200 Jahre organisierter Karneval in Köln. Immer wieder witzig so ein Rückblick, wie eine Tradition entstand und wie das damals so ausgesehen hat, das bunte Treiben. Da gab es einen Held Carneval als Anführer der Jecken. Der kleine Umzug fuhr nicht durch die Stadt, sondern nur auf einem Platz im Kreis. Frauen durften nicht teilnehmen und sämtliche Frauenfiguren wurden von Männern dargestellt. Hahaha, damals. Doch das Lachen bleibt im Halse stecken - mir zumindest. Denn Frauen im Kölner Karneval sind auch heute nur Beiwerk, in bestimmten Rollen geduldet, aber mit Sicherheit nicht gleichermaßen beteiligt.
Bei allen Traditionskorps, also den Kölner Karnevalsgesellschaften, die in Persiflage-Soldatenuniformen auftreten, dürfen allein Männer vollwertige Mitglieder werden. Frauen können es in den Förder-Stammtisch schaffen, weiter nicht. Der Elferrat, der die Karnevalssitzungen eines Vereins organisiert und meist auch auf der Bühne leitet, besteht in der Regel allein aus Männern. Jahrzehnte lang war den Frauen sogar die Teilnahme am Rosenmontagszug untersagt. Erst seit den 70ern hat sich das allmählich geändert.
Sogar die Jungfrau ist ein Mann
Am offensichtlichsten aber wird der Ausschluss der Frauen am Kölner Dreigestirn. Für die Nichtkenner: Prinz, Bauer und Jungfrau sind während der Session die Regenten über das närrische Volk. Die Jungfrau wird verkörpert von einem Mann in langem weißem Kleid, mit blonder Zopfperücke und einer Krone. Lediglich 1938/39 war das anders. Die Nationalsozialisten wollten keine Männer in Frauenkleidung sehen. Das könnte dem Ansehen des starken deutschen Mannes schaden. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs dann alles wieder wie früher: Die Jungfrau ist ein Mann. Na klar, was auch sonst.
Das Dreigestirn ist eine Session lang das Aushängeschild des Kölner Karnevals. Die drei Männer sind wochenlang als Amtsträger und als Repräsentanten der Stadt auf Karnevalssitzungen, in sozialen Einrichtungen, bei Galas und Bällen unterwegs. Damit das geht, lassen sie für die Zeit ihren Job ruhen, sehen die Familie nicht. Wer Prinz, Bauer oder Jungfrau werden will, muss ein dickes Sparschwein mitbringen. Aber sie werden auch unterstützt, etwa von der eigenen Karnevalsgesellschaft. Sie werden gesponsort. Sie werden eingeladen. Zum Beispiel wie in diesen Tagen nach Venedig, um dort den Karneval zu eröffnen. Viva Colonia! Mit dabei auch der Präsident des Festkomitees, quasi der Chef des Kölner Karnevals. Natürlich auch (immer schon) ein Mann.
Es wundert mich schon ein wenig, dass erst in diesem Jahr die Diskussion an Fahrt gewinnt: Sollte so ein Dreigestirn nicht auch mal weiblich sein? Kölns Oberbürgermeisterin machte im Januar Schlagzeilen mit so einer Überlegung. "Der Karneval ist ja eine Männerdomäne und zuweilen ist das schon surreal, wenn man so sieht, wer da aufmarschiert", sagt Reker im WDR-Podcast "Im Herzen Jeck".
Aus ihrer Sicht dürfte nicht nur die Jungfrau eine Frau sein, auch gern der Prinz oder sogar alle drei. Erwartbar schnell kam der Aufschrei: "Was für ein Blödsinn! Soll das Christuskind bald auch ein Mädchen sein!? Das ist doch schließlich Tradition! Kann man Sachen nicht mal so lassen, wie sie seit Jahrhunderten sind?! Immer dieser Feminismus-Wahn!" So nur einige Reaktionen in sozialen Netzwerken (erstaunlicherweise auch oft von Frauen).
Ich frage mich, was für eine Vorstellung von Tradition dahintersteht. Traditionen sind doch nichts Festgefahrenes.
Was die Tradition des Karnevals ausmacht, ist das gemeinsame Feiern, die Verkleidung, die Vereinskultur, das über die Strenge schlagen vor der Fastenzeit. All das sehe ich nicht dadurch gefährdet, dass Frauen mehr in den Entscheidungsstrukturen und repräsentativen Rollen des Karnevals vertreten sind.
Tradition muss wandelbar sein
Und von wegen Tradition wahren: Während der NS-Zeit wurde nicht nur die Besetzung der Jungfrau im Dreigestirn von Mann auf Frau geändert, sondern auch die der Tanzmariechen. Bis dahin waren Männer in Strumpfhosen gestiegen und hatten getanzt. Den Nationalsozialisten war auch das ein Dorn im Auge. Tanzmariechen - das hatten junge Frauen und Mädchen zu sein. Und dabei ist es geblieben. Ich glaube, jeder kann sich denken, warum. Frauen in kurzen Röcken, die auf den Bühnen der Karnevalssitzungen die Beine bis rauf zum Kopf schwingen. Lecker Mädche… Eine Änderung der Tradition war an der Stelle kein Problem. Die Figur der Jungfrau im Dreigestirn aber wurde schnell wieder mit einem Mann besetzt. Das ist schließlich ein Amt mit Ansehen und Macht.
Manch eine oder einer wird sagen: "Lasst sie im Karneval doch machen." Ja, wenn's denn nur um Karneval ginge! Die fünfte Jahreszeit mit all ihren Feiertagen vom 11.11. bis Aschermittwoch, mit den hunderten von Sitzungen, mit Umzügen, mit den Vorbereitungen und Proben das ganze Jahr über, das ist etwas, das große Teile der Kölner Stadtgesellschaft dauerhaft beschäftigt. Wer in Köln was werden will, muss beim Karneval dabei sein. Denn in den Karnevalsgesellschaften vernetzen sich die mit Geld und die mit Macht - Mittelstand trifft auf Stadtgrößen. Oder wie Oberbürgermeister Konrad Adenauer sagte: "Wir kennen uns, wir helfen uns." Kölscher Klüngel also. Wer den Film "Der König von Köln" kennt, hat eine Vorstellung davon.
Männerbünde bestimmen den Karneval
Wenn das alles in reinen Männerbünden passiert, dann wird es doch höchste Zeit, dass sich etwas ändert. So sieht das auch Sänger Peter Brings.
Nici Kempermann ist eine dieser Ausnahmen. Die Sängerin tritt mit ihrer Kölschrock-Band Kempes Feinest auf den großen Karnevalsbühnen auf. Bei der Prinzenproklamation in diesem Jahr war sie der einzige weibliche Act. Sie nutzte die Aufmerksamkeit und sang "Ich wünsch mir nur, einmal Prinz zu sein in einem Dreigestirn voll Östrogen". Sie sei etabliert, sie habe die Möglichkeit Kritik so zu verpacken. Andere Frauen seien eingeschüchtert und würden sich nicht trauen, ihren Platz im Karneval einzufordern. Weil eben immer nur Männer die Entscheidungen träfen.
Die Kölner Frauen müssen hartnäckig bleiben. Von allein werden die Männer ihre prestigeträchtigen Posten nicht räumen. Die Karnevalistinnen brauchen kreative Wege. Wenn es über die alten Traditionskorps nicht geht, dann müssen sie eben eigene Strukturen schaffen. Karneval hat ja schließlich auch etwas damit zu tun, dass man Verhältnisse auf den Kopf stellt, den Mächtigen den Spiegel vorhält. Umso schöner ist es zu sehen, dass es mittlerweile auch Damengarden und Frauengesellschaften gibt.
Düsseldorf, Bonn und Co. machen's vor
Und Sorry Köln, aber in Düsseldorf, Bonn oder auch in Rheinbach oder Erkelenz-Katzem könnte man sich schonmal was abgucken. Seit jeher gibt es in Düsseldorf ein Prinzenpaar, Mann und Frau. Ein reines Damenreiterkorps nimmt seit 1934 am Karneval teil. In Bonn hat sich vor fast 200 Jahren das erste Damenkomitee gegründet. Die Bonna wird von einer Frau dargestellt. Und auch den höchsten Posten im Bonner Karneval, den Vorsitz des Festausschusses, hat eine Frau übernommen.
Der bekannteste, der größte, der älteste Karneval - das ist nun einmal der in Köln. Es wäre ein Statement nach innen und außen, wenn vom Festwagen an Rosenmontag mal eine Prinzessin gewunken hätte. Das Jubiläumsjahr wäre ein schöner Anlass gewesen. Doch Prinz Boris, Bauer Marco und Jungfrau André sind längst proklamiert. "Ich gehe davon aus, dass ein weibliches Dreigestirn vielleicht in diesem Jahrzehnt noch möglich ist", meint Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Gewagte Prognose, meine ich.
Wünschen Sie sich auch Frauen im Dreigestirn? Oder sollten Traditionen lieber so bleiben wie sie sind? Lassen Sie uns darüber diskutieren! In den Kommentaren auf WDR.de oder auf Social Media.
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