Gelsenkirchen: Stärkstes AfD-Ergebnis in NRW
Aktuelle Stunde . 10.06.2024. 36:08 Min.. UT. Verfügbar bis 10.06.2026. WDR. Von Alexander Roettig.
Wahlanalyse: Wo die AfD ihre NRW-Hochburgen hat
Stand: 10.06.2024, 11:55 Uhr
Die AfD landet in NRW "nur" auf dem vierten Platz, dennoch kann sie mit ihrem Europawahlergebnis zufrieden sein. Mehr noch: Sie hat bestehende Hochburgen gestärkt.
Bisher galt NRW als schwieriges Pflaster für die AfD. In der Regel lag sie bei landesweiten Wahlen fast immer deutlich unter dem Potenzial, das sie bundesweit ausschöpfen konnte. So verpasste sie 2022 fast den Wiedereinzug in den Landtag.
Von einem Kratzen an der - bei der Europawahl nur symbolischen - Fünf-Prozent-Hürde war die AfD am Sonntag weit entfernt. Im bevölkerungsreichsten Bundesland holte sie 12,6 Prozent. Damit liegt sie zwar noch hinter SPD wie Grünen und landet wieder unter dem Bundesergebnis von 15,9 Prozent.
Trotz leichten Schatten berechtigte Zufriedenheit
Bei der Führung der Landes-AfD dürfte das allerdings niemanden so wirklich stören. Zum einen ist man nach vielen Versuchen landesweit über zehn Prozent, zum anderen lässt das Resultat noch Raum, parteiinternen Gegnern - wie etwa der eigenen Jugendorganisation "Junge Alternative" - vorzuwerfen, sie hätten ein besseres Ergebnis verhindert.
Für die selbsterklärten liberalen Nationalkonservativen um Landeschef Martin Vincentz ist der Wahlabend daher fast schon nach Plan gelaufen, entsprechend freudig kommentiert er das Ergebnis. "Es zeigt sich, die AfD spricht die richtigen Themen an und immer mehr Wähler erkennen dies", schreibt der zuletzt nicht ganz unumstrittene Parteichef.
AfD hat inzwischen "Hochburgen"
Bei der tiefer gehenden Analyse, wo genau die AfD im Land stark war, deuten sich immer klarer regionale "Hochburgen" an. Im nördlichen Ruhrgebiet zum Beispiel holt sie ihre drei besten Resultate. In Hagen kommt sie auf 17,6 Prozent und in Herne - dort, wo die SPD den einzigen Kreis gewinnen kann - holt sie 18 Prozent der Stimmen.
Das beste Ergebnis fährt die AfD jedoch in Gelsenkirchen ein, wo die Verhältnisse bei dieser Europawahl auf den Kopf gestellt wurden: In der Stadt, die lange nur SPD-Wahlsiege kannte, wird die CDU stärkste Kraft. Auch die AfD zieht an den Sozialdemokraten vorbei und holt mit 21,7 Prozent ihr landesweit stärkstes Ergebnis.
Schon bei den letzten Wahlen hatte die AfD im nördlichen Ruhrgebiet die besten Ergebnisse, also gerade dort, wo es die größten sozialen Spannungen gibt. Ein Blick in die bundesweiten Daten stützt diese These: Gerade bei Arbeitern und Arbeiterinnen (33 Prozent) wie Menschen mit geringem Lebensstandard (32 Prozent) hat die AfD laut Infratest dimap den stärksten Rückhalt. Also bei abgehängten oder vom Abstieg bedrohten Milieus.
OWL, Oberbergischer und Märkischer Kreis wählen blauer
Aber nicht nur in der Region nördlich der Autobahn 40 haben sich AfD-Stammlandschaften herausgebildet. Im Oberbergischen Kreis (16,2 Prozent) und dem angrenzenden Märkischen Kreis (17 Prozent) holt sie mit die besten Ergebnisse. Auch in Ostwestfalen-Lippe - mit Ausnahme der Stadt Bielefeld - färbt sich die Karte der Landeswahlleiterin blauer als anderswo.
Erklärungen dafür sind schwer zu finden. Im Oberbergischen gibt es eine starke russland-deutsche Gemeinschaft, die der AfD traditionell näher steht. In Ostwestfalen hatte die AfD immer schon starke Anknüpfungspunkte bis in die Szenen, die den Reichsbürgern nahe stehen - als einzige Erklärung für das starke Ergebnis taugt es nicht.
In Münster gibt es für die AfD weiterhin Probleme
Aber auch bei den Gegenden, wo die AfD bisher nicht punkten konnte, gibt es wenige Überraschungen. Münster schafft es erneut, die Partei unter fünf Prozent zu halten. In der von einem progressiv-katholisch geprägten Bürgertum dominierten Stadt tut sich die AfD seit ihrer Gründung schwer. Auch in den grünen Hochburgen Köln, Bonn und Aachen läuft die AfD weit unterhalb von zehn Prozent ein.
Sowieso fällt auf, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen AfD und Grün. Dort, wo die einen stark sind, sind die anderen eher schwach. Die stärksten Ergebnisse für die Grünen gibt es nämlich genau dort, wo die AfD am schwächsten abgeschnitten hat. Dieser Befund dürfte eine weitere Polarisierung zwischen den beiden Parteien wahrscheinlicher machen.