Die Suche nach einem Kita-Platz ist für viele Eltern eine Herausforderung. Umso größer ist dann meist die Freude, wenn ein Platz für das Kind gefunden wurde. Doch was ist, wenn der Kita oder Kindertagespflegeeinrichtung im laufenden Betrieb plötzlich das Aus droht und die Betreuung gefährdet ist? Ein Horror-Szenario für alle Beteiligten.
In Moers wird genau das gerade Realität. Der gemeinnützige Träger "Fokus Familie" bietet derzeit noch zwei Einrichtungen für die Großtagespflege an. Aber beide machen seit Monaten Verluste. Die Folge: Den Eltern der "Knirpskiste" wurde zum August gekündigt, den "Grünschnäbeln" droht das zum Jahresende. Betroffen sind dann insgesamt 45 Kinder, für die es keine Betreuung gibt.
Viele Kitas stehen vor Problemen
Der Fall aus Moers scheint kein Einzelfall zu sein. Die Kitas in NRW leiden unter steigenden Kosten. Da sind die allgemein hohen Lebensmittelpreise und die nach wie vor teure Energie. Hinzu kommt, dass die Löhne für das Personal im Zuge der Tarifvereinbarungen steigen. All das führt dazu, dass vor allem kleineren privaten Einrichtungen ein dickes Minus droht, weil sie nicht mehr kostendeckend arbeiten können.
Mechthild Thamm vom Paritätischen Wohlfahrtsverband NRW
"Die Einrichtungen stehen finanziell an der Kippe, im schlimmsten Fall werden sie schließen", warnt Mechthild Thamm vom Paritätischen Wohlfahrtsverband NRW. Bei den 1.700 Kitas, deren Träger Mitglieder des Paritätischen seien, befänden sich etwa die Hälfte in Finanznot. Denn: "Unsere Träger sind gemeinnützig, wir können keine Gewinne erzielen, wir können keine zusätzlichen Einnahmen erwirken."
Warnbrief an das Ministerium
Anfang Mai wendeten sich verschiedene Träger mit einem Brandbrief an das NRW-Familienministerium. Darin ist von einer "herausfordernden bis bestandsgefährdenden Situation" die Rede. So gebe es "massive Beunruhigung und Verunsicherung", wie die beschlossenen Tariferhöhungen für das Personal bewältigt werden können.
"Insbesondere die schon ab Juni zu zahlenden Sonderzahlungen werden zahlreiche Träger in große finanzielle Schwierigkeiten und Liquiditätsprobleme bringen", heißt es. Nötig sei eine "Sofortmaßnahme" des Landes zur Refinanzierung - also mehr Geld, um die Personalkosten bezahlen zu können.
Fragen statt Zusagen
Wenige Tage später meldete sich das Familienministerium. Die Antwort dürfte die Kita-Träger nicht zufriedenstellen. Denn in dem Brief, der dem WDR vorliegt, wird auf die "äußerst angespannte" Haushaltslage verwiesen. Außerdem sei noch gar nicht klar, wie genau sich die neuen Tariflöhne auswirkten. Statt konkreter Zusagen werden die Kita-Träger aufgefordert, Informationen zur Anzahl der Einrichtungen mit finanziellen Problemen zu liefern.
Opposition fordert Hilfen für Kitas
Damit ist die Diskussion aber nicht beendet - im Gegenteil. Am Donnerstag debattierte der Landtag über die Kita-Probleme. So forderten SPD und FDP mehr Hilfe von der Landesregierung. Konkret verlangten die Sozialdemokraten ein "Kita-Rettungspaket" in Höhe von mindestens 500 Millionen Euro, um "schnellstmöglich eine Überbrückungsfinanzierung" auf die Beine zu stellen. Mittelfristig angelegte Änderungen kämen zu spät.
Auch die FDP forderte ein "finanzielles Rettungspaket", ohne aber eine konkrete Summe zu nennen. Der familienpolitische Sprecher Marcel Hafke sagte: "Die Hütte brennt bei den Kitas. Die Lage ist extrem angespannt. Es fehlt Personal, Geld und Ressourcen. Jetzt muss die Landesregierung handeln, damit die Situation besser wird. Sonst haben wir einen Kollaps." Die entsprechenden Anträge wurden allerdings von den Regierungsfraktionen abgelehnt.
Landesregierung verweist auf beschlossene Dinge
Familienministerin Josefine Paul
Und was sagt das zuständige Familienministerium? Auf WDR-Anfrage hieß es am Donnerstag aus dem Haus von Ministerin Josefine Paul (Grüne): "Die Situation in vielen Kitas ist aktuell äußerst angespannt. Dieser Lage sind wir uns bewusst und sowohl mit den Trägern als auch innerhalb der Landesregierung in intensiven Gesprächen, um diesen Herausforderungen zu begegnen."
Einem Rettungspaket wird indirekt eine Absage erteilt, indem auf bereits beschlossene Dinge verwiesen wird - unter anderem auf zusätzliche 60 Millionen Euro gegen die gestiegenen Energiekosten. Grundsätzlich wird in Aussicht gestellt, dass die Finanzierung der Kitas weiterentwickelt wird. Gemeint ist damit eine Änderung des Kinderbildungsgesetzes. Laut dem Ministerium soll es bis Ende des Jahres einen Evaluationsbericht geben.
Den Betroffenen vor Ort geht das viel zu langsam. So sagt Mechthild Thamm vom Paritätischen: "Ich erwarte von der Landesregierung, dass jetzt konkrete Taten und Perspektiven in Aussicht gestellt werden. Und die nicht erst für 2025, 2026, 2027, sondern für hier und jetzt."