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Nach der Wahl: Finden CDU und SPD zueinander?
Stand: 24.02.2025, 15:35 Uhr
In NRW schnitten CDU und SPD etwas besser ab als im Bund. Hilft Ministerpräsident Wüst nun Unions-Kanzlerkandidat Merz dabei, ein Bündnis mit der SPD zu schmieden? Beide "Volksparteien" haben ihre Baustellen. Eine Analyse.
Von Martin Teigeler
Der kurze Jubel bei den Christdemokraten vom Wahlabend ist schon verflogen. Am Montag nach der Bundestagswahl geht es bereits darum, wie die Union die SPD zu einer Zusammenarbeit bewegen könnte. CDU-Chef Friedrich Merz braucht die Sozialdemokraten, wenn er es ins Kanzleramt schaffen will. Es zeichnet sich ab, dass die NRW-Landesverbände von CDU und SPD dabei eine wichtige Vermittlerrolle spielen könnten.
Die politische Mitte sei "gefordert zusammenzukommen, auch Brücken zu bauen und Antworten zu geben auf die Sorgen der Menschen", sagt NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Jochen Ott, SPD-Fraktionschef im Landtag, entgegnet: "Der Ball liegt bei der Union. Sie ist es, die sich jetzt bewegen und Brücken bauen muss, nachdem sie sie vorher eingerissen hat." Eins sei jedenfalls klar: "Der Weg zu einer möglichen Koalition ist noch weit."
Der Münsteraner Politik-Professor Norbert Kersting empfiehlt der Union, bei den anstehenden schwierigen Koalitionssondierungen auch auf Länderchefs zu hören. Wüst wäre "ein guter Berater", sagt Kersting. Denn Kanzlerkandidat Merz habe keine Regierungserfahrung.
CDU-Wahlerfolg - aber Merz zog nicht besonders
Auf den ersten Blick erscheint alles ganz einfach: Die CDU hat gewonnen, die SPD verloren. Eine Analyse des Wahlergebnisses vom Sonntag zeigt aber auch: Die Christdemokraten liegen zwar klar vorn - auch in NRW. Doch mit den 30 Prozent vom Wahlsonntag erreicht die Wüst-CDU in NRW nicht das Niveau ihrer Umfragen für die nächste Landtagswahl (etwa 40 Prozent).
Es war für die Christdemokraten in Nordrhein-Westfalen sogar das zweitschlechteste Ergebnis bei einer Bundestagswahl seit 1949. Erstaunlicherweise gab es die beiden schwächsten CDU-Ergebnisse in NRW mit Kanzlerkandidaten aus NRW: nämlich Armin Laschet 2021 und jetzt dem Sauerländer Merz. Die Top-Ergebnisse der beiden "Volksparteien" sind lange her.
SPD - Wahlpleite mit historischem Ausmaß
Die Sozialdemokraten haben ein "katastrophales Ergebnis" (Boris Pistorius) erzielt. Olaf Scholz bleibt als Kanzler eine Episode. Die Sozialdemokraten sind bei ihrem schlechtesten Ergebnis bei einer nationalen Parlamentswahl seit 1887 gelandet. Selbst bei der Reichstagswahl im März 1933 - also kurz nach der Machtübernahme von Hitler - hatte die SPD mehr Prozente als bei der Bundestagswahl 2025.
Wenn man mit Sozialdemokraten spricht, ist teils dennoch ein "Hätte ja noch schlimmer kommen können" zu hören. Immerhin konnte sich die SPD etwa im Ruhrgebiet besser behaupten als noch bei der Europawahl 2024. Vor ein paar Wochen hatten Meinungsforscher ein noch größeres Debakel vorhergesagt für die Genossen.
Kritik an Merz-Wahlkampf aus der NRW-CDU

CDA-Chef Radtke kritisierte die Kampagne der Union
Dass beide Parteien internen Klärungsbedarf haben, zeigte sich am Montag. CDA-Chef Dennis Radtke, zugleich Europaabgeordneter aus dem Ruhrgebiet, kritisierte in den Parteigremien den Wahlkampf von Merz. Es sei zu wenig um soziale Sicherheit gegangen, zu viel um Migration. "Die Ampel hat 20 Prozent verloren. Wir haben nur vier Prozent gewonnen", wurde Radtke zitiert. Schon vor der Wahl hatte Düsseldorfs Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) die umstrittene Entscheidung von Merz scharf kritisiert, im Bundestag Stimmen der AfD in Kauf zu nehmen.
Die Union im Westen muss irgendwann wohl klären, ob sie eine moderate Wüst- oder eine nach rechts blinkende Merz-CDU sein will. Hält Wüst weiter am politischen Erbe von Angela Merkel fest? Und welche inhaltlichen Akzente kann Wüst jetzt im Bund setzen - etwa zur Reform der Schuldenbremse? Die Sozialdemokraten aus NRW fordern von der Union hier seit Jahren Bewegung, um mehr staatliche Investitionen möglich zu machen - in Bund und Ländern. Nun aber dürfte es unter den neuen Bundestags-Mehrheitsverhältnissen schwierig werden, eine Grundgesetz-Änderung hinzubekommen.
SPD zwischen erstarkter Linke und Schwarz-Rot-Option
Die SPD hat ihre eigenen Probleme - inhaltlich und personell. Rolf Mützenich aus Köln gibt den Posten des Fraktionschefs im Bundestag ab. Co-Parteichef Lars Klingbeil (einer der vielen einflussreichen Sozialdemokraten aus Niedersachsen) ließ sich trotz Wahldesaster noch am Sonntagabend als designierter Nachfolger ausrufen. Klingbeil habe "bewiesen, dass er die Partei in schwierigen Zeiten wieder nach vorne bringen kann", sagt die Co-Chefin der NRW-SPD, Sarah Philipp, dazu.
Fragen stellen sich mit Blick auf den künftigen programmatischen Kurs der Partei. Wie reagiert die SPD auf die erstarkte Linke und auf die AfD-Erfolge im Ruhrgebiet? Wie positioniert sich die SPD im veränderten Parteienspektrum, um Arbeiter und junge Wähler zurückzugewinnen? In den Gesprächen wird Merz versuchen, seinen "Politikwechsel" in der Asyl- und Migrationspolitik durchzusetzen. Macht die SPD da mit - will sie im noch größeren Stil abschieben als Scholz? Gerade die NRW-SPD hat ein Interesse an klaren und zügigen Antworten. Im Herbst steht die nächste Wahl an - in den Kommunen.
Unsere Quellen:
- eigene Recherchen
- Ott und Philipp auf WDR-Anfrage
- Wüst und Kersting laut Nachrichtenagentur dpa
- Radtke laut Bericht der "Bild"-Zeitung