Auf 47 Seiten ist nun schwarz auf weiß festgehalten, wie die NRW-Landesregierung aus CDU und Grünen bis 2030 aus der Braunkohleförderung aussteigen will. Am Mittwoch legte Energieministerin Mona Neubaur (Grüne) die Neufassung der entsprechenden Leitentscheidung den Abgeordneten des NRW-Landtags vor. Sie werden sich am Freitag damit im Plenum befassen.
Im Oktober 2022 hatten sich Land, Bund und RWE darauf verständigt, dass der Ausstieg aus der Braunkohle von 2038 auf 2030 vorgezogen wird. Betroffen vom beschleunigten Ausstieg ist vor allen Dingen der Tagebau Garzweiler, sein Abbaufeld wird erheblich verkleinert. Von Umsiedlung betroffene Dörfer können erhalten bleiben.
Der Tagebau und die Folgen für Landschaft und Menschen
Am Ende des Braunkohle-Ausstiegs steht der Traum vom Haus am See. Doch es ist noch ein weiter Weg von den klaffenden Tagebaulöchern im Rheinischen Revier bis zu einer renaturierten Landschaft mit Freizeitspaß auf dem See, lebendigen Orten und einer florierenden Wirtschaft. Allein die Verfüllung des geplanten Sees mit Wasser soll 40 Jahre dauern.
In sogenannten Entscheidungssätzen werden in der Leitentscheidung die Rahmenbedingungen für diesen jahrzehntelangen Prozess festgehalten - für den Teil von NRW, der im Behördendeutsch "Bergbaufolgelandschaft" heißt und in der Lyrik der Landesregierung "Zukunftsraum".
Die wesentlichen Details der neuen Leitentscheidung
- "Neue Abbaugrenzen für den Kohleausstieg 2030": Wichtig für die verbliebenen Dörfer dürften die Abstände zur Abbaugrenze sein. Für Holzweiler gilt ein Abstand von 500 Meter, für die Ortschaften Keyenberg, Kuckum, Ober- und Unterwestrich sowie Berverath und den Feldhöfen Eggeratherhof, Roitzerhof und Weyerhof ein Mindestabstand von 400 Metern. Für Mönchengladbach-Wanlo und Titz-Jackerath (Garzweiler II) gelten "grundsätzlich 400 Meter".
- "Rekultivierung als Fundament für eine nachhaltige Entwicklung": Bergbauflächen sollen "hochwertig rekultiviert", der Ausbau Erneuerbarer Energien vorangetrieben werden. Der Abraum von Garzweiler I und II soll zur Verfüllung des östlichen Restlochs verwendet werden. Dies muss bis 2030 abgeschlossen sein. RWE muss ein Wiedernutzbarmachungskonzept vorlegen.
- "Nachhaltige Wasserwirtschaft, vielfältiger Tagebausee": Westlich der A44 wird der Tagebausee Garzweiler "in kompakter Form, mit großer Tiefe und naturnaher Gestaltung" erfolgen. Die Befüllung soll "möglichst innerhalb von 40 Jahren nach der Auskohlung erfolgt sein". Gibt es angesichts der Klimakrise mit Hitze und Dürren überhaupt genügend Rheinwasser? "Inwieweit sich aber der fortschreitende Klimawandel tatsächlich auswirken wird, muss beobachtet werden", ist dazu in der Leitentscheidung vage zu lesen.
- "Neue Räume für nachhaltige Entwicklung": Es soll Platz sein für Siedlungsentwicklungen der Kommunen, Freizeit- und Erholungsräume, Erneuerbare Energien, Landwirtschaft. Eine Wiederherstellung der A61 zwischen Mönchengladbach und Titz ist nicht mehr möglich.
- "Ende der Umsiedlungen": Der entscheidende Satz für alle, die im Rheinischen Revier von Umsiedlung betroffen sind und waren: "Die Umsiedlung der Ortschaften Keyenberg, Kuckum, Unter- und Oberwestrich und Berverath (Stadt Erkelenz) sowie der Holzweiler Höfe ist bergbaulich nicht mehr erforderlich. In Folge werden die Umsiedlungen vorzeitig und sozialverträglich beendet." Die Regelung entspricht der Rahmenvereinbarung, die Bund, Land und RWE im Herbst 2022 getroffen hatten. Der Umsiedlerstatus bleibt für alle, die noch in den früheren Erkelenzer Umsiedlungsorten leben, bis 30.06.2026 erhalten.
- "Zukunftsdörfer in Erkelenz und Merzenich": Keyenberg, Kuckum, Unter- und Oberwestrich sowie Berverath (Stadt Erkelenz) sollen wie Morschenich (Gemeinde Merzenich) zu "Orten der Zukunft" entwickelt werden. Es sei eine große Herausforderung, die weitgehend unbewohnten Dörfer mit neuem Leben zu füllen. Die Landesregierung will ein Förderbudget zur Verfügung stellen. Wichtig für Betroffene: "Früheren Eigentümern/-innen mit Umsiedlerstatus und deren Kindern soll eine zeitlich befristete Vorkaufsoption eingeräumt werden. Dazu sollen in den betroffenen Kommunen zeitnah Interessensbekundungsverfahren mit dem Ziel gestartet werden, eine Vorkaufoption zu ermöglichen." Und: Dieses Vorkaufsrecht "soll sich auf das frühere, selbstgenutzte Wohneigentum beziehen", wie es nun heißt. In einem früheren Arbeitsentwurf dieses Entscheidungssatzes war noch vage von einer "Vorkaufsoption auf Flächen" die Rede gewesen. Die nun getroffene Regelung kommt insofern denjenigen Menschen stärker entgegen, die bereits umgesiedelt waren und nun in ihr altes Haus zurück wollen, nachdem ihre Dörfer gerettet wurden.
Die letzte Leitentscheidung der NRW-Landesregierung stammt aus dem Jahr 2021. Die wesentlichen Änderungen im Vergleich zu 2023 betreffen die Verkleinerung des Abbaugebiets, das Ende des Tagebaus und der Erhalt der oben genannten Dörfer.