Der Klimawandel schreitet voran und nimmt keine Rücksicht auf nationalstaatliche Grenzen oder Regierungskonstellationen. Und während die westlichen Industriestaaten mit ihren jahrzehntelangen Emissionen die größte Verantwortung für die globale Erderwärmung tragen, sind es die ärmsten Regionen der Welt, die aufgrund von Dürre und Extremwetter am stärksten darunter leiden.
Scholz: Ausstieg "ohne Wenn und Aber"
"Zu Recht fordern die Staaten mehr internationale Solidarität, die von den Folgen des Klimawandels am härtesten betroffen sind, aber am wenigsten zu seiner Verursachung beigetragen haben", bemerkte auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in seiner Rede auf der Klimakonferenz in Sharm El-Sheikh, in Ägypten. Er kündigte an, dass Deutschland sich mit 170 Millionen Euro an einem globalen Schutzschirm gegen die Folgen des Klimawandels beteiligen werde.
Deutschland werde außerdem "ohne Wenn und Aber" aus den fossilen Brennstoffen aussteigen, so Scholz. "Nicht weniger, sondern mehr Tempo, mehr Ehrgeiz, mehr Zusammenarbeit beim Umstieg auf erneuerbare Energien lautet das Gebot unserer Zeit", betonte er.
Klimakonsens in weiter Ferne
Für einen erfolgreichen Kampf gegen den Klimawandel braucht es Vereinbarungen und politische Entscheidungen auf internationaler Ebene: 191 Staaten gehören derzeit der UN-Klimakonferenz an und kommen jedes Jahr zu ihrem Gipfeltreffen (Conference of the Parties, COP) zusammen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
Doch bereits zu Beginn der nunmehr 27. Weltklimakonferenz, die vom 6. bis zum 18. November im ägyptischen Scharm El-Scheich stattfindet, sitzt der Frust unter vielen Beteiligten, allen voran Umweltschützern, tief. Zu mühsam ist das Ringen um einen Klimakonsens. Zu häufig hinken die Ergebnisse der tagelangen Verhandlungen den Erfordernissen hinterher und drei Jahrzehnte nach dem ersten Klimagipfel zeichnen Klimaforscher ein alarmierendes Bild von der Lage.
Neubauer ruft zum Handeln auf
Trotz geringer Erfolge bei den vergangenen Konferenzen ist Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer vor Ort: "Wir sehen, dass wir für globale Krisen globale Treffen brauchen." Sie wolle vor Ort kämpfen und es gäbe ja auch Ergebnisse: "Die 1,5-Grad-Grenze - das Pariser Abkommen - das war auch ein ganz konkretes Ergebnis einer Weltklimakonferenz. Also es ist nicht so, als würden Konferenzen wie diese kategorisch nichts erreichen."
Verlieren den Kampf unseres Lebens
"Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle - mit dem Fuß auf dem Gaspedal", sagte UN-Generalsekretär António Guterres am Montag in seiner COP-Rede vor Dutzenden Staats- und Regierungschefs. "Wir kämpfen den Kampf unseres Lebens - und sind dabei zu verlieren", warnte er mit Blick auf Dürren, Überschwemmungen, Unwetter und steigende Meeresspiegel.
Emissionen steigen weiter an
"Die Menschheit steuert auf einen Abgrund zu, auf eine Erwärmung von über 2,7 Grad, mit verheerenden Auswirkungen auf unser Leben auf dem einzigen Planeten, den wir haben", sagte Außenministerin Annalena Baerbock zu Beginn der Konferenz. Die Entscheidungen in Sharm El-Sheikh werden deshalb oft als "letzte Chance für das Klima" beschrieben. Doch das war auch bei der Konferenz im vergangenen Jahr in Glasgow schon so. Und im Jahr davor. Und im Jahr davor. Währenddessen steigen die Treibhausgas-Emissionen weiter. Dabei sollten sie eigentlich sinken. Und zwar schnell, darin sind sich die meisten Wissenschaftler einig.
Die zahlreichen Beschlüsse, Vereinbarungen und Abkommen scheinen dem Klima offenbar nicht ausreichend geholfen zu haben. Viele davon wurden gar nicht erst umgesetzt und selbst wenn alle bisherigen Zusagen verwirklicht würden, werde die Erderwärmung nur auf 2,4 bis 2,6 Grad Celsius begrenzt, schrieb das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) Ende Oktober in seinem jährlichen Bericht und warnte vor gravierenden Folgen.
Meilenstein: Pariser Klimaabkommen
Dabei verpflichteten sich bereits bei der Weltklimakonferenz 2015 insgesamt 195 Staaten dazu, den globalen Temperaturanstieg auf maximal 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Das Pariser Klimaabkommen gilt als Meilenstein der internationalen Klimapolitik, untermauert durch nationale Klimaziele nebst entsprechender Maßnahmen, die alle fünf Jahre aktualisiert werden sollten. Allerdings nahm nur ein Bruchteil der Länder die Anpassungen 2020 auch wirklich vor und die allermeisten Staaten haben ihre Ziele regelmäßig krachend verfehlt, darunter auch Deutschland.
Das soll sich jetzt ändern: Mit dem neuen Klimaschutz-Gesetz will die Bundesregierung bis zum Jahr 2045 Klimaneutralität erreichen, bis 2030 soll der Ausstoß an Treibhausgasen im Vergleich zu 1990 um mindestens 65 Prozent reduziert werden. Doch auch dieses Ziel droht deutlich verfehlt zu werden, wie der Expertenrat für Klimafragen Ende vergangener Woche in einem Gutachten darlegte.
Dabei gelten Deutschland und die EU als Vorreiter beim internationalen Klimaschutz und stehen auch in besonderem Maße in der Verantwortung. Immerhin gründet sich der Reichtum der westlichen Industriestaaten nicht zuletzt auf der Nutzung fossiler Energieträger, die wiederum für den Großteil der globalen Emissionen verantwortlich ist.
Entsprechend schwierig dürfte es bei den Klimaschutz-Verhandlungen sein, aufstrebende Wirtschaftsnationen von der Notwendigkeit der Emissionsreduktion zu überzeugen. Das Schwellenland China hat sich in der Zwischenzeit zwar ebenfalls zu mehr Klimaschutz bekannt, leitet aus der Geschichte aber auch eine Art Treibhausgas-Anspruch ab, um auf dem Weg des Fortschritts voranzukommen und führt mit etwa 30 Prozent der weltweiten Emissionen bereits die Rangliste der Emittenten an.
Entwicklungsländer besonders betroffen
Leidtragende sind vor allem Entwicklungsländer in den ärmeren Regionen der Welt. Niedrig liegende Küstengebiete sind vom steigenden Meeresspiegel bedroht, Dürren und Überschwemmungen befeuern die Nahrungsmittel- und Trinkwasserknappheit. Den Ländern mangelt es jedoch nicht nur an finanziellen Mitteln, Know-how und Technologie, um sich den Klimafolgen anpassen zu können. Sie verfügen wegen ihrer schwächeren Wirtschaftskraft auch über eine nicht so mächtige Verhandlungsposition wie die großen Industrienationen.
Zwar wurde schon beim Klimagipfel 2009 in Kopenhagen festgelegt, dass ab 2020 insbesondere durch die Industrieländer 100 Milliarden Dollar pro Jahr zur Klimafinanzierung mobilisiert werden sollen. Doch auch dieses Ziel konnte bisher nicht erreicht werden. Sind die Konferenzen und damit auch das Gipfeltreffen in Scharm El-Scheich also zum Scheitern verurteilt?
"Das kommt letztlich auf die Messlatte an. Aber ohne das Pariser Klimaabkommen würden wir über nationale Ziele überhaupt nicht sprechen. Das wäre noch wesentlich verheerender und die vorangegangenen Konferenzen mündeten in diesem Abkommen", sagt WDR-Klimaexperte Lorenz Beckhardt. Und nur dank des Gipfels in Ägypten stehe das Thema Klimawandel nun wieder ganz oben auf der Agenda, nachdem diese zuletzt von Inflation und Energiesicherung geprägt gewesen sei.
Über dieses Thema berichten wir im WDR am 07.11.2022 auch im Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.