Flutkatastrophe: NRW-Umweltministerin lehnt Rücktritt wegen Mallorca-Affäre weiterhin ab
Stand: 07.04.2022, 15:56 Uhr
Die Mallorca-Affäre der NRW-Umweltministerin zieht weitere Kreise. Zwei weitere Minister der Landesregierung, so bestätigte Ursula Heinen-Esser (CDU), weilten mit ihr auf der Ferieninsel, während NRW mit den Flutfolgen kämpfte.
Von Sabine Tenta
Der Mallorca-Aufenthalt von NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) während der Flutkatastrophe war bereits mehrfach Gegenstand kritischer Betrachtung. Am Mittwochabend veröffentlichte der Kölner Stadt-Anzeiger neue Details dazu, die am Donnerstag von Heinen-Esser bestätigt wurden. Einen Rücktritt wegen dieser Neuigkeiten lehnte sie ab. Den Vorwurf, das Parlament getäuscht zu haben, wies sie entschieden zurück.
Scharrenbach, Holthoff-Pförtner und Güler zu Besuch
Bestätigt wurde von der Umweltministerin, dass befreundete Kabinettsmitglieder zeitweise mit ihr auf der Insel waren. Konkret nannte sie NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU), Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner (CDU) und die damalige Integrationsstaatssekretärin und heutige Bundestagsabgeordnete Serap Güler (CDU). Über die Dauer deren Aufenthalte wollte Heinen-Esser sich auf Nachfrage nicht äußern. Weitere Kabinettsmitglieder seien nicht dabei gewesen. Heinen-Esser sprach von einem Treffen in ihrer Ferienwohnung und einem Besuch in einem Restaurant "im kleinen Kreis". Die Gruppe feierte am 23. Juli 2021 den Geburtstag von Heinen-Essers Ehemann.
Kein Rücktritt, aber Bedauern
In einer Erklärung am Donnerstag in Düsseldorf sagte Heinen-Esser, sie verstehe, "dass es als unsensibel empfunden wird", nach der Flut "eine gute Woche" nicht in NRW gewesen zu sein. "Ich bedauere, dass ein falsches Bild entstanden ist." Heute würde sie sich "anders organisieren". Erneut betonte die Ministerin aber auch, auf Mallorca voll arbeitsfähig gewesen zu sein. Um dies zu beweisen, will sie dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe ihren gesamten E-Mail-Verkehr aus der Zeit zur Verfügung stellen.
Ursula Heinen-Esser sagte, sie habe alle Fragen der Parlamentarier in der Sache bislang "in aller Offenheit und Transparenz" beantwortet. Einen Rücktritt lehnte sie mit dem Hinweis auf zwei wichtige Herausforderungen, die sie jetzt verantworten wolle, ab. Dazu gehöre neben den Folgen der Hochwasserkatastrophe die Lebensmittelversorgung in der Ukraine-Krise.
Heinen-Esser ist die zweite Umweltministerin in der laufenden Wahlperiode. Ihre Amtsvorgängerin Christina Schulze Föcking war nach der "Hacker-Affäre" 2018 zurückgetreten.
Holthoff-Pförtner bestätigt Mallorca-Aufenthalt
Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner hat auf Nachfrage bestätigt, dass er am 24. Juli an einer privaten Geburtstagsfeier auf Mallorca teilgenommen hat. Er sei Freitag (23.07.2021) gegen Mittag nach Mallorca geflogen und am Sonntagnachmittag zurück nach Deutschland.
Aus seinem Ministerium heißt es, der CDU-Politiker sei in der Zeit "vollumfänglich arbeitsfähig und immer erreichbar" gewesen. Holthoff-Pförtner selbst betonte: "Das Leid der von der Unwetterkatastrophe betroffenen Menschen hat mich tief getroffen. Das gilt ganz unabhängig vom Ort, an dem ich mich gerade aufhalte. Sollte ich einen anderen Eindruck erweckt haben, so bedauere ich dies sehr."
SPD fordert Konsequenzen für "Mallorca-Gate"
Der SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Thomas Kutschaty sprach von einem "Mallorca-Gate" und forderte Heinen-Essers Rücktritt. Das Verhalten der Ministerin sei durch nichts zu rechtfertigen. "Während zehntausende Betroffene des Hochwassers zu diesem Zeitpunkt damit kämpften, die Folgen der Flut zu bewältigen, dinierten mindestens vier hochrangige Vertreterinnen und Vertreter der NRW-Landesregierung offenbar bei einer Geburtstagsfeier auf Mallorca und ließen es sich gut gehen."
Mit Heinen-Esser und Scharrenbach seien zudem "daran ausgerechnet auch noch diejenigen Ministerinnen beteiligt, die in dieser schweren Katastrophe auf Regierungsseite fachlich zuständig waren".
Auch Grüne und AfD fordern Rücktritt
Auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen im NRW-Landtag, Verena Schäffer, forderte den Rücktritt der Ministerin. "Ursula Heinen-Essers Amtsverständnis ist schlicht und ergreifend desaströs. Sie hat das Parlament belogen." Sie habe nicht die Rückreise für ihre minderjährige Tochter und deren Freundinnen organisiert, sondern eine Party. "Und das kurz nach der größten Naturkatastrophe in der Landesgeschichte und während Menschen in den Trümmern ihrer Existenz standen."
Es sei ein unfassbares Verständnis von Politik und zeuge "von einer großen Hybris, glauben zu können, solche Fakten vor den Menschen in NRW, der Medienöffentlichkeit und dem Parlament verstecken zu dürfen und zu können." Schäffer kritisierte: "Die Reisen des CDU-Spitzenpersonals hätten so nie stattfinden dürfen."
Für die AfD-Fraktion forderte auch Andreas Keith, Obmann im Flut-Untersuchungsausschuss, den Rücktritt von Heinen-Esser. Es gelte nun die Rolle der anderen Kabinettsmitglieder auf Mallorca aufzuklären. Dem WDR sagte er, es sei eine Salami-Taktik von Heinen-Esser und "das wird eine Riesenbelastung für die CDU und die FDP auch, genau diese Taktik im Wahlkampf zu verteidigen".
Koalitionspartner FDP geht auf Distanz
Dem Vernehmen nach herrscht beim Koalitionspartner FDP großes Erstaunen darüber, dass Ministerin Heinen-Esser ihr Amt nicht zur Verfügung gestellt hat. Aus der Fraktion gibt es dazu offiziell nur eine kurze schriftliche Stellungnahme: Man gehe davon aus, dass die Minister im PUA Hochwasser "alle Fragen auch zu ihrem Aufenthalt auf Mallorca" beantwortet. Am 22. April will der Ausschuss Heinen-Esser erneut als Zeugin vernehmen.
Auf dem FDP-Parteitag am Wochenende hatte sich bereits der Parteinachwuchs von Heinen-Esser abgesetzt. Der Juli-Vorsitzende Alexander Steffen hatte das Verhalten von Heinen-Esser als "unwürdig" bezeichnet.
Sogar in den Reihen der CDU hatten manche fest mit dem Rücktritt Heinen-Essers gerechnet. Die Brisanz der Enthüllungen rund fünf Wochen vor der Landtagswahl am 15. Mai sorgt für Nervosität im Regierungslager.
Wahrheit kommt scheibchenweise ans Licht
Seit Monaten steht die NRW-Umweltministerin wegen ihres Mallorca-Aufenthalts unmittelbar nach der Flutkatastrophe Mitte Juli in der Kritik. Mit ihren Aussagen musste sie sich bereits korrigieren, der Aufenthalt auf der Ferieninsel war länger als ursprünglich von ihr angegeben.
Bei der Flutkatastrophe starben allein NRW 49 Menschen. Es sind verheerende Schäden an Gebäuden und Infrastruktur entstanden.