Bodycams bei Einsatz in Dortmund ausgeschaltet: Wie NRW die Kameras einsetzt
Stand: 16.08.2022, 20:00 Uhr
Bei den tödlichen Schüssen der Polizei auf einen 16-Jährigen waren die Bodycams der beteiligten Beamten in Dortmund nicht eingeschaltet. Dabei betont NRW-Innenminister Reul (CDU) seit Jahren die Wichtigkeit von Bodycams.
Von Martin Teigeler
Die Kameras an den Westen der Polizisten hätten im Zweifel mehr Erkenntnisse über den Einsatz bringen können, bei dem ein 16-Jähriger durch fünf Kugeln tödlich verletzt wurde. Bodycams gehören seit einigen Jahren zur Standardausrüstung von Streifenpolizisten in Nordrhein-Westfalen. Doch sie waren ausgeschaltet.
Ermittlungen zum Bodycam-Einsatz laufen
Warum sie ausgeschaltet waren und ob man sie überhaupt hätte einschalten dürfen, ist Gegenstand der laufenden Ermittlungen, teilte das NRW-Innenministerium am Dienstagabend auf WDR-Anfrage mit.
In der entsprechenden Dienstanweisung zur Bodycam steht. "Ein unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung muss gewahrt werden. Es werden Lebenssachverhalte höchstpersönlicher Art geschützt, deren optische und akustische Dokumentation geeignet wäre, ein besonderes Gefühl der Schamverletzung hervorzurufen."
"Die höchstpersönliche Entscheidung, sein Leben beenden zu wollen und dabei gefilmt zu werden, könnte darunter zu subsummieren sein", heißt es aus dem Innenministerium. Die Polizisten waren zunächst davon ausgegangen, dass der 16-Jährige sich selbst töten wollte.
Bodycams dienen Schutz von "Leib oder Leben"
Ende 2019 hatte NRW die Bodycams für den Regelbetrieb der Polizei eingeführt. Knapp 10.000 Kameras wurden angeschafft, die im Streifendienst "deeskalierend" wirken sollen. Kritische Situationen im Streifendienst sollten durch die Aufzeichung entschärft werden, sagte Innenminister Herbert Reul (CDU) damals bei der Vorstellung.
Die Aufnahmen der Bodycams werden laut Innenministerium nach dem Einsatz auf lokale Rechner übertragen und dabei von der Kamera gelöscht: "Sie bleiben 14 Tage auf dem Sicherungsrechner."
Polizist muss die Bodycam manuell einschalten
Geregelt ist der Kameraeinsatz in Paragraf 15 des Polizeigesetzes. Darin heißt es: "Die Polizei kann bei der Durchführung von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten mittels körpernah getragener Aufnahmegeräte offen Bild- und Tonaufzeichnungen anfertigen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dies zum Schutz von Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten oder Dritten gegen eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist." Die Erhebung personenbezogener Daten kann demnach auch dann erfolgen, wenn Dritte unvermeidbar betroffen sind.
Ein Polizist im Einsatz muss die Bodycam manuell einschalten. Ob er das tut, entscheidet er selbst im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben. Darin heißt es: "Über die Anfertigung der technischen Aufzeichnungen entscheidet die das Aufnahmegerät tragende Polizeivollzugsbeamtin oder der das Aufnahmegerät tragende Polizeivollzugsbeamte anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls."
Pilotversuch mit Körperkameras abgebrochen
Dabei verlief die Einführung der Kameras in NRW durchaus holprig. Die NRW-Polizei brach Anfang 2018 den Pilotversuch mit Bodycams ab. Es sei "klar geworden, dass diese Geräte viele Schäden haben", sagte Innenminister Reul. Die getesteten Geräte seien "ständig störanfällig", "ungeheuer schwer" und somit nicht für den Polizeialltag geeignet. Der Abbruch der Kamera-Versuche war damals auch Thema im Landtag. Es folgte eine Neuausschreibung des Bodycam-Projekts.
Reuls Amtsvorgänger Ralf Jäger (SPD) hatte 2017 den Pilotversuch begonnen. Anlass für das Projekt war seine Besorgnis über Pöbeleien und Gewalt gegen Polizisten. "Wir wollen herausfinden, ob die Übergriffe auf Beamte durch den Einsatz der Bodycams abnehmen", sagte der damalige Minister Jäger.
Amnesty International hatte 2019 gefordert, dass die per Bodycam gemachten Videoaufzeichnungen auch für Betroffene von Polizeigewalt in der Praxis zugänglich und nutzbar sein müssten. Eine spätere Verknüpfung der Bodycam mit Gesichtserkennungssoftware müsse ausgeschlossen werden.
Über dieses Thema berichtete de WDR im Hörfunk und Fernsehen am 16.08.2022.