Die Korruption bei der Vergabe, der Umgang mit Arbeitsmigranten und die Haltung zu Frauen- und Homosexuellenrechten - all das wurde zuletzt rund um die Fußball-WM in Katar diskutiert. Wenige Tage vor dem Turnierstart rückt auch das Sportliche immer mehr in den Fokus. Nach dem letzten Testspiel im Oman ist die deutsche Mannschaft am Donnerstag in Katar gelandet. "Wir freuen uns, dass wir endlich in Katar und bei der Weltmeisterschaft angekommen sind", sagte Bundestrainer Hansi Flick.
Am Mittwoch geht es mit dem ersten Gruppenspiel gegen Japan los. Dann wird sich auch zeigen, wie groß das Interesse an dem Turnier ist. Denn noch ist unklar, wie viele Fans sich auf die Wüsten-WM einlassen und wie viele sie boykottieren. Das Interesse am letzten deutschen Testspiel am Mittwochabend hat sich bei den Fernsehzuschauern zumindest in Grenzen gehalten.
Deutlich weniger deutsche Fans in Katar
Fest steht: Vor Ort werden deutlich weniger deutsche Anhänger sein als bei früheren Turnieren. Fanvertreter gehen davon aus, dass 7.000 bis 9.000 Fans zum Turnier reisen werden, die meist mehrere Spiele besuchen. Insgesamt sind laut Weltverband FIFA 35.000 Eintrittskarten nach Deutschland verkauft worden. Zum Vergleich: Für die WM 2018 in Russland gingen rund 62.000 Tickets nach Deutschland. 2014 in Brasilien waren es mehr als 58.000 Karten.
Vorfreude bei Kölner Fußballfan
Bengt Kunkel reist nach Katar zur WM
Einer, der sich auf den Weg nach Katar macht, ist der Kölner Bengt Kunkel. Der Student der Sporthochschule reist für zwölf Tage in das Emirat und wird sich neun Spiele anschauen - darunter zwei der deutschen Mannschaft. "Ich erhoffe mir vor allem, dass ich mir ein vernünftiges Bild machen kann. Dass ich mir vor Ort auch mal anschauen kann, wie ist es wirklich", sagte er vor dem Abflug im WDR-Gespräch. Die Berichterstattung im Vorfeld komme ihm "zum Teil zu einseitig" vor und sei "eher mal ein Katar-Bashing". Er habe "unfassbar viel Bock auf diese Reise und das Turnier".
Ganz ausblenden will der 23-Jährige die Diskussionen rund um Katar aber nicht. So hat er eine Kapitänsbinde und zwei Schweißbänder in Regenbogenfarben im Gepäck, die er im Stadion tragen will, um auf die Rechte von Homosexuellen aufmerksam zu machen. Kunkel verweist darauf, dass das laut FIFA erlaubt sei. "Das probieren wir doch direkt mal aus."
Inszenierter Jubel?
Wenn der Kölner in Katar ist, trifft er vielleicht auch auf Fans, die derzeit für Aufregung sorgen. In den sozialen Medien werden Bilder und Videos von Fan-Paraden in Doha verbreitet. Zu sehen sind Fußball-Anhänger in Trikots der deutschen Nationalmannschaft und mit schwarz-rot-goldenen Fahnen, die durch die katarische Hauptstadt ziehen. Schnell ist der Verdacht aufgekommen, die Paraden seien mit bezahlten Teilnehmern inszeniert worden.
Die Parade von Fußball-Anhänger sorgt für Diskussionen
Das WM-Organisationskomitee und Mitorganisatoren der Paraden haben das inzwischen vehement dementiert. Einer der Mitorganisatoren, Nihad Ali, sagte der Deutschen Presse-Agentur, kein Teilnehmer sei bezahlt worden. Organisiert worden sei die Feier über die sozialen Medien. "Es war nicht als Parade geplant", behauptete Ali. "Wir haben uns alle an einem Ort versammelt. Die Parade hat sich dann so ergeben."
Auch der deutsche Fan Denis Dusso, der die Parade ebenfalls mitorganisiert hat und seit einigen Jahren in Katar als Ingenieur arbeitet, wehrt sich gegen die Vorwürfe. Die meisten Teilnehmer stammten aus dem indischen Bundesstaat Kerala, erklärte er. "Die haben hier sehr viel gearbeitet. Jetzt wollen sie Teil der Party sein und mitfeiern", sagt Dusso. In Katar arbeiten viele Inder, die auch die WM-Stadien mitgebaut haben.
Fans bekommen Reisen bezahlt
Einige Fans bekommen ihre Katar-Reise bezahlt
Für Schlagzeilen sorgten zuletzt auch Berichte, das WM-Organisationskomitee bezahle Reisen von Fans zum Turnier, damit sie dort und in den sozialen Netzwerken für gute Stimmung sorgen. Dusso bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, dass er eine "Schnittstelle" zwischen Deutschlandfans in Katar und Anhängern aus Deutschland sei, die auf Einladung des Organisationskomitees nach Katar kämen. Eine Gruppe von 39 Fans werde zwei Wochen lang dort bleiben. Katar bezahle Flug, die Unterkunft und das Ticket für das Eröffnungsspiel. Zweck sei es, auch weniger reiche Fans aus allen WM-Ländern dabei zu haben und zusammen zu feiern.
Recherchen der ARD-Sportschau zeigen allerdings, dass es den Organisatoren in Katar um mehr geht. In einem Verhaltenskodex werden den bezahlten Fans zum Beispiel klare Vorgaben gemacht.
Über dieses Thema berichten wir im WDR am 17.11.2022 auch im Fernsehen: WDR aktuell, 21:45 Uhr.