Schütteln nach dem Karlsruhe Urteil: Haushaltsberatungen
Aktuelle Stunde. 16.11.2023. UT. Verfügbar bis 16.11.2025. WDR. Von Julius Hilfenhaus.
Wie sich das 60-Milliarden-Loch in Berlin auf NRW auswirkt
Stand: 16.11.2023, 15:40 Uhr
Während die Ampel in Berlin über das plötzliche Milliardenloch streitet, das sich nach dem Urteil in Karlsruhe auftut, kreist im Regierungsviertel in Düsseldorf die Frage: Wird das auch uns treffen? Fragen und Antworten.
Von Wolfgang Otto
Welche Auswirkungen hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf den Landeshaushalt in NRW?
Erstmal keine. Jedenfalls hat das der Finanzminister des Landes, Markus Optendrenk (CDU), am Donnerstag im Haushaltsausschuss des Landtages bekräftigt. Er vertraut dabei auf die bisherigen Aussagen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), die beide gesagt haben: Das Haushaltsverfahren für das nächste Jahr laufe wie geplant weiter. Das heißt: Es bleibt bei allen geplanten Überweisungen aus Berlin nach NRW. Außerdem: Geld aus dem Krisen- und Transformationsfonds der Bundesregierung war im NRW-Haushalt gar nicht eingeplant.
Wo in NRW wird man es spüren, wenn 60 Milliarden Euro für Klimaschutz und Transformation der Wirtschaft ausbleiben?
Das fehlende Geld betrifft die ganze Republik, also auch Nordrhein-Westfalen. Rund 212 Milliarden Euro wollte die Bundesregierung für Klimaschutz und Transformation in den nächsten drei Jahren ausgeben. Davon fehlen jetzt 60 Milliarden Euro. Die Bundesregierung muss nun entscheiden, woher die nötigen Mittel kommen sollen. Die Vertreter der NRW-Städte drängen auf eine schnelle Klärung. Denn auch die Kommunen sollten von den Fördermitteln aus dem Klima- und Transformationsfonds des Bundes profitieren - zum Beispiel zur Unterstützung des Heizungstausches und des Wohnungsneubaus.
Gibt es nicht auch eine Klage in NRW gegen den letzten Haushalt?
Auch der Finanzminister des Landes ist wegen seiner Verschuldungs-Politik mit Klagen vor dem Verfassungsgerichtshof des Landes in Münster konfrontiert. Auch in diesem Verfahren geht es um ein „Sondervermögen“, ein Extra-Kreditpaket, dass die schwarz-grüne Landtagsmehrheit für das laufende Jahr 2023 genehmigt hat. NRW-Finanzminister Markus Optendrenk glaubt an keine direkten Auswirkung des Urteils aus Karlsruhe auf den Prozess in Münster. Sein Argument: In beiden Verfahren gehe es um unterschiedliche Vorwürfe.
Was das Bundesverfassungsgericht gegen das Sondervermögen des Bundes eingewendet habe, sei in den Klagen gegen das Sondervermögen des Landes gar nicht strittig. In NRW werde das Geld aus dem Krisenbewältigungsfonds komplett in diesem Jahr ausgegeben. Anders als im Bund würden also keine Milliarden in künftige Haushaltsjahre verschoben. Außerdem hat Bundesfinanzminister Christian Lindner Kredite, die eigentlich für die Bekämpfung der Corona-Krise gedacht waren, einfach in den Klima- und Transformationsfonds verschoben. Auch das ist in NRW nicht der Fall gewesen.
Wollte Optendrenk nicht auch mal ähnlich tricksen?
Genau das war der Plan im Sommer 2022: Kredite aus dem Corona-Rettungstopf des Landes wollte der NRW-Finanzminister umwidmen und in einen neuen Rettungstopf verschieben – zur Bekämpfung der Energie- und Flüchtlingskrise. Doch dabei wurde er durch einen heftigen Einspruch des Landesrechnunghofs von NRW gestoppt. Zu seinem Glück, wie man jetzt sagen muss. Was zunächst wie eine schallende Ohrfeige für Optendrenk aussah, erspart ihm nun eine Niederlage.
Worum geht es im strittigen Sondervermögen in NRW?
Schwarz-Grün hatte Ende 2022 die Gründung eines Sondervermögens zur Bewältigung der Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine beschlossen. Bis zu 5 Milliarden Euro neue Kredite darf die Landesregierung demnach in diesen Jahr aufnehmen, um mit dem frisch geliehenen Geld Hilfen für in der Energiekrise und zur Flüchtlingsversorgung zu begleichen. Dagegen haben die Fraktionen von SPD und FDP im April Klage vor dem Verfassungsgerichtshof des Landes NRW in Münster eingelegt.
Wie lautet der Vorwurf gegen den NRW-Krisenfonds?
Der Hauptvorwurf lautet: Die Landesregierung hat sich bei der Ausnahme von der Schuldenbremse (Verschuldungsverbot im Grundgesetz) auf eine „außergewöhnliche Notsituation“ berufen, die aber nicht gegeben war. SPD und FDP bezweifeln, dass sich NRW zum Zeitpunkt des Beschlusses wirklich in einer solch dramatischen Lage befunden habe. Jedenfalls sei die Notsituation nicht ausreichend begründet worden. Ob Regierung oder Opposition Recht hat, wird derzeit geprüft.
Bis wann ist mit einer Entscheidung aus Münster zu rechnen?
Das ist ungewiss. Derzeit gibt es noch nicht einmal einen Termin für die mündliche Verhandlung. Es ist unwahrscheinlich, dass es noch in diesem Jahr eine Entscheidung gibt.
Was wäre denn die Folge, wenn die Landesregierung die Klage verliert?
Praktisch hätte das keine Auswirkungen, denn bis zum Ende des Jahres ist das Geld für die Krisenbewältigung in NRW schon ausgegeben. Da könnte also gar nichts mehr gestoppt werden. Politisch wäre es aber eine schwere Niederlage für den Finanzminister von NRW. Er hätte dann schriftlich, dass er gegen die Schuldenregeln im Grundgesetz verstoßen hat.