Westpol

Westpol 17.03.2024 29:35 Min. UT DGS Verfügbar bis 17.03.2029 WDR

Was tun im Umgang mit Problemfans?

Stand: 16.03.2024, 16:00 Uhr

Köln, Mönchengladbach, Dortmund - vor und in den Stadien der Bundesligisten gab es in den vergangengen Tagen und Wochen Fankrawalle. Die Politik fordert Lösungen, die Vereine halten sich zurück.

Von und Tim Köksalan

In den vergangenen Wochen hat es mehrfach Großeinsätze der Polizei nach Ausschreitungen bei Fußballspielen gegeben. Erst am Mittwoch wurde vor dem Champions League Spiel zwischen Borussia Dortmund und dem PSV Eindhoven ein niederländischer Anhänger schwer verletzt.

Drei Monate vor der EM steht mal wieder die Frage im Raum, wie sich solche Szenen künftig verhindern und die Täter besser ermitteln lassen.

Klubs geben sich wortkarg

Die Vorfälle in Dortmund sind der Höhepunkt einer Serie von Ausschreitungen in den vergangenen Wochen. Erst waren es Kölner und Leverkusener Anhänger, die Anfang März im Kölner Stadion aneinander gerieten. Am vergangenen Wochenende kam es dann vor dem Spiel der Kölner in Mönchengladbach zu Tumulten zwischen beiden Lagern, dabei wurden drei Einsatzkräfte verletzt.

Philipp Köster, Chefredakteur "11Freunde"

Philipp Köster, Chefredakteur "11Freunde"

Auffällig ist, das sich die Bundesligavereine nach Gewalteskalationen der eigenen Fans nur kurz und zurückhaltend äußern. Kein Zufall, meint Philipp Köster, Chefredakteur des Fußballmagazins „11 Freunde“: „Die Statements sind immer wahnsinnig kurz und wahnsinnig nichtssagend. Und man merkt, wir wollen uns da eigentlich raushalten. Und wir wollen keinen Ärger, weder mit der Polizei, aber auch nicht mit unseren Anhängern.“ Es brauche Ideen der Vereine, wie sie mit Respekt und auf Augenhöhe mit den Fans kommunizieren und gleichzeitig klare Regeln aufstellen. „Momentan vermisst man bei den Klubs gerade in der ersten Liga alles das“, so Köster weiter.

Reul fordert personalisierte Tickets

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU)

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU)

Das Problem mit gewaltbereiten Fans habe wieder zugenommen, sagt NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU): "Die letzten Wochen sind schlimme Beispiele. Es ist nicht überall. Es ist bei einigen Vereinen bei einigen Kombinationen, und ich finde, das kann nicht akzeptiert werden."

Reul verbindet seine Kritik mit einer klaren Forderung: die Vereine sollen künftig nur noch personalisierte Tickets mit Namen jedes einzelnen Zuschauers ausgeben und diese dann auch an den Eingängen kontrollieren. Das könne helfen, Krawallmacher zu ermitteln und zu bestrafen, so der NRW-Innenminister. Er versteht diesen Vorstoß aktuell als Bitte an die Vereine, etwas mehr als bisher gegen Gewalt in den Stadion zu tun.

Vereine wehren sich gegen Kritik

Von Vereinen und Fans bekommt Reul wenig Zuspruch für seinen Vorschlag. In einer Anfrage des WDR an alle 13 Proficlubs aus NRW in den ersten drei Ligen konnte sich keiner mit diesem Vorschlag anfreunden. Bayer Leverkusen zum Beispiel spricht den hohen Aufwand an, den personalisierte Tickets gerade bei den Einlasskontrollen mit sich bringen.

Außerdem seien Problemfans oftmals maskiert und hätten Mittel und Wege, in der Masse wieder unterzutauchen. Bei Krawallen außerhalb des Stadions, wie zuletzt in Mönchengladbach, seien personalisierte Tickets ohnehin kein Mittel.

Ähnlich argumentiert Drittligist Rot-Weiss Essen. Auch hier hält man personalisierte Tickets weder für zielführend noch für verhältnismäßig. Die Maßnahme stelle zudem friedliche Fans unter Generalverdacht. Klar ist, dass bei personalisierten Tickets wesentlich mehr Personal zur Einlasskontrolle nötig wäre, um die Fans in akzeptabler Zeit ins Stadion zu lassen.

Beide Vereine betonen ihren stetigen Austausch mit den Fangruppen und der Polizei als wichtigen Lösungsansatz, um Ausschreitungen an Spieltagen vorzubeugen.

Fanverband fordert mehr Kommunikation auf allen Ebenen

Jost Peter von der Fanvereinigung "Unsere Kurve"

Jost Peter von der Fanvereinigung "Unsere Kurve"

Einen solchen Austausch sieht Jost Peter vom Fanverband "Unsere Kurve" als zentrales Element, um Gewalt in und um Stadien zu verhindern. Den Vorschlag von Herbert Reul bezeichnet er als populistisch. Grundsätzlich gehe es um einen sehr geringen Anteil der Zuschauer. Außerdem seien die gewaltbereiten und gewaltsuchenden Fans der Polizei ohnehin schon bekannt.

Peter selbst ist Anhänger von Rot-Weiss Essen. Der Verein geriet vor zwei Jahren in die Schlagzeilen, als ein Böller aus dem Fanblock vier Personen verletzte, darunter auch einen Spieler. Der Täter konnte ermittelt werden und erhielt eine Bewährungsstrafe. Die damalige Reaktion seines Vereins sieht Jost Peter als gutes Beispiel dafür, wie man Ausschreitungen präventiv verhindern kann.

Der Verein hatte nach dem Vorfall den Austausch mit insgesamt 70 Fangruppierungen gesucht und es geschafft einen Konsens darüber zu schaffen, dass so etwas in einem Stadion nichts zu suchen hat.

Der Verein habe dadurch auch mehr Rückendeckung erlangt, um entschlossen gegen Problemfans vorzugehen. Noch im gleichen Jahr wurden 76 Hausverbote ausgesprochen. Seitdem sei in Essen nichts mehr passiert, sagt Peter. "Ich glaube auch, dass so schnell nichts mehr passiert, weil jedem Einzelnen bewusst ist, dass er sich mit einer Aktion gegen das Stadion stellt. Und das will im Fußball keiner."

Risikospiele sind Kostenfaktor für die Polizei

Dass es Probleme mit gewaltbereiten Fußballfans aber nach wie vor gibt, ist unbestritten und lässt sich auch mit Zahlen belegen. Die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze der NRW-Polizei verzeichnet in der vergangenen Spielzeit einen, wenn auch geringen, Anstieg von gewaltsuchenden und gewaltbereiten Fans im Vergleich zur Zeit vor der Coronapandemie. Die Zahl der Arbeitsstunden von Polizisten bei Sporteinsätzen ist mit einem Zuwachs um 10 Prozent deutlich gestiegen.

Fans PSV Eindhoven zuenden Bengalos im Signla Iduna Park Dortmund

Fans PSV Eindhoven zünden Bengalos in Dortmund

Fußballspiele sind nicht nur ein Risikofaktor, sondern auch ein Kostenfaktor. Der Bund der Steuerzahler fordert seit Jahren, die Vereine an den Kosten für die Polizeieinsätze zu beteiligen. In Bremen wurde eine solche Beteiligung zwischenzeitlich auch umgesetzt. Sie war jedoch immer mit langwierigen rechtlichen Auseinandersetzungen verbunden.

"Für solche Lösungen war ich nie und bin ich auch heute nicht", sagt NRW-Innenminister Herbert Reul. Einsätze der Polizei zum Schutze der Menschen seien ein Grundrecht, auch für Leute, die zum Fußball gehen. Aber in den Stadien müsse sich mehr tun, sagt Reul. "Entweder man kontrolliert mehr, dann müssen alle Beteiligten sich drum kümmern, oder wir sagen wir geben auf und lassen alle rein, sollen sie sich drinnen weiterschlagen."

Auch zur Europameisterschaft werden Problemfans erwartet

"United by Football. Vereint im Herzen Europas" lautet das Motto der Europameisterschaft, die am 14. Juni beginnt. Doch auch beim DFB dürften die jüngsten Entwicklungen Sorge bereiten. Alleine in NRW gibt es mit Dortmund, Gelsenkirchen, Düsseldorf und Köln vier Austragungsorte.

Philipp Lahm, Turnierdirektor der EM 2024

Philipp Lahm, Turnierdirektor der EM 2024

Turnierdirektor Phillip Lahm sagte am Donnerstag auf einer Veranstaltung in Düsseldorf, dass die Fans der Nationalmannschaften grundsätzlich nicht mit denen der Vereine zu vergleichen seien. Trotzdem befinde man sich im Austausch mit den Behörden und habe in den kommenden 90 Tagen noch viel zu tun.

In NRW soll das so genannte "International Police Cooperation Center" eingerichtet werden. Hier sollen Polizeibeamte aus mehreren Ländern ihre Informationen über mögliche Problemfans austauschen und ein bundesweites Lagebild erstellen.

Bei der Europameisterschaft sind übrigens alle Tickets personalisiert, vor allem um den Schwarzmarkt einzudämmen. Fraglich ist jedoch, ob und wie das dann auch an den Eingängen zum Beispiel in Dortmund bei einem Stadion mit 66.000 Zuschauern konsequent kontrolliert wird.