Wie zur Hölle ist das physikalisch überhaupt möglich? Das habe ich mich gefragt, als das 2:0 beim Auftaktspiel der deutschen Frauen bei der WM in Australien gefallen ist. Alexandra Popp fällt gerade weg vom Tor auf den Boden, und trotzdem schafft sie es irgendwie, die Hereingabe von Klara Bühl mit ihrem Ohr oder Hinterkopf ins Tor zu bugsieren. Deutsche Popp-Kultur vom Feinsten. 6:0 stand es am Ende des Fußballfests der deutschen Frauen gegen Marokko.
Trotzdem hat der Frauenfußball immer noch mit Vorurteilen zu kämpfen. Er sei langweilig, weniger temporeich, die Frauen würden zimperlicher spielen als die Männer. Dass Frauen physisch anders gebaut sind als Männer und zum Beispiel nicht so schnell sprinten können, das verneint ja keiner. Dass die Spiele der Frauen deswegen qualitativ schlechter seien? Ist absoluter Humbug. Das beweist auch ein Experiment aus der Schweiz. Das kommt zu dem Schluss, dass die Vorurteile gegen Frauenfußball vor allem auf verinnerlichten Geschlechterklischees beruhen.
Männerfußball sollte sich mehr am Frauenfußball orientieren!
Ich finde: Wir sollten aufhören Frauenfußball ständig mit dem Männersport zu vergleichen. Vielmehr sollten sich die Männer einiges von den Frauen abschauen! Für mich ist Frauenfußball oft viel attraktiver. Schon vor Jahren hat sich Fußballtrainer Julian Nagelsmann als Fan des Frauenfußballs erklärt - "weil es ein viel ehrlicherer Sport ist als Männerfußball." Oder, wie es Nationalspielerin Sophia Kleinherne in einem Interview letztens ausgedrückt hat:
Frauen können ziemlich kompromisslos tacklen, das sehen wir eindrucksvoll bei jedem Einsatz der deutschen Abräumerin Lena Oberdorf. Trotzdem kommt es viel seltener zu unsportlichen Situationen als bei den Männern. Das ist jedenfalls meine Beobachtung - dass es zum Beispiel deutlich seltener Spielerinnen gibt, die bei der Schiedsrichterin jammern und minutenlang diskutieren. Und auch die unschöne Spuckerei auf dem Platz? Gibt's bei den Fußballfrauen fast gar nicht.
Positives Image der Frauen im Fußball
Seit einigen Jahren gibt es fußballtechnisch einfach wenig zu feiern, wenn man nur den Männern zuguckt. Bei der WM der Männer in Katar langweilten die deutschen Herren vor allem mit ideenlosem Ballbesitzspiel und schieden mehr als verdient schon in der Vorrunde aus. Und das Bierhoffsche Branding der Nationalelf in "Die Mannschaft" konnte kaum darüber hinwegtäuschen, dass in der Männer-Nationalelf seit Jahren wenig Teamgeist zu spüren ist. Das Rebranding wurde inzwischen wieder eingestampft. Die DFB-Männer befinden sich in einer schweren Krise. Bei den letzten zwei Testspielen gegen Polen und Kolumbien haben sie jeweils krachende Niederlagen kassiert.
Ganz anders bei der Frauen-Elf. Die aktuellen Vize-Europameisterinnen wirken nahbar, auf ihren privaten Social-Media Kanälen. Auf Instagram und TikTok teilen die Spielerinnen Videos, in denen sie gemeinsam tanzen und auf dem Weg zum Spiel singen. Kultstatus unter Fans hat jetzt schon Koalabär "Waru", den Nationalspielerin Klara Bühl als Glücksbringer gehäkelt hat. Sie präsentieren sich sympathisch - und das Ganze wirkt nicht so, als stünde ein 15-köpfiges PR- und Social-Media-Team dahinter, das alles sorgfältig orchestriert.
Dass Kind und Karriere nicht nur möglich sind, sondern eine Selbstverständlichkeit, auch das zeigt die deutsche Frauen-Elf. Nationalspielerin Melanie Leupholz stand im Vorrundenspiel gegen Marokko auf dem Platz und war mit ihrem gerade mal neun Monate jungen Sohn nach Australien gereist. Bundestrainerin Voss-Tecklenburg erzählt: "Er wird hofiert, er wird betüdelt. Ich glaube, manchmal denkt er sich: Was wollen die ganzen Frauen hier von mir?" Die Nationaltrainerin spricht von einem "Riesenmehrwert", den das Baby der Mannschaft gibt. Die deutsche Fußballelf zeigt: Karriere und Familie unter einen Hut bringen, klappt am besten, wenn alle im Team mitmachen - auch bei der Arbeit.
Frauenfußball zeigt, wo auch die Herren hinmüssen - zurück zu den Wurzeln
Vor allem aber zeigt der Frauenfußball, wie der Sport aussehen könnte, wenn er sich wieder auf seine Wurzeln besinnt. Weg von den Riesen-Millionen-Geschäften und vom Gigantismus wie in Katar. Weg von absurden Millionenablösesummen für Spieler, die sich Vereine kaum mehr leisten können. Klar, auch der Frauenfußball ist in den letzten Jahren extrem gewachsen und hat sich immer weiter professionalisiert. Trotzdem bleiben seine Heldinnen bodenständig und stehen für sich und ihre Werte ein - wie die neuseeländische Spielerin Ali Riley, die sich als Protest gegen das Verbot der One Love Binde einfach ihre Nägel in Regenbogenfarben lackierte.
Für die Fußball-WM der Frauen mussten in Australien und Neuseeland übrigens keine Stadien von Bauarbeitern in sklavenähnlichen Arbeitsverhältnissen aus dem Nichts hochgestampft werden, die danach keiner mehr braucht. Denn die Fußball-WM der Frauen zeigt, worum es in diesem ganzen Geschäft wirklich gehen sollte: um den Sport.
Fiebern Sie bei der WM schon mit? Was glauben Sie: Welche Platzierung ist für Deutschland drin? Lassen Sie uns darüber diskutieren! In den Kommentaren auf WDR.de oder auf Social Media.
Sie haben Lust auf Meinungsaustausch und wollen keinen ImPuls mehr verpassen? Dann können Sie die Kolumne ganz einfach in der App unter "Meine Themen" abonnieren. Dafür müssen Sie nur die Nachrichten-Kategorie "Kolumne" auswählen.
Kommentare zum Thema
Wer trägt eigentlich zu einem Gutteil dazu bei, dass die Bundesliga diese unvorstellbaren Gagen bezahlen können: Es ist der ÖRR, der die Bundesligarechte für seine Sportschau und das Aktuelle Sportstudie gekauft hat. Wer hat wesentliche Rechte für dieWM in Katar mit riesigen Summen gekauft. Ganz nebenbei, der Männerfußball im Spitzenbereich - international und international - macht nicht den Männerfußball aus. Da ist der riesige Jugend- und Schülerbereich, das sind Klassen mit Zehntausenden von Aktiven Regionalliga abwärts, wo ein erstklassiger Fußball gespielt wird. Ein Fußball, bei dem im direkten Vergleich Männlein-Weiblein, der Frauenfußball nach 90 Minuten plus als Verlierer vom Platz geht. Zugegeben Männer tanzen in ihren Medienauftritten nicht. Das ist aber auch kein Kriterium, wenigstens bis jetzt nicht, kann ja noch kommen. Aber, Vorschlagen: Lassen wir Männer- gegen Frauenmannschaften antreten und die Ergebnisse für sich sprechen. Punkt!!!!
Nach obigem Kommentar weiß ich, was dem Fußball fehlt. Wir müssen eine Kürnote einführen, die um fasst Überbezahlung (Minuspunkte), Schauspielerei (Minuspunkte), schöne Tore (Pluspunkte), Bellafigura (Pluspunkte). Mit Verlaub: Ich habe selten einen Kommentar gelesen, der so am selbstgewählten Thema vorbeigeht und sich in lobpreisender Propaganda verirrt. Auf den Punkt gebracht: Lasst die die Deutsche FrauennatonalMANNSCHAFT gegen die die B-Jugend-männlich von Bayern München spielen. Es wird ein Ergebnis geben, aber der Frauenfußball ist dennoch besser. Ich glaube der Autorin des WDR (Satire Aus) Nochmals und klar auf den Punkt: Der Frauenfußball wird nach 90 Minuten plus 8 immer als Verlierer vom Platz gehen. PS: Obiges hindert mich nicht Frauentennis, Frauenbasketball, Frauenfußball zu schauen, genauso wie ich auch sonntags die Spiele meines Heimatvereins (A-Klasse) ansehe.
Wo ist die Lust am (Zusammen)Spiel? - bei den Männern schön länger und jetzt auch bei den Frauen. Stattdessen sehe ich Kampf und Krampf, das beste Spiel allerdings von den Japanerinnen.