CDU und Grüne sind bislang sehr stolz darauf, wie geräuschlos die ungewohnte Koalition in NRW gemeinsam regiert. Großer Streit blieb aus - oder wurde zumindest nicht öffentlich. Doch eine Abstimmung im Bundesrat am Freitag macht nun erstmals spürbare Risse in der Koalition deutlich.
Keine Zustimmung im Bundesrat
Konkret geht es um Neuregelungen im Straßenverkehrsrecht. Dadurch sollen Städte und Gemeinden mehr Spielraum etwa für das Einrichten von Busspuren, Radwegen und Tempo-30-Zonen bekommen. Auch in NRW fordern das mehrere Kommunen. Doch das entsprechende Gesetz der Ampel-Bundesregierung bekam am Freitag keine Mehrheit. Unter anderem die NRW-Landesregierung stimmte nicht dafür.
Grünen-Fraktionschefin ist sauer
Grünen-Fraktionschefin Wibke Brems
Genau das sorgt nun für Ärger. Die Vorsitzende der Grünen-Landtagsfraktion, Wibke Brems, sagte ungewöhnlich deutlich: "Ich habe kein Verständnis dafür, dass die CDU durch ihre Ablehnung der Novellierung des Straßenverkehrsrechts für eine Enthaltung Nordrhein-Westfalens im Bundesrat gesorgt hat." Brems attackiert also ganz direkt den eigenen Koalitionspartner.
Die Grüne wies in diesem Zusammenhang auf den Koalitionsvertrag hin. "Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, uns für mehr Handlungsfreiheit zur Steigerung der Verkehrssicherheit vor Ort einzusetzen. Dass mit dem Scheitern im Bundesrat nun die Verkehrssicherheit vor Ort ausgebremst wird, ist wirklich bitter."
Das sagt der Koalitionsvertrag
Tatsächlich haben sich CDU und Grüne im Sommer 2022 darauf verständigt: "Wir werden uns im Rahmen der Novellierung der Straßenverkehrsordnung dafür einsetzen, dass Kommunen mehr Handlungsfreiheit zur Steigerung der Verkehrssicherheit und der Aufenthaltsqualität erhalten."
Trotzdem stimmte NRW am Freitag nicht zu. Das dürfte an einer weiteren Formulierung im Koalitionsvertrag liegen. Zum Thema Bundesrat heißt es nämlich: "Das Abstimmungsverhalten im Bundesrat wird im gegenseitigen Einvernehmen der Koalitionspartner festgelegt. Kommt eine Einigung über das Abstimmungsverhalten nicht zustande, wird sich das Land Nordrhein-Westfalen im Bundesrat der Stimme enthalten."
Innerhalb von Koalitionen ist das ein übliches Vorgehen. Dass die Grünen nun die CDU so scharf kritisieren, deutet aber darauf hin, dass man an dieser Stelle eigentlich mit einer Zustimmung gerechnet hat und der Unmut groß ist.
Enttäuschter Minister
NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer
NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer, ebenfalls ein Grüner, zeigte sich nach der Abstimmung ebenfalls enttäuscht: "Der Bundesrat hat heute die Chance verpasst, den Straßenverkehr umwelt- und klimafreundlicher und vor allem sicherer zu gestalten." Auch wenn die Reform vielen noch nicht weit genug gehe, wäre sie "ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung gewesen". Und weiter: "Durch das Votum des Bundesrates ist dies nun erst einmal gescheitert." Indirekte Kritik also, aber auf direkte Angriffe gegen die CDU verzichtete der Minister.
Das sagt die Staatskanzlei
Die Staatskanzlei erklärte am Freitagabend auf WDR-Anfrage das Abstimmungsverhalten. So sagte eine Sprecherin, die Ziele des Vorhabens würden von der Landesregierung "einmütig unterstützt" - also im Straßenverkehrsrecht auch den Klima- und Umweltschutz, die Gesundheit und die städtebaulichen Entwicklung zu berücksichtigen. "Problematisch ist jedoch, dass die bereits seit langer Zeit bestehende Zielsetzung der Sicherheit der Straßenverkehrs lediglich gleichrangig neben den vorgenannten Regelungszielen zu berücksichtigen ist." Es bestehe deshalb "die Sorge", dass es zu einer "Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit" kommen könnte.
Auf die ungewöhnliche Kritik der Grünen ging die Staatskanzlei nicht ein.
Unsere Quellen:
- Bundesrat
- WDR-Anfragen
- Nachrichtenagentur dpa
- NRW-Koalitionsvertrag