Brücken-Professor: Rahmede-Talbrücke war nicht zu retten
Stand: 11.09.2023, 15:03 Uhr
Im Untersuchungsausschuss zur inzwischen gesprengte Rahmedetalbrücke hat ein Experte keine Fehler bei der Begutachtung der Brücke gesehen. Allerdings sprach er bei der Brücken- und Straßenplanung von deutlichen Versäumnissen der Politik.
Martin Mertens sagt es zum Beginn des Ausschusses selber: Man müsse für einen Job wie seinen eine gewisse Leidenschaft für Brücken haben. Der 61-Jährige hat bis 2003 bei "Straßen NRW" gearbeitet, bis zu seiner Berufung als Professor - unter anderem für Brückenbau - an die Hochschule Bochum. Nebenher betreibt er noch ein Ingenieursbüro, mit dem Schwerpunkt Brückenprüfung.
Sein Auftritt in dem Ausschuss war mit einer gewissen Spannung erwartet worden, sollte er doch erklären, wie sich der Zustand in den Gutachten zur Brücke in so kurzer Zeit dramatisch verschlechtern konnte, nachdem 2021 ein Laserscan eine sofortige Sperrung des Bauwerks unumgänglich machte.
Ein zweites Genua wurde verhindert
Mertens sagte, dass er keine fachlichen Fehler gesehen habe. "Die Brücken in Deutschland gehören zu bestgeprüften Gebäuden in Deutschland", so der Professor. Nur so sei Lüdenscheid - wo die Brücke stand - nicht das zweite Genua geworden. In der italienischen Stadt stürzte 2018 eine Brücke ein, mehrere Menschen kamen ums Leben.
Martin Mertens
Dabei sagte Mertens deutlich, dass die Verschlechterung des Zustandes keine Frage von schleichender Abnutzung war. Er hätte bis zur letzten Prüfung mit Verkehrseinschränkungen "gut schlafen können". Er vermutet, ein einmaliges Ereignis wie ein sogenanntes Elefantenrennen mehrer LKW oder ein nicht genehmigter Schwerlaster könnte die Brücke final beschädigt haben.
Eine Alternative zu einem Neubau, um die Brücke zu retten, sah der Professor jedoch nicht. Die Rahmedetalbrücke sei aus heutiger Sicht ein "ausgeknautschtes Billigbauwerk". Zur Bauzeit Mitte der 1960er habe man noch filigran gebaut, um Material zu sparen. Heute sei eine Brücke dagegen viel massiver.
Das Schicksalsjahr deutscher Brücken
Außerdem entstamme die Brücke einer Zeit, in der moderne Berechnungsgrößen noch nicht mit einbezogen wurden. So habe man erst mit Beginn der 80er-Jahre bei der Traglast drauf geachtet, welchen Einfluss Temperaturwechsel auf das Material hätten. Er bezeichnete daher 1980 als das "Schicksalsjahr der Brücken" in Deutschland.
Brücken, die davor errichtet wurden, würden heute große Probleme bereiten. Vor allem im kommunalen Bereich sehe Mertens die größten Probleme. Zur Rahmedetalbrücke sagte der Wissenschaftler deutlich, er hätte denjenigen ausgelacht hätte, der ihn gebeten hätte, dieses Bauwerk zu verstärken.
Warum ein Neubau dann zurückgestellt wurde, wie es die SPD- und FDP-Opposition dem ehemaligen Verkehrsminister und heutigem Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) vorwirft, wollte er nicht beantworten.
"Straßen NRW" wurde "kaputt strukturiert"
Wozu er aber politisch was sagen wollte, war zu dem Zustand von Straßen NRW. Der Landesbetrieb ist für die überregionale Straßen-Planung zuständig, bis 2021 sogar für die Autobahnen. Dieser Betrieb, so sagte es Mertens, sei von der Politik "kaputt strukturiert" worden.
Über Jahre hätten Kollegen und Kolleginnen nicht in Sicherheit arbeiten können und hätten wegen der ständigen Umbauten der Behörde den Arbeitgeber gewechselt. "Da ist viel altes Wissen vernichtet worden", erklärte Mertens den anwesenden Politikern und Politikerinnen.