Es gibt zurzeit wohl kaum ein Steuer-Thema, das so viel Frust erzeugt wie die Grundsteuer-Reform. Es geht um Geld, viel Geld. Bei allen, die Immobilien besitzen und die Grundsteuer zu entrichten haben - und bei den NRW-Kommunen, die dadurch rund vier Milliarden Euro einnehmen.
Der Bund hat - aufgefordert durch das Bundesverfassungsgericht - eine Reform umgesetzt, an deren Anfang viel Papierkram stand, der in einer Neubewertung aller Immobilien in Deutschland mündete. Dabei zeigt sich folgende grobe Grundtendenz: private Immobilien werden ab 2025 höher besteuert, Gewerbeimmobilien niedriger.
Die Lösung des Finanzministers
Um gegen diese Schieflage vorzugehen, hat sich NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) eine Lösung ausgedacht, die den Kommunen Spielraum zur Steuergestaltung eröffnet, wie der Minister es betont. Doch für den Städtetag NRW bedeutet das schlicht, dass Optendrenk "den Kommunen das Problem vor die Füße kippt", wie sein Geschäftsführer, Helmut Dedy, beklagt.
So weit ist die Bandbreite der Bewertung eines Gesetzes, das CDU und Grüne Mitte Mai in den Landtag eingebracht haben. Nach der ersten Lesung nimmt es nun seinen gesetzgeberischen Lauf. Und unterschiedliche Akteure nehmen Einfluss darauf oder versuchen es zumindest.
Darum ist die Reform dringend nötig
Im Grunde fällt der Politik gerade eine jahrzehntelange Untätigkeit auf die Füße. Denn die Bewertungsgrundlagen für die alte Grundsteuer stammten für Westdeutschland aus dem Jahr 1964 und für Ostdeutschland aus dem Jahr 1935! Das wurde über viele Jahre nicht angepasst, bis das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2018 feststellte: Es gibt eine Ungleichbehandlung der Immobilienbesitzer, eine Reform muss her, und zwar bis zum 01.01.2025.
Und diese Grundsteuer-Reform des Bundes sieht jetzt eine jeweilige Einzelbewertung der Immobilien vor. Die Reform setzt den gesetzgeberischen Rahmen für die meisten Bundesländer, darunter NRW. Nur Sachsen, das Saarland und Berlin haben die Option genutzt, eine eigene Gesetzgebung aufzusetzen.
Die Berechnungsgrundlagen
Die Basis der Grundsteuer-Berechnung ist der individuelle Wert des Grundbesitzes. Dieser wird mit einer Steuermesszahl und einem Hebesatz multipliziert. Messzahl und Hebesatz sind die entscheidenden Faktoren, auf die die Politik Einfluss hat: Die Steuermesszahl legt das Land fest, den Hebesatz die Gemeinde.
Das neue NRW-Gesetz sieht nun vor, dass die Kommunen unterschiedliche Hebesätze für unterschiedlich genutzte Grundstücke erheben können. Das soll die Schieflage zwischen privaten und gewerblichen Immobilien beseitigen.
Und das sei besser durch die Kommunen zu machen, argumentiert Optendrenk. Denn die Unterschiede zwischen den Kommunen seien schlicht zu groß, um es zentral durch das Land zu regeln. So könne die kommunale Selbstverwaltung jährlich eine Anpassung vornehmen. Doch die Kommunen klagen, dass sie sich künftig jährlich mit dem Thema auseinandersetzen müssen. Denn die Hebesätze sind Teil der kommunalen Haushalte.
Wer löst den Knoten?
Gleich, an welchem Ende der Verantwortlichkeit man zieht, irgendwer muss sich am Ende nach der Decke strecken. Jan Koch vom "Verband Wohneigentum NRW" schlug beispielsweise im WDR vor, dass das Land die Messzahlen anpasst - also seinen Spielraum nutzt, der fürs ganze Land gilt - anstatt es den Kommunen zu überlassen. Auch der Städtetag NRW favorisiert diese Lösung.
Doch dazu sagte Finanzminister Optendrenk bereits im Landtag, dass das allein aus zeitlichen Gründen nicht mehr umsetzbar sei. Die Messbescheide für 6,5 Millionen Grundstücke seien bereits verschickt, das sei nicht mehr umsetzbar vor dem 01.01.2025, wenn die neue Grundsteuer greifen muss.
Aber genau mit dem Zeitdruck argumentieren auch die Kommunen. Christoph Landscheidt, Präsident des Städte- und Gemeindebundes NRW, sagte dem WDR. "Der jetzige Gesetzentwurf kommt viel zu spät." Zeitlich, technisch, personell könnten differenzierte Hebesätze gar nicht eingeführt werden.
Auch Unternehmen und Handwerk lehnen Optendrenk-Lösung ab
Nicht nur die Kommunen, auch die Verbände der Gewerbetreibenden lehnen das NRW-Gesetz mit den gesplitteten Hebesätzen ab. So sagt Jörg Henneke, Hauptgeschäftsführer von "Handwerk NRW": "Vor allem Unternehmen in zentralen Lagen stehen vor einer massiven Mehrbelastung. So produziert man Leerstände in den Fußgängerzonen und in den Hinterhöfen unserer Städte." Er gibt zu bedenken: "Besonders nachteilig wird die Reform für die vielen Mittelständler wirken, die gemischt genutzte Grundstücke besitzen", die also Betrieb und Wohnung in einem Gebäude haben.
Und Johannes Pöttering, Hauptgeschäftsführer von "Unternehmer NRW" beklagt, durch die "im Bundesländervergleich extrem hohen Gewerbesteuersätze" sei die Wettbewerbsposition des Wirtschaftsstandorts NRW "ohnehin schon stark beeinträchtigt". Er befürchtet, dass "nun durch die Hintertür auch noch einer verkappten ertragsunabhängigen 'Gewerbesteuer 2' der Weg bereitet" werde.
Verfassungsrechtliche Bedenken
Das Fazit ist also, dass bei dem Versuch, die vom Bundesverfassungsgericht monierte Ungleichheit zu beseitigen, wohl neue Schieflagen produziert werden.
Der Städtetag NRW warnt, differenzierte Hebesätze für Geschäfts- und Wohngrundstücke seien kein rechtssicheres Instrument, um die Lastenverschiebung hin zu Wohngrundstücken zu verhindern. Sein Vorsitzender Thomas Eiskirch (SPD), Oberbürgermeister von Bochum, sagt: "Die rechtlichen Unsicherheiten wären groß, denn jeder differenzierte Hebesatz muss in jeder Kommune separat verfassungsfest begründet werden. Das ist bei einer der wichtigsten kommunalen Steuern ein viel zu großes Risiko." Auch Christoph Landscheidt vom Städte- und Gemeindebund NRW "rechnet mit einer Flut von Klagen und Widersprüchen".
Am Ende wird vielleicht die Grundsteuer wieder genau dort landen, wo die Reform ihren Ausgang nahm: vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.