Untersuchungsausschuss zu Solingen | Aktuelle Stunde

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Sicherheitsexperte beobachtet neue Terrorwelle in Europa

Stand: 17.03.2025, 18:14 Uhr

Der Untersuchungsausschuss des Landtags zum Anschlag von Solingen hat einen ersten Zeugen befragt. Davor wurde es grundsätzlich.

Von Nadja BascheckNadja Bascheck

Der Sicherheitsexperte Peter Neumann hat am Montag seine Beobachtungen mit den Abgeordneten des NRW-Landtags geteilt. Er sprach von einer dritten Welle des Terrorismus in Europa, die er vor allem mit einem Ereignis in Verbindung brachte.

Politikwissenschaftler Peter Neumann

Politikwissenschaftler Peter Neumann

Die erste Welle habe 2001 begonnen, mit dem Anschlag vom 11. September. Als viele dachten, diese Entwicklung sei vorbei, begann der Krieg in Syrien 2011. Wieder folgten Anschläge auch in Europa, etwa in Paris, Brüssel und Berlin. "Und jetzt haben auch wieder viele gedacht, es ist vorbei", so Neumann, Professor am Kings College in London und Mitglied der CDU.

Doch die Zahlen sprächen eine andere Sprache: 2022 habe es in Europa zwei Anschläge gegeben und vier versuchte. Ab dem 7. Oktober 2023, seit dem Angriff der Hamas auf Israel und dem Ausbruch des Kriegs in Nahost, sei die Zahl gestiegen auf neun Anschläge und 25 versuchte – ein Anstieg von 400 Prozent.

7. Oktober als Auslöser für neuen Terror

Die Terrormiliz Islamischer Staat habe ein neues "Projekt". Potentiellen Anhängern werde gesagt, dass ihre Leute, die Muslime in Palästina, umgebracht werden. Sie müssten sich jetzt wehren. Und wer bereits im Westen sei, habe es leichter, sich gegen Ungläubige zu wehren. Neumann forderte, dass deutsche Behörden angesichts dieser Lage mehr Befugnisse bekommen sollten, um nicht zu sehr auf Hinweise von ausländischen und vor allem US-Geheimdiensten angewiesen zu sein.

Experten im Untersuchungsausschuss zum Anschlag von Solingen

WDR 5 Westblick - aktuell 17.03.2025 05:36 Min. Verfügbar bis 17.03.2026 WDR 5


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Radikalisierung vor allem online

Auch über Radikalisierung sprach der Experte: Im Vergleich zu früher habe sich da einiges verändert. Immer öfter radikalisierten sich schon Teenager, häufig über soziale Netzwerke. Und der Prozess laufe schneller. Habe man früher noch von Monaten bis Jahren gesprochen, handele es sich heute zum Teil um Wochen.

Teilweise brauche es nicht mal mehr einen realweltlichen Bezug – Online-Videos auf TikTok oder anderen Plattformen würden genügen. Die Sicherheitsbehörden sollten laut Neumann verstärkt im Netz unterwegs sein. Hinzu käme, dass Radikalisierung in Deutschland oft im Zusammenhang mit Flucht und Asyl stehe.

Isolation und Frust spielen bei Radikalisierung eine Rolle

Soziologe und Autor Aladin El-Mafaalani zu Gast in der ARD Talkshow "Hart aber Fair" im Oktober 2022

Soziologe und Autor Aladin El-Mafaalani

Zu diesem Thema sprach im Ausschuss im Landtag der Soziologe Aladin El-Mafaalani, Professor an der TU Dortmund. Gerade in großen Erstaufnahmeeinrichtungen herrsche ein ständiges Kommen und Gehen: "So eine Fluktuation führt dazu, dass es weniger Beziehungen zwischen den Menschen gibt. Die kennen sich weniger." Das führe zu einem hohen Stresslevel und erhöhe die Gefahr der Isolation.

Hinzu käme eine gewisse Frustration, weil Geflüchtete häufig lange warten müssen, wie es für sie weitergeht – ob sie bleiben dürfen oder abgeschoben werden. Helfen würden seiner Meinung nach mehr Transparenz in den Prozessen und Anreize, sich zu integrieren.

Sicherheitsexperte Neumann meint, in den Unterkünften würde es mit Blick auf mögliche Radikalisierung helfen, wenn Mitarbeitende und Geflüchtete selbst sensibilisiert werden und rechtzeitig Bescheid geben, wenn ihnen etwas verdächtig vorkommt. Nur wenn Meldeketten funktionieren, kann ein Anschlag gegebenenfalls verhindert werden.

Auch Zeugen waren geladen

Im Untersuchungsausschuss wurden am Montag weiterhin Zeugen vernommen: Der Präsident des Bundespolizeipräsidiums, Dr. Dieter Romann, schilderte, welche Rolle der Bundespolizei vor und nach dem Anschlag von Solingen zukam. Romann wiederholte seine Kritik am Rückführungssystem in andere EU-Länder, das sogenannte Dublin-System.

Die Zeugenaussagen sollen dazu beitragen, die Geschehnisse rund um den Anschlag am 23. August 2024 in Solingen zu rekonstruieren und politisch aufzuarbeiten.

Warum Dublin (vielleicht doch nicht) so kompliziert ist

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