Invasive Arten in NRW: Was können wir dagegen tun?

Stand: 05.09.2023, 15:39 Uhr

Sie kommen mit dem Flugzeug oder dem Schiff oder werden sogar aktiv von Menschen mitgebracht und breiten sich dann aus: Invasive Arten. Welchen Schaden sie anrichten, wer darunter leidet und was wir tun können.

Von Oliver Scheel

Oft sind sie ganz unscheinbar, manchmal sehr dominant und ein andermal auch wirklich niedlich: Invasive Arten - bei Pflanzen werden sie Neophyten genannt, bei Tieren Neozoen, der Oberbegriff ist Neobiota.

Eingeschleppte Arten können tödlich für die heimische Flora und Fauna sein. In 60 Prozent der dokumentierten Ausrottungen von Tieren oder Pflanzen seien sie ein entscheidender Faktor, heißt es im bislang umfassendsten Bericht über invasive Arten, den der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) am Montag in Bonn veröffentlichte.

Invasive Arten in NRW - was machen sie mit unseren heimischen Arten?

Zu erkennen an den weißen Flecken auf den Zangen: Signalkrebs

Der Signalkrebs ist eine invasive Art

Sogenannte gebietsfremde Arten können ganze Ökosysteme verändern. Viele der neuen Arten sind sehr gut angepasst an die Lebensräume, die sie hier vorfinden. Und manche tragen auch noch eine tödliche Fracht für die einheimischen Arten in sich. So zum Beispiel der Amerikanische Signalkrebs. Er überträgt die Krebspest, eine Pilzerkrankung. "Der Pilz macht ihm nichts aus, doch die hier einheimischen Edelkrebse sterben daran", erläuterte Dr. Manfred Aletsee vom Landesvorstand NABU-NRW im Gespräch mit dem WDR. "Die Sporen gelangen ins Wasser und die Edelkrebse infizieren sich, zum Beispiel wenn sie sich häuten. Meist wurden die Eindringlinge von Aquarianern gezüchtet und ausgesetzt oder zum Essen eingeführt", sagt Aletsee, der den Verantwortlichen oft Unwissenheit um die Folgen ihres Tuns unterstellt.

Diese Arten verbreiten sich in NRW

Von Oliver Scheel

Ob Pflanzen oder Tiere - viele neue Arten mögen den Lebensraum NRW. Von einer invasiven Art spricht man nur, wenn die Tiere oder Pflanzen einheimische Arten verdrängen oder in ihrer Existenz bedrohen. Bei manchen dieser Neuankömmlinge ist das noch unklar.

Nutria im Wasser

Nutria: Die Nagetiere wurden rund um das Jahr 1900 wegen ihres Fells eingeführt. Sie schädigen nachhaltig die Ufervegetation und gelten als invasiv, weil sie so für den Verlust von Lebensraum anderer Tiere verantwortlich sind. Mittlerweile werden sie auch bejagt. Dr. Manfred Aletsee vom NABU NRW sagte dem WDR, "sie krempeln ganze Uferbereiche um".

Nutria: Die Nagetiere wurden rund um das Jahr 1900 wegen ihres Fells eingeführt. Sie schädigen nachhaltig die Ufervegetation und gelten als invasiv, weil sie so für den Verlust von Lebensraum anderer Tiere verantwortlich sind. Mittlerweile werden sie auch bejagt. Dr. Manfred Aletsee vom NABU NRW sagte dem WDR, "sie krempeln ganze Uferbereiche um".

Waschbären: Sie sehen putzig aus, haben es aber in sich: Die Waschbären. Auch sie werden massiv bejagt, denn sie sind besonders für Bodenbrüter und Schildkröten eine Gefahr, da sie Eiergelege suchen und diese fressen.

Asiatische Tigermücke: Weil sie das Dengue-Fieber, Gelbfieber und das West-Nil-Fieber übertragen kann, ist sie für Menschen eine sehr gefährliche neue Art. Sie schaffte es wohl über den internationalen Warenaustausch aus Asien nach Europa, wo sie 1979 in Albanien das erste Mal auftauchte. Seitdem verbreitet sie sich nach Norden. 2007 schaffte sie es nach Baden-Württemberg. In NRW ist sie noch nicht heimisch, doch es gibt bereits erste Vorkommen.

Ochsenfrosch: Der Ochsenfrosch wird schon lange als invasive Art geführt. Wegen seiner Größe und Gefräßigkeit stellt er eine Gefahr für viele einheimische Amphibienarten dar. Selbst die Kaulquappen dieser aus Nordamerika stammende Art werden schon 10 bis 15 Zentimeter groß. Sie haben bei uns kaum Feinde, daher sammeln Naturschützer gerne schon die Kaulquappen ein.

Marderhund: Gemeinsam mit Füchsen zählen sie zu den kleinen Vertretern der Hundeartigen in Europa. Ursprünglich kommen sie aus Asien, sie wurden in der Sowjetunion als Pelztiere gezüchtet und breiten sich seither Richtung Westen aus. Es ist nicht klar, ob sie eine Gefahr für die heimische Fauna sind, dem Deutschen Jagdverband aber gelten sie als invasiv, da sie Krankheiten und Parasiten übertragen können.

Halsbandsittich: Sie sind ein echter Hingucker und genießen viele Sympathien: die Sittichkolonien, die es in vielen Städten von NRW wie Bonn, Düsseldorf oder Köln mittlerweile gibt. Es gilt als gesichert, dass sie heimischen Arten die Nistplätze wegnehmen. Deshalb gilt die Papageienart, die auch „Kleiner Alexandersittich“ gennant wird, als potenziell invasiv.

Buchsbaumzünsler: Die Raupe dieses Schmetterlings ist sehr verfressen. Sie verursachen einen Kahlfraß am heimischen Buchsbaum. Erst vor wenigen Jahren kam er nach Europa, 2006 wurden an der Rheinebene in Baden-Württemberg die ersten Exemplare gesichtet. Da sie keine Feinde haben, breiten sich die Tiere aus Ostasien schnell aus.  

Götterbaum: Er ist ein beliebter Parkbaum und ein Gewinner im Klimawandel. Doch der Götterbaum gilt als invasiv, weil er einheimische Arten verdrängt. Der Baum, der ursprünglich aus China und Vietnam kommt, wächst schnell und nimmt damit vielen ursprünglichen Arten den Raum.

Herkulesstaude: Die wohl bekannteste invasive Pflanzenart hierzulande ist die Herkulesstaude. Sie wurde als Gartenzierpflanze eingeführt und verdrängt nicht nur heimische Pflanzen, sondern ist auch für Menschen gefährlich. Der Saft der Pflanze führt in Kombination mit Sonne zu Verätzungen auf der Haut. Das auch Riesenbärenklau genannte Gewächs wächst sehr schnell und die großen Blätter nehmen anderen Pflanzen die Sonne. Die Staude muss mit großem Aufwand gerodet werden.

Beifuß-Ambrosia: Ambrosia heißt Speise der Götter. Doch sie gilt als hochallergene Pflanze, die vor rund 150 Jahren als Vogelfutter und Saatgut aus Nordamerika nach Europa kam. Im Juni wächst diese dem Beifuß oder dem Möhrenkraut ähnliche Pflanze in die Höhe. Ihre Pollen gelten als besonders allergieauslösend. Sie kommt gut mit Trockenheit zurecht und ihre Samen zeichnen sich durch extreme Langlebigkeit aus. Das macht sie zu einem harten Gegner für einheimische Pflanzen.

Lupine: Sie stammt ursprünglich aus Amerika und hat die tolle Eigenschaft, an ihrer Wurzel Luftstickstoff zu binden, der sich im Boden anreichert und damit die Böden fruchtbarer macht. Doch das ist ein Problem für die Pflanzen, die auf Magerböden angewiesen sind wie Arnika, Knabenkraut oder die Trollblume. Außerdem verbreitet sich die Lupine sehr schnell und effektiv. Damit nimmt sie anderen Pflanzen den Raum.

Ein anderes Beispiel ist der Waschbär: "Es ist nicht so, dass der Waschbär die europäische Sumpfschildkröte ausrotten würde", sagte Magnus Wessel vom BUND zum WDR: "Aber ihr geht es sowieso schlecht, weil wir falsch mit unseren Flüssen umgehen und sie kaum mehr Platz in der Natur findet. Und wenn dann zusätzlich der Waschbär noch ihre Eier frisst, dann haben wir ein Artenschutzproblem."

Woher kommen die Neuen?

Die Verbreitungswege der Neuankömmlinge sind sehr vielfältig. "Wir transportieren Güter um die ganze Welt. Wir haben sehr viele Frachtschiffe, die die Welt miteinander vernetzen. Aber wir reisen auch in Urlaub, wir fliegen irgendwohin, wir fahren mit Kreuzfahrtschiffen auf jede entlegene Insel. Und mit diesen Transportprozessen werden eben auch Arten miteingeführt", erklärte Dr. Hanno Seebens vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt am Main.

"Ein Beispiel konkret für Deutschland ist die Kirschessigfliege. Das ist eine kleine Fruchtfliegenart, wie wir sie auch aus der Küche kennen, aber eine andere Art, die aus Asien stammt. Sie wurde über Früchte importiert. Und diese Kirschessigfliege befällt reife Früchte oder Früchte kurz vor der Reife, und in diesen Zeitabschnitten kann man nicht mehr spritzen. Es kommt dann zu Ernteausfällen", so der Experte.

Manche Arten seien aber auch ganz bewusst eingeführt worden, so Seebens. "Die sind dann über den Gartenzaun gesprungen oder über die Parkanlage ausgebrochen." "Viele der Arten, die heute Schäden verursachen, sind ursprünglich als Zierpflanzen eingeführt worden. Zum Beispiel der Götterbaum oder der Japanknöterich, die wurden alle als Zierpflanzen für Gärten eingeführt", sagte Prof. Dr. Katharina Dehnen-Schmutz von der Universität Coventry.

Was können wir tun?

"Die bei weitem effizienteste Maßnahme ist die Prävention von neuen invasiven Arten", sagte Sven Bacher, Leiter der Arbeitsgruppe Angewandte Ökologie an der Universität Fribourg in der Schweiz. "Es gibt internationale Abkommen, dass Waren, die man von einem Ort zu einem anderen sendet, frei von irgendwelchen Organismen sein müssen."

"Das Problem ist der massenhafte globale Handel. Viele Arten kommen mit Schiffen aus dem asiatischen Raum. Es gibt Gesetze, wie die Waren kontrolliert werden müssen und es gibt Strategien, Verkauf und Handel zu verbieten. Auch Aufklärung spielt eine große Rolle", so Aletsee vom NABU NRW. So können auch die Verbraucher etwas tun, zum Beispiel Gartenabfälle fachgerecht zu entsorgen und nicht einfach in den Wald zu werfen. Und nicht alles, was der Mensch einschleppt, ist gefährlich: "Nur wenn es für einheimische Arten gefährlich wird, sprechen wir von invasiven Arten", so Aletsee. Dennoch, so glaubt der Experte, ist mehr als die Hälfte der Fauna im Rhein bereits jetzt nicht mehr einheimisch. Allerdings ist laut LANUV bisher noch keine Pflanzen- oder Tierart in Nordrhein-Westfalen nachweislich in Folge einer biologischen Invasion ausgestorben.

Benutzte Quellen: Pressebriefing Bericht des Weltbiodiversitätsrates, dpa, BUND, NABU NRW, Bundesamt für Naturschutz

Invasive Arten: Dengue-Fieber am Gardasee

Aktuelle Stunde 04.09.2023 20:34 Min. UT Verfügbar bis 04.09.2025 WDR Von Marius Schneider