Zwei von drei Kindern bekommen in Deutschland eine Zahnspange. In Dänemark oder Schweden ist nur etwa ein Kind von Dreien betroffen. Sogar manche Kieferorthopäden selbst kritisieren die hohe Zahl der Zahnspangen, die in Deutschland verschrieben werden.
NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung haben nun in einer Recherche überteuerte Rechnungen und fragwürdige Vorgehensweisen festgestellt. Dabei geht es um hohe Zuzahlungen bei Brackets, also den festen Zahnspangen.
Welche Kritik gibt es von ärztlicher Seite?
Als einer der wenigen in der Branche übt Kieferorthopäde Henning Madsen aus Mannheim offen Kritik. Er ist der Ansicht, in Deutschland werde bei Zahnfehlstellungen oft zu früh, zu viel und zu lange behandelt.
Der Berufsverband der Deutschen Kieferorthopäden betont hingegen, dass es den Patienten freistehe, sich für eine zuzahlungsfreie Behandlung zu entscheiden.
Der unabhängige Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze, erklärte gegenüber NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung, er erhalte mehrere Tausend Nachfragen zu Zahnspangen im Jahr. Eltern berichteten, es werde von manchen Kieferorthopäden aggressiv für Zusatzleistungen geworben.
Wer hat Anspruch auf eine Zahnspange?
Die Krankenkassen zahlen grundsätzlich die Korrektur von Zahnfehlstellungen bis zum 18. Lebensjahr, aber erst ab einem bestimmten Schweregrad. Wie schwer eine Fehlstellung ist, wird über fünf kieferorthopädische Indikationsgruppen (KIG) festgehalten. KIG 3 bis 5 werden übernommen, die beiden unteren Gruppen nicht. 20 Prozent der Kosten müssen Eltern aber für ein Kind immer selber vorstrecken (10 Prozent für weitere Geschwister). Dieser Anteil wird nur erstattet, wenn die Behandlung erfolgreich abgeschlossen wird.
Was kostet eine Zahnspange?
Für eine Zahnspange zahlt die Kasse im Durchschnitt rund 3.100 Euro. Trotzdem zahlen viele Eltern im Schnitt noch rund 1.000 Euro privat dazu - für vermeintlich bessere Brackets, also die festangebrachten Klebe-Stege auf den Zähnen.
Sind private Zusatzleistungen bei Zahnspangen notwendig?
Das lässt sich nicht allgemein beantworten. Denn es kommt immer auf die Zahnsituation des einzelnen Kindes an.
"In vielen Fällen ist die Grenze zwischen medizinischer Notwendigkeit und ästhetischen Gründen fließend", stellt die Verbraucherzentrale auf ihrer Homepage fest. Manche Zahnärzte würden darauf hinweisen, dass eine Zahnfehlstellung die Mundgesundheit gefährde. "Wissenschaftliche Erkenntnisse lassen aber zumindest Zweifel an diesen Aussagen zu", so die Verbraucherzentrale.
Welche Entscheidungshilfen gibt es?
Um eine fundierte Entscheidung treffen zu können, rät die Verbraucherzentrale NRW den Eltern, sich vor einer Behandlung ausführlich mit dem Kieferorthopäden zu unterhalten. Dazu gehören Fragen wie 'Warum reichen die Kassenleistungen nicht aus bei meinem Kind?' oder 'Warum halten Sie diese Zusatzleistung für nötig?'.
"Wir raten auch immer wieder dazu, sich eine Zweitmeinung von einem anderen Kieferorthopäden einzuholen", sagte Gesa Schölgens von der Verbraucherzentrale NRW am Donnerstag im WDR5-"Morgenecho". Man müsse sich vor Augen führen, dass die Kassenleistungen bei Zahnspangen ausreichten und der Rest lediglich Extras seien.
Wie ist der Einsatz von nicht-festen Zahnschienen zu bewerten?
Diese Mittel zur Zahnkorrektur, die sogenannten Aligner, eignen sich nach Angaben der Verbraucherzentrale NRW nur für leichte Fehlstellungen. "Die Behandlung zahlen Sie komplett privat", heißt der auf der Internetseite der Verbraucherzentrale.
Die durchsichtigen Kunstoff-Schienen würden nicht nur von kieferorthopädischen Praxen angeboten. Sie könnten auch online bei gewerblichen Anbietern gekauft werden. Solche Online-Bestellungen sieht die Verbraucherzentrale NRW jedoch kritisch. Bei einem von ihr durchgeführten Marktcheck habe sie gezeigt, dass teilweise unzulässige Erfolgsversprechen gemacht würden. "Das ist sehr viel Vorsicht geboten", sagte Gesa Schölgens dem WDR.
Unser Quellen:
- Recherche von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung
- Netzangebot der Verbraucherzentrale NRW
- Verbraucherzentrale
- Techniker Krankenkasse