denen Umsteigen dann in kurzer Zeit möglich ist.
Busse aus jedem noch so kleinen Dorf sind auf diese Zeiten abgestimmt. Während sich bei uns durch Verspätungen Züge auf der Strecke stauen und der Bus selten auf den RE wartet, ist dort alles miteinander verzahnt.
"Deutschlandtakt" auf unbestimmte Zeit verschoben
In Deutschland hatte man Ähnliches vor, zumindest die großen Städte sollten in einem regelmäßigen Takt miteinander verbunden werden. Doch dann wurde dieses Ziel erst um vierzig(!) Jahre auf 2070 verschoben, jetzt lässt Verkehrsminister Volker Wissing erkennen, dass es wohl niemals klappen wird.
In der Schweiz halten sich Verspätungen in engen Grenzen, im vergangenen Jahr kamen 92,5 Prozent aller Reisenden vorzeitig, pünktlich oder mit weniger als drei Minuten Verspätung an. Ein so gut funktionierendes System zeigt, dass Angebot Nachfrage schafft: Die Zahl der Fahrgäste steigt seit Jahren.
Nun lässt sich das System der kleinen Schweiz nicht eins zu eins auf das Flächenland Deutschland übertragen. Doch klar ist, was dort besser gemacht wird.
Mehr Geld und beheizbare Weichen
Es wird mehr Geld in die Schiene investiert. Es gibt getrennte Gleise für Güter und Personenverkehr. Wer schon mal mit einem ICE auf einem eigenen Gleis zwischen Frankfurt und Köln mit Tempo 300 unterwegs war und danach auf einem gemeinsamen Gleis hinter einem Regionalexpress durch das Ruhrgebiet getuckert ist, weiß, was mehr Spaß macht.
Auch in Deutschland wird jetzt kräftig saniert. Die Hauptkorridore, also Strecken, die Nadelöhr und Hauptroute sind, werden auf den aktuellen Stand gebracht. Bis 2030, wenn alles gut geht. Einem zusätzlichen Ausbau des Netzes hat der Verkehrsminister aber eine Absage erteilt.
In der Schweiz sorgt auch das Wetter nicht für solche Probleme, die durch die Klimakrise erwartbar ja noch größer werden. Es wird viel Geld in beheizbare Weichen gesteckt. Und es werden Räumfahrzeuge eingesetzt, deren Einsatz verzögerte sich in Bayern zuletzt wohl wegen eines Kompetenzwirrwarrs zwischen verschiedenen Bahn-Unter-Unternehmen.
Der Staat setzt die Prioritäten
Der Vorteil eines gut funktionierenden Bahn-Systems ist schlicht mehr Lebensqualität. Anwohner an Pendel-Straßen in großen Städten würden weniger von der täglichen Blechlawine belästigt und durch einen geringeren CO2-Austoß könnte etwas gegen die Klimakatastrophe getan werden.
Wofür der Staat Geld ausgibt, hat etwas mit Prioritäten zu tun - und die liegen seit Jahrzehnten auf dem Auto. Wie bitter das ist, bekommt zu spüren, wer mit einem unpünktlichen Zug über die Landesgrenze der Schweiz will. Ab einer bestimmten Verspätung dürfen die Züge nicht mehr über die Grenze, weil sie den Taktfahrplan durcheinanderbringen würden.
Welche Erlebnisse hatten Sie zuletzt mit der Bahn? Und was müsste sich ändern, damit Sie zufriedener mit ihr werden? Schreiben Sie uns in den Kommentaren auf WDR.de oder auf Social Media.
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Kommentare zum Thema
Ich stehe kurz vor dem Ende meiner 3-jährigen Ausbildung und überlege tatsächlich auf meine Wunschstelle zu verzichten, nur um nicht von der Bahn abhängig zu sein. Ich bräuchte 1 Stunde mit der Regionalbahn bis nach Köln. Leider ist es mir aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich den Führerschein zu machen. Hätte also gar keine Alternative. Daher werde ich mich wohl abhängig machen von Verspätungen, kurzfristigen Personalausfällen & Streiks. Und so einen großen Teil meiner Lebensqualität einbüßen.
Öffentliche Verkehrsmittel müssten sehr gut ausgebaut und günstig sein, bevor man gegen das Auto kämpft. Unsere Städte kämpfen gegen das Auto bevor der öffentliche Nah- und Fernverkehr auch nur annähernd in der Lage ist eine Alternative zu stellen. Die Kommune ist nicht für die Bahn AG zuständig aber für die Verkehrswende in der Stadt deren Teil die Bahn ist oder sein sollte. Unseren kleinen Klimakanzler als Bürgermeister von der SPD werde ich ganz sicher nicht wiederwählen; leider ist Kommunalwahl in NRW erst 2025 und die Ideen der Stadt scheinen nicht abzureißen. Selbst in der Grünenhochburg im Nachbarvietel hat man jetzt die Faxen dicke, da geht gar nichts mehr an Parkraum und dann gibt es Streit um Parkplätze in unserer Gegend. Die CDU hat inzwischen erkannt, in Partnerschaft mit Grünen kann man nur verlieren. Bei der SPD ist diese Erkenntnis noch nicht angekommen.
Diese Bahn wird mich nicht als Kunden haben, da zahlt man sich ja für Unfähigkeit noch Boni, die der Fahrgast finanziert. Es lebe das Auto! Und zwar mit Diesel-, zur Not noch Benzinmotor.