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Hochamt und Verdruss: Warum NRW bei der Wahl eine Schlüsselrolle hat
Stand: 21.02.2025, 14:00 Uhr
Es grassiert viel Misstrauen gegen den Staat. Trotzdem ist die Wahl das Hochamt der Demokratie. NRW ist dabei besonders wichtig.
Von Jochen Trum
Erneut geht ein Gespenst um in Europa. Nein, es ist nicht der Kommunismus, den Marx und Engels einst mit diesem berühmten Satz meinten. Es ist auch keine politische Bewegung, Ideologie oder einzelne Partei. Es ist vielmehr das tiefsitzende Misstrauen, das überall zu grassieren scheint - in den Staat, seine Institutionen und Repräsentanten. Und auch das fehlende Vertrauen in die demokratische Ordnung insgesamt.
Traut sich das Wahlvolk noch selbst über den Weg?
Traut sich das Wahlvolk eigentlich noch selbst über den Weg? Sind die große Gereiztheit, die miese, aggressive Stimmung, die wir derzeit an vielen Ecken wahrnehmen, Ausdruck der Unsicherheit im Angesicht der Probleme unserer Zeit? Vielleicht hadern wir einfach nur mit Veränderungen, die sich so erkennbar unserer Gestaltungsmacht entziehen.
Die Welt, an die ich mich in den ersten Jahrzehnten meines Lebens gewöhnt habe, verändert sich rasant. Die Vorstellung, dass Europa und Deutschland auf einmal zwischen russischem Dominanzstreben und amerikanischem Desinteresse auf sich gestellt sind, ist irritierend. Man könnte sich beruhigen und mit dem früheren US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt sagen: Das einzige, was wir fürchten müssen, ist die Furcht selbst. Aber etwas komplizierter ist es dann doch.
Die neue Regierung wird nicht viel Zeit haben
Wie auch immer der Wahlabend ausgeht, die neue Regierung wird nicht viel Zeit haben, die Aufgaben zu lösen. Ganz gleich, ob es dabei um Wirtschaft, Sicherheit, Migration, Soziales oder Klima geht. Der fortdauernde Selbstbetrug, wonach wir das alles schon irgendwie schaffen werden, ist keine Lösung, das scheinen weite Teile der Politik inzwischen verstanden zu haben. Und auch, dass die Pose der moralischen Überlegenheit, in der sich manche gefallen, nicht mehr in eine Zeit passt, die nach praktischen Lösungen ruft. Ob sie die Kraft aufbringen, die Dinge tatsächlich zum Besseren zu wenden, ist aber offen.
Auch für die Landespolitik dürfte der Wahlabend eine Zäsur sein. Änderungen in Berlin bleiben nicht folgenlos für NRW. Es wird den Landeshaushalt treffen und auch für die Koalition in Düsseldorf politische Zumutungen bedeuten. Vor allem die industrielle Schwindsucht, die besorgniserregende Ausmaße angenommen hat, drängt Bund und Land zum Handeln.
Wer in NRW gut abschneidet hat einiges auf der Waage
An Rhein und Ruhr sind am Sonntag mehr als 12 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen. Das ist ein Fünftel der Wahlberechtigten in ganz Deutschland. Eine Partei, die hier gut abschneidet, hat schon einiges auf der Wahl-Waage. Die in Umfragen führende Union ist auch personell stark geprägt von NRW-Köpfen, die abstiegsbedrohten Liberalen hoffen, dass sie auch und vor allem dank der Stimmen aus dem Westen im Parlament bleiben können.
Die SPD bangt, vor allem mit Blick auf das, was ihr in ihrer einstigen Hochburg Ruhrgebiet widerfahren könnte. Die AfD hofft auf hohe Zugewinne, die Grünen erinnern sich, dass sie in Umfragen häufig stärker waren als an der Urne.
Die Stärke der Demokratie ist ihre Anpassungsfähigkeit
Eine Wahl ist das Hochamt der Demokratie. Der Souverän, das Volk, wählt aus, mandatiert und legitimiert ein Parlament, um sich aus seiner Mitte heraus eine Legislatur lang regieren zu lassen. Eigentlich eine schöne Vorstellung, die aber längst nicht mehr von allen geteilt wird. Dennoch: Wenn die Demokratie in der jüngeren Geschichte eine Stärke offenbart hat, dann ist es ihre Anpassungsfähigkeit. Vielleicht wären wir gut beraten, darauf zu vertrauen. Nur ein selbstbewusster Souverän kann die Geister verscheuchen. Auch die, die er selbst gerufen hat.
Dieser Text erscheint auch als Editorial in "18 Millionen - Der Newsletter für Politik in NRW". Jeden Freitag verschicken wir die Themen, die NRW bewegen – an politisch Interessierte, Aktive, Gewählte, und Politik-Nerds.
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