Auf einen Katastrophenfall sind sie im Bonner Friedrich-Ebert-Gymnasium noch nicht vorbereitet. Bisher haben sie im Keller Akten gelagert oder Kunstprojekte gestartet. Dass sie hier bald für einen potentiellen Ernstfall üben oder sogar in Deckung gehen könnten, kann sich der Schulleiter bisher nicht vorstellen.
"Das ist ein ganz klassischer Keller, der ist geplant worden, um Dinge zu lagern. Aber er ist überhaupt nicht als Raum für Schüler gedacht - und insbesondere auch nicht als Schutzraum", sagt Frank Langner.
So wie am Bonner Gymnasium wird die Situation vermutlich auch an anderen Schulen in NRW und Deutschland sein: Keller voller Bücher und Möbel - und jetzt Keller als Schutzräume? Darüber müssen wir reden, eine Debatte führen, sagt Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger von der FDP.
Bildungsministerin fordert Übungen für den Katastrophenfall
Deutschland ist nicht im Krieg. Aber offenbar befürchtet die Bundesregierung, das könnte sich ändern: Verteidigungsminister Pistorius, SPD, fordert schon länger, die Bundeswehr müsse kriegstauglich werden. Jetzt will die Bildungsministerin auch Kinder und Jugendliche auf alle Fälle vorbereiten: Sie fordert in einem Gespräch mit der Funke-Mediengruppe: Schulen sollen Zivilschutz-Übungen abhalten.
In einem Interview geht sie sogar noch einen Schritt weiter. In Großbritannien zum Beispiel würden Kinder in Schulen längst auch den Ernstfall proben. "Dort gehören Übungen für den Katastrophenfall an Schulen zum Alltag. Davon können wir lernen."
Was genau die Ministerin meint, bleibt unklar. Auch auf explizite WDR-Anfrage antwortet ihr Ministerium nur allgemein: Zivilschutz gehöre an Schulen, unsere Widerstandsfähigkeit müsse gestärkt werden.
So viele Krisen - und jetzt auch noch Katastrophenschutzübungen?
Pädagogen sehen das mit gemischten Gefühlen - schließlich sind Schülerinnen und Schülern in den letzten Jahren dauernd mit Krisen konfrontiert worden: Corona, Krieg und Klimawandel. Und jetzt auch noch in der Schule probeweise in den Luftschutz-Keller?
Ja, sagt dazu der Deutsche Lehrerverband. Verbandspräsident Stefan Düll unterstützte in der "Bild am Sonntag" die Forderung von Bildungsministerin Stark-Watzinger und forderte sie auf, mit ihren Länderkolleginnen und -kollegen darüber zu sprechen.
Eine Absichtserklärung reiche aber nicht, es müsse im Politik-Unterricht zum Ukraine-Krieg und zur gesamteuropäischen und globalen Bedrohungslage gelehrt werden, sagte Düll. Jugendoffiziere seien dabei eine "sinnvolle Unterstützung". Der Unterricht zur "Demokratie- und Friedenserziehung" könne fächerübergreifend stattfinden, in Wahlunterricht und Projekten, erklärte der Verbandspräsident.
"Das war damals normal im Kalten Krieg"
Kinder gerade jetzt besser vorzubereiten auf Katastrophen aller Art - gar nicht so eine schlechte Idee, finden auch Menschen in Bonn. "Man möchte Kindern keine Angst machen oder sie verunsichern, aber es könnte uns ja auch treffen - und die Kinder sehen das ja schon in den Medien", sagt eine Mutter. "Ich kenne das aus den 70er Jahren", sagt ein Mann bei einer WDR-Umfrage. "Damals war das auch gang und gäbe. Wir haben auch Bunker besichtigt. Das war damals normal im Kalten Krieg."
Damals - da haben sie vor allem geredet über den Atomkrieg und wie gefährlich der ist. In den USA aber sind sie noch einen Schritt weiter gegangen: Unter die Tische, wenn die Atombombe kommt, das war die Logik - und das wurde geprobt.
Schulleiter: "Das macht Angst"
Jetzt bald wieder unter die Tische - oder in den Keller, als abstrakte Übung? Schulleiter Frank Langner aus Bonn fragt sich, was es bei den Schülern auslöst, wenn Katastrophentraining auf dem Plan steht. Seiner Ansicht nach kann das bei den Schülern zu Angst, Sorgen oder zumindest negativen Gedankenspielen führen: "Wenn wir jetzt zum Beispiel ganz konkret üben, wie Zivilschutz geht, dann bedeutet das vielleicht, dass morgen, übermorgen oder in drei Woche oder in drei Monaten der Krieg auch in Deutschland ist - und das macht natürlich Druck bei den Schülern."
Über dieses Thema berichteten wir im WDR auch im Radio und Fernsehen - unter anderem am 16.03.2024 in Aktuellen Stunde um 18.45 Uhr.
Unsere Quellen
- Interview von Bildungsministerin Stark-Watzinger mit der Funke-Mediengruppe
- WDR-Reporter in Bonn
- Nachrichtenagenturen afp und epd