Gut drei Wochen haben CDU und Grüne verhandelt und an der inhaltlichen Ausrichtung einer gemeinsamen Landesregierung gearbeitet. Herausgekommen ist ein 146 Seiten starker "Zukunftsvertrag für Nordrhein-Westfalen".
Nachhaltigkeit und Klimaschutz sollen im Mittelpunkt der neuen Regierung stehen. Das Ziel: Nordrhein-Westfalen zur ersten "klimaneutralen Industrieregion Europas" zu machen. Aber auch auf Investitionen in Bildung, einen besseren ÖPNV oder die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität haben sich die Parteien geeinigt. Hier die wichtigsten Ziele der schwarz-grünen Koalition für die kommenden fünf Jahre:
1.000 neue Windräder, Photovoltaik-Pflicht, Braunkohle-Dörfer
Energiesouveränität und die Sicherung einer bezahlbaren Energieversorgung - um dies zu erreichen, strebt die künftige schwarz-grüne Landesregierung einen stark beschleunigten Ausbau Erneuerbarer Energien an. Dazu sollen in den nächsten fünf Jahren mindestens 1.000 zusätzliche Windenergieanlagen in NRW entstehen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen die Planungs- und Genehmigungsverfahren standardisiert, digitalisiert und vereinfacht werden. Eine Task Force soll weitere Vorschläge für einen schnelleren Ausbau erarbeiten.
Die umstrittenen Abstandsregeln, nach der bislang 1.000 Meter zwischen Windrädern und Wohnbebauung liegen müssen, wird schrittweise abgeschafft. Um zusätzliche Flächen für Windräder zu finden, sollen diese künftig auch in Industrie- und Gewerbegebieten, entlang von Autobahnen oder auf Waldflächen mit abgestorbenen Baumbeständen, so gennanten Kalamitätsflächen, errichtet werden können. Mit einem "Bürgerenergiegesetz" sollen Anwohner und Kommunen finanziell von Windanlagen profitieren. Zudem soll es einfach sein, sie am Bau von neuen Windparks zu beteiligen.
Die Stromerzeugung aus Photovoltaik soll "kräftig" ausgebaut werden. Dazu wird schrittweise eine Solarpflicht eingeführt. Ab Januar 2023 gilt diese für alle neuen öffentlichen Gebäude. Gewerbliche Neubauten müssen ab Anfang 2024 mit PV-Anlagen ausgerüstet werden. Private Neubauten müssen ab 2025 Solarpanele auf den Dächern haben. Es soll aber auch Ausnahmen geben.
Den Kohleausstieg will die schwarz-grüne Koalition bis 2030 umsetzen. Die Braunkohle soll bis zum Ausstieg einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten. Alle fünf Dörfer des dritten Umsiedlungsabschnitts des Tagebaus Garzweiler sollen erhalten bleiben.
3.000 neue Polizeikräfte, Schwerpunkte Kindesmissbrauch und Organisierte Kriminalität
Die schwarz-grüne Koalition will jährlich 3.000 Polizeikräfte einstellen. Um auch entsprechend viele geeignete junge Leute für die Polizei zu begeistern, will Schwarz-Grün gezielt Nachwuchswerbung betreiben. So sollen so auch Menschen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung für den Polizeidienst gewonnen werden. Auch die Abbrecherquote will die Koalition senken. Um die Fehlerkultur in der Polizei zu stärken, soll es einen unabhängigen Polizeibeauftragten geben.
Der umstrittene Einsatz von Elektroschockpistolen, auch Taser genannt, soll fortgesetzt und bis bis 2024 wissenschaftlich begleitet und bewertet werden. Je nach Ergebnis soll dann über den weiteren Einsatz entschieden werden. Polizeiliche Videoüberwachung wird es weiterhin an öffentlichen Plätzen geben, die als Kriminalitätsschwerpunkte gelten.
Außerdem wird ein Schwerpunkt auf die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität gelegt - insbesondere der Clan-, Rocker- und Mafia-Kriminalität. Um Straftaten besser erfassen zu können, soll eine "einheitliche polizeiliche und justizielle Definition zur Clan-Kriminalität" erstellt werden, ohne Personen unter Generalverdacht zu stellen.
Schwarz-Grün will auch Hasskriminalität und Hate Speech in den Fokus nehmen. Und auch die Bekämpfung von Kindesmissbrauch soll Schwerpunkt bleiben. Der Bereich werde weiter finanziell und personell deutlich gestärkt, heißt es im Vertrag.
Mehr Lehrer und Sozialindex für Schulen
Im Bereich Schule sollen 10.000 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer eingestellt werden. Stellen, die nicht sofort besetzt werden können, werden erst einmal mit pädagogischen Fachkräften und unterstützendem Personal besetzt. Um Lehrer von bürokratischen Aufgaben zu entlasten, sollen Schulverwaltungsassistenten und "multiprofessionelle Teams" Verwaltungsaufgaben übernehmen. Damit auch tatsächlich mehr Lehrkräfte langfristig zur Verfügung stehen, soll die Zahl der Studienplätze an den Universitäten ausgebaut werden.
Die schon lange Zeit geforderte gleiche Bezahlung aller Lehrkräfte - unabhängig von der Schulform - soll nun tatsächlich kommen. So soll die Besoldung beim Berufseinstieg auf A13 angehoben werden. Auch bei Lehrern, die bereits im Dienst sind, soll die Besoldung entsprechend angepasst werden.
Um "Schulen mit besonderen sozialen Herausforderungen" besser zu unterstützen, plant Schwarz-Grün die Einführung eines "Sozialindex". So werden für diese Schulen zusätzliche finanzielle und personelle Hilfen bereitgestellt. Die Talentschulen sollen fortgeführt werden.
Bei der digitalen Ausstattung hat sich die künftige Regierung vorgenommen, dass Lehrer und Schüler 1:1 mit Endgeräten ausgestattet werden. Erforderlich seien auch Glasfaseranschlüsse (mindestens 1GBit/s), leistungsfähige WLAN-Netze und IT-Assistenten vor Ort. Außerdem müssten die Schulen jederzeit auf Distanzunterricht wechseln können - auch unabhängig von Corona. Schulschließungen wegen Corona sollen künftig vermieden werden.
Bus und Bahn als "echte Alternative"
Für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) gibt sich Schwarz-Grün das Ziel, dass dieser eine "echte Alternative zum Individualverkehr" werden soll - allein schon, um die Klimaziele zu erreichen. Das Angebot soll bis 2030 um mindestens 60 Prozent erhöht werden. Im S-Bahn-Netz ist langfristig ein 15-Minuten-Takt das Ziel. Bis 2027 steht ein flächendeckendes Schnellbusnetz auf dem Plan. Damit sollen Kommunen mit über 20.000 Einwohnern an S-Bahn- oder Regionalexpresse angebunden werden.
Zudem soll der ÖPNV für alle preiswerter werden. In einem ersten Schritt sind günstige Angebote für Schüler, Auszubildende, Berufspendler oder Senioren angedacht.
Für Radfahrer soll ein möglichst flächendeckendes Radwegenetz entstehen. Dazu hat sich Schwarz-Grün vorgenommen, 1.000 Kilometer bis 2027 zusätzlich auszubauen. Analog zum Straßenbau wird demnächst ein Plan erstellt, welchen Bedarf es bei Radwegen gibt.