Krankenhausplan NRW – spezialisieren und schließen
Aktuelle Stunde . 18.07.2024. 21:46 Min.. UT. Verfügbar bis 18.07.2026. WDR. Von Mathea Schülke, Nicolas Vordonarakis.
Krankenhausplan NRW: Das soll sich ab 2025 ändern
Stand: 18.07.2024, 18:00 Uhr
Nicht mehr alles überall, dafür mehr Qualität: NRW-Gesundheitsminister Laumann plant große Änderungen in den Krankenhäusern.
Von Nina Magoley
Sechs Jahre lang wurde darüber beraten - jetzt ist die Umsetzung des neuen Krankenhausplans für NRW "auf der Zielgeraden", kündigt das Gesundheitsministerium am Donnerstag an.
Auf einer Pressekonferenz in Berlin erklärte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) heute, wie das neue Modell aussehen soll - und welche Veränderungen damit verbunden sind.
Das sind die wichtigsten Punkte:
- 90 Prozent aller Menschen sollen in höchstens 20 Autominuten ein Krankenhaus der "Grund- und Regelversorgung" mit Notaufnahme, Chirurgie und Intensivstation erreichen können.
- Jedes Krankenhaus soll die sogenannte "Grund- und Regelversorgung" anbieten, darüber hinaus je nach Möglichkeit Fachgebiete.
- Die Verteilung solcher Fachgebiete - zum Beispiel Kardiologie, Onkologie oder Geriatrie - soll sich danach richten, wo bereits spezialisierte Abteilungen vorhanden sind, aber auch nach regionalen Aspekten, sodass eine gleichmäßige Versorgung der fünf Regierungsbezirke in NRW gewährleistet ist.
- Krankenhäuser werden nicht mehr anhand ihrer Bettenzahl geplant und finanziert werden, sondern nach Fällen und vorhandenen Stärken.
Künftig soll also nicht mehr jedes Krankenhaus alles anbieten und abrechnen. Damit wolle man "Doppelstrukturen abbauen und dem ruinösen Wettbewerb um Personal und Ressourcen die Stirn bieten“, so Minister Laumann.
Leistungen und Wünsche abgefragt
Um einen Überblick zu bekommen, wo in NRW derzeit welche medizinischen Leistungen angeboten werden, hatte das Ministerium nach Angaben des Ministers alle Krankenhäuser digital abgefragt: Nach Fallzahlen einzelner Behandlungen - und nach ihren "Wünschen" für zukünftige Angebote.
Gesundheitsminister Laumann: "Schmerzhafte Einschnitte"
Daraus habe man eine "Planungssystematik" entwickelt und den Krankenhäusern mitgeteilt, welche Aufgaben sie künftig erfüllen sollen - und welche nicht mehr. Für viele bedeute das "schmerzhafte" Veränderungen, die "oft erheblich nicht das sind, was die Krankenhäuser machen können oder wollen", räumte Laumann ein.
Viele lukrative OP-Möglichkeiten abgelehnt
So hätten viele beantragt, lukrative Knie- und Hüftoperationen anbieten zu können - weit mehr als der tatsächliche Bedarf. Rund 60 Prozent der Antragsteller hätten eine Ablehnung bekommen. Auch 63 Prozent der Kliniken, die Krebsbehandlung durchführen wollen, seien abgelehnt worden.
Bauchspeicheldrüsenkrebs wird demnach künftig in nur 43 Kliniken NRW-weit behandelt, während sich dafür 111 Krankenhäuser beworben hatten.
Kritiker befürchten, dass der Plan zur Schließung vieler Kliniken führe. Ob und wie viele das sein könnten, wisse er nicht, sagte Laumann nach der Pressekonferenz dem WDR.
Laumann: "Es geht um Qualität"
Was hart klinge, sei letztlich gut für alle, erklärte Laumann sinngemäß: Ziel sei, dass Krankenhäuser für ihre angebotenen Leistungen wirklich gute Strukturen und gutes Personal hätten, es gehe um die Qualität und nicht, wie bisher, darum, Konkurrenzsituationen zu schaffen. Künftig gelte: "Wenn ein Krankenhaus eine Leistung anbietet, verfügt das Krankenhaus über ausreichend Erfahrung und Expertise in diesem Bereich." Häuser, die bislang bereits spezialisiert waren auf bestimmte Bereiche, sollten das auch weiterhin sein.
Klar sei: Für manches der 234 Häuser bedeute das große Umsatzeinbußen in Millionenhöhe, sagte Ingo Morell, Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW - wenn zum Beispiel künftig keine Knie- oder Hüftoperationen mehr stattfinden. Andere Kliniken, die demnächst mehr Patienten behandeln sollen, müssten sich überlegen, wie sie das hinbekommen.
"Gelegenheitschirurgie" abgeschafft
Pressekonferenz zum Krankenhausplan
Dennoch schien Morell, der - genau wie die anwesenden Vertreter von Krankenkassen, Pflegekasse und Ärztekammer - überzeugt vom neuen NRW-Krankenhausplan: Dieser stelle die wohnortnahe und hochwertige Versorgung der Menschen in NRW sicher, "Gelegenheitschirurgie" werde abgeschafft.
Bis zum 11. August können sich Krankenhäuser zum neuen Krankenhausplan äußern, ab 1. Januar nächsten Jahres soll das neue System an den Start gehen.
NRW-Gesundheitsminister Laumann begibt sich damit auf Konfrontationskurs zu seinem Amtskollegen auf Bundesebene, Karl Lauterbach (SPD), der ebenfalls an einer Krankenhausreform arbeitet.
Doch Laumann - der sich auf der Pressekonferenz als Bauernsohn gegen den "in Harvard studierten" Lauterbach darstellte - will seine Pläne auch für ganz Deutschland: Der Krankenhausplan aus NRW könne "als Blaupause" für die Reform auf Bundesebene und auch für andere Bundesländer dienen, verkündete er. NRW lege jetzt vor, und wenn Lauterbach die kritisierten Details seiner Reform nicht noch ändere, werde er damit scheitern, sagte Laumann. Entweder werde das Bundesgesetz mit Laumanns NRW-Plänen kompatibel sein oder es wird "kein Bundesgesetz geben", kündigte Laumann an.
SPD: Zu wenig Geld für die Umsetzung
Die SPD-Landtagsfraktion reagierte mit Kritik auf die Vorstellung des Krankenhausplans: Eine Spezialisierung sei zwar richtig und auch im Sinne der Patienten, sagte die stellvertretende Vorsitzende Lisa-Kristin Kapteinat. Zur Umsetzung aber bräuchten die Krankenhäuser mehr Geld. Stattdessen hätte die schwarz-grüne Koalition im Nachtragshaushalt genau hier "den Rotstift angesetzt" und die Investitionen von jährlich 500 auf 350 Millionen Euro gekürzt.