Wie viele Lehrkräfte verlassen in NRW den Schuldienst und kündigen? Das Schulministerium teilte vor vier Wochen auf Anfrage mit, diese Zahlen lägen nicht vor. Schulministerin Dorothee Feller sprach bisher von "Einzelfällen", wollte aber genauer nachzählen lassen.
800 Jobaussteiger trotz Mangel
Auf Nachfrage des WDR hat das Ministerium dies jetzt getan. Die Zahlen zeigen, dass es ganz und gar nicht nur Einzelne betrifft. Fast 800 Jobaussteiger an Schulen hat es im Jahr 2022 gegeben. Darunter war auch pädagogisches Fachpersonal wie Sozialpädagogen, aber 286 Kündigungen kamen von verbeamteten Lehrerinnen und Lehrern.
Insgesamt hat sich die Zahl der Kündigungen damit innerhalb von zehn Jahren fast verdreifacht. In Anbetracht dieser Zahlen spricht das Ministerium nun davon, dass Menschen heute häufiger den Arbeitgeber wechseln würden als noch vor einigen Jahren. Wegen des Fachkräftemangels hätten Tarifbeschäftigte mehr Möglichkeiten sich beruflich neu zu orientieren, heißt es.
Lehrkräftemangel verschärft sich weiter
Nach WDR-Recherchen liegt das vor allem an den immer weiter steigenden Belastungen für Lehrkräfte. Zahlreiche Betroffene hatten berichtet, dass der Druck, in Klassen mit mehr als 30 Kindern immer allen gerecht werden zu wollen, zu Burnout und anderen Erkrankungen führe.
8000 Lehrerstellen sind in NRW im Moment unbesetzt und das müssen die Aktiven auffangen. Vielen fehle aber noch der Mut, den Beruf zu wechseln, sagt Isabell Probst, die selbst als Gymnasiallehrerin aufgehört hat und inzwischen betroffenen Lehrkräften ein professionelles Coaching zum Ausstieg anbietet.
Beamtenstatus nicht mehr für alle ein Anreiz
Vor allem jüngere Lehrkräfte seien nicht mehr so an der Sicherheit des Beamtenstatus interessiert, hat der Verband Bildung und Erziehung (VBE) beobachtet. Im Gegenteil, sie fühlten sich dadurch eingeschränkt, haben einige dem WDR erzählt. Denn Beamte können nicht streiken oder einfach die Schule wechseln.
Wibke Poth, stellvertretende Landesvorsitzende des VBE NRW sieht in den nun vorliegenden Kündigungszahlen keine gute Entwicklung. Das Schulministerium müsse umgehend die Ursachen untersuchen, so Poth. Die Belastung der Lehrkräfte werde immer dramatischer. Damit steige die Unzufriedenheit.
Opposition fordert neues Handlungskonzept gegen Lehrkräftemangel
Franziska Müller-Rech, die schulpolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion findet die Tatsache, dass im letzten Jahr 286 verbeamtete Lehrkräfte ausgestiegen sind, besonders alarmierend. Damit würden die Betroffenen, die die Schule verlassen, finanziell auf viel Absicherung verzichten.
Müller-Rech fordert von Schulministerin Feller nun ein neues Handlungskonzept gegen Lehrkräftemangel. Die Regelung, weniger Teilzeit zu ermöglichen, sei kontraproduktiv. Und auch der Plan, neue eingestellte Lehrkräfte zunächst an Problemschulen für zwei Jahre abzuordnen, müsse zurückgenommen werden. Statt dessen bräuchten Lehrkräfte in der aktuellen Situation wirkliche Wertschätzung, so Müller-Rech.
"Alarmierend" sei die Zahl von 8.000 Jobaussteigern, sagte Dilek Engin, Bildungsexpertin der SPD-Fraktion im Landtag. Das von der Landesregierung unlängst vorlegte Handlungskonzept zur Unterrichtsversorgung sei ungeeignet. So werde durch die Beschneidung der Teilzeit-Optionen der Lehramtsberuf noch unattraktiver gemacht wird, kritisierte auch Engin. Gebraucht würden mehr "multiprofessionelle Teams und die Bündelung aller Kompetenzen und Ressourcen, um offensiv gegen die Bildungskatastrophe anzugehen".
Der WDR berichtet darüber im WDR 5 Morgenecho am 28.03.2023, ab 6:00 Uhr.