Hochwasser: Sind wir heute besser geschützt?

Stand: 12.06.2024, 14:19 Uhr

Die Hochwasserkatastrophe 2021 steckt vielen Betroffenen noch in den Knochen. Hat sich der Hochwasserschutz seitdem verbessert? Die Opposition im Landtag sagt: nein. Die Landesregierung spricht von "Hochwasser-Demenz".

Von Nina Magoley

Das Thema hatte durchaus Sprengkraft: Zeitweise musste Landtagspräsident André Kuper die laut durcheinanderrufenden Parlamentarier mit der Glocke zur Ordnung rufen. In einer Aktuellen Stunde im Landtag wollte die FDP am Mittwoch wissen, was die Landesregierung seit dem verheerenden Hochwasser 2021, bei dem allein in NRW 49 Menschen starben, unternommen habe, um den Hochwasserschutz zu verbessern.

FDP: Geld vom Bund nur schleppend abgerufen

Der Vorwurf, den FDP-Mann Werner Pfeil gleich zu Anfang in den Saal rief, wog schwer: Durch die "bürokratische Trägheit", mit der die schwarz-grüne Landesregierung das Thema verschleppe, gefährde sie Menschenleben. Von den 43,8 Millionen Euro, die der Bund NRW für den Ausbau des Hochwasserschutzes zur Verfügung stelle, sei bislang nur ein Viertel, nämlich 11,5 Millionen Euro, abgerufen worden.

Es fehle ein "Masterplan", statt dessen wälze die Landesregierung die Verantwortung auf Kreise und Städte ab - "eine politische Bankrotterklärung", tönte Pfeil. Alexander Vogt von der SPD legte nach: Während Bayern bereits 90 Prozent der Bundesmittel abgerufen habe, halte sich Umweltminister Krischer (Grüne) in NRW "vornehm zurück" und kümmere sich statt dessen um einen neuen Nationalpark.

Schäffer: "Hochwasser-Demenz"

Das rief regelrecht den Zorn der Grünen Abgeordneten Verena Schäffer auf den Plan. Mit Blick auf den Antrag der FDP zu dieser Aktuellen Stunde diagnostizierte sie eine "Hochwasser-Demenz". Es gebe "wohl nur eine demokratische Partei hier im Raum, die es ernsthaft schafft, einen Antrag zum Hochwasserschutz zu stellen, ohne auch nur mit einer Silbe den menschengemachten Klimawandel als Ursache zu benennen".

Zudem habe die FDP in den letzten Jahren nicht nur den Ausbau der Windenergie "massiv behindert", sie lehne auch bis heute den Kohleausstieg 2030 ab und weigere sich auf Bundesebene, "auch nur eine Tonne CO2 im Verkehrsbereich einzusparen". Schäffer stellte die Glaubwürdigkeit des FDP-Engagements in Zweifel.

Hochwasser an Weihnachten 2023: "NRW hat gelernt"

Der grüne Umweltminister Krischer selber verwies darauf, dass NRW es geschafft habe, das nächste größere Hochwasser an Weihnachten 2023 "so zu managen, dass kaum Schäden entstanden sind". Das zeige, dass das Land aus den Erfahrungen 2021 gelernt habe. Zudem habe die Landesregierung 100 neue Stellen in den für Hochwasser zuständigen Behörden geschaffen, von denen immerhin 94 besetzt seien.

Außerdem erläuterten die Grünen, dass die erwähnten nur zum Teil abgerufenen Bundesmittel lediglich das Sonderprogramm "Prävention Hochwasserschutz" beträfen. Gründe für den Verzug seien langwierige Planfeststellungsverfahren, Klagen von Anwohnern oder auch mal der Denkmalschutz. Weil in NRW, anders als in anderen Bundesländern, diese Mittel von den Kommunen selber beantragt werden müssen, sei die Abrechnung zudem komplizierter.

Zu 100 Prozent abgerufen und genutzt würden dagegen Mittel aus einem anderen Topf: dem für die "Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz" (GAK). Dass die FDP aber nur den Abruf der Sondermittel thematisiere, "das ist schon durchschaubar", sagt Schäffer.

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Hälfte aller Deiche marode

560 Kilometer Deiche gibt es entlang der NRW-Flüsse, die Hälfte davon gelten laut Umweltministerium als sanierungsbedürftig. Ein schon 2014 erstellter Sanierungsfahrplan listet aktuell 44 Projekte am Rhein auf. 16 davon seien bislang genehmigt, vier werden derzeit umgesetzt. Bei insgesamt 20 Maßnahmen zieht sich die Planungsphase weiter in die Länge. Diese Deichsanierungen sollten ursprünglich bis 2025 erledigt sein.

Rhein-Deich in Duisburg | Bildquelle: WDR / Christopher C. Franken

Ein wichtiges Element zum Hochwasserschutz sind die sogenannten Retentionsräume - größere Naturflächen entlang der Flüsse, in die bei Hochwasser abgeleitet werden kann, um zu vermeiden, das der jeweilige Fluss anderswo unkontrolliert über die Ufer tritt. Vier solcher Wasserrückhalteflächen soll es in NRW geben. Eine Fläche bei Monheim ist bereits fertig, der Retentionsraum Köln-Worringen ist gerade in Planung.

Retentionsraum Worringen seit 26 Jahren in Planung

Umweltminister Krischer beschrieb, wie mühsam ein solches Projekt entsteht: Für Köln-Worringen war der Plan bereits 1998 beschlossen. Erst 2024 erfolgte der Panfeststellungsbeschluss für die große 670 Hektar große Fläche. Dazwischen, so Krischer, vergingen Jahre der zähen Verhandlungen mit Grundstückseigentümern, die nicht verkaufen wollten.

Die SPD-Abgeordnete Lena Teschlade, deren Wahlkreis in Köln-Worringen liegt, konnte noch weitere Details nennen: Um den Retentionsraum zu schaffen, müsse eine Umgehungsstraße wegfallen. Bei Hochwasser aber könnten die Worringer ihren Stadtteil dann nur durch eine Unterführung verlassen, die bei Hochwasser möglicherweise auch geflutet werde - "eine Mausefalle", so Teschlade. Bei den Anwohnern vor Ort gebe es deshalb "massive Bedenken".

Quellen:

  • Parlamentsdebatte am 12.06.2024 im NRW Landtag
  • Umweltministerium NRW