NRW-Landtag gegen Judenhass und "Ja, aber-Debatten"
Stand: 25.10.2023, 12:10 Uhr
Nach dem Bundestag hat auch der NRW-Landtag seine Solidarität mit Israel erklärt. Fraktionsübergreifend zeigten sich Abgeordnete entsetzt über den Hamas-Terror - und über Antisemitismus in Deutschland.
Von Martin Teigeler
Mit einer Schweigeminute hat der NRW-Landtag der Opfer des Hamas-Terrorangriffs auf Israel gedacht. In einem gemeinsamen Antrag erklärten CDU, Grüne, SPD und FDP am Mittwoch ihre Solidarität mit Israel - und mit Jüdinnen und Juden in Deutschland. Der Antrag wurde vom Landtag einstimmig beschlossen.
Entsetzen über "Flut des Hasses" gegen Juden
Landtagspräsident André Kuper
Landtagspräsident André Kuper (CDU) zeigte sich erschüttert über den Terrorangriff vom 7. Oktober, bei dem in Israel über 1.400 Menschen von der Hamas ermordet worden waren. Er verurteilte den zunehmenden Antisemitismus in Deutschland und "die Flut des Hasses und der Bedrohung von israelischen und jüdischen Menschen".
Jüdinnen und Juden würden wieder offen auf Straßen angegriffen und bedroht, wieder gebe es versuchte Brandanschläge auf Synagogen, Wohngebäude würden mit Davidsternen gebrandmarkt, sagte Kuper. Der Terror der Hamas müsse verurteilt werden, nicht aber pauschal die Menschen in den palästinensischen Gebieten oder generell Muslime, sagte der Landtagspräsident. Auch sie hätten zivile Opfer zu beklagen.
CDU-Fraktionschef Thorsten Schick bezeichnete den Terrorangriff vom 7. Oktober als "Zeitenwende". Jüdinnen und Juden seien von der Hamas "gefoltert, geschändet und entmenschlicht" worden. Er schäme sich, so Schick, wenn auf Deutschlands Straßen die Gewalt gegen Juden gefeiert werde, wenn Juden ihre Kippa verstecken müssen, wenn jüdische Friedhöfe mit Hakenkreuzen beschmiert, wenn Israel-Fahnen verbrannt würden.
"Wir sind mit euch", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Jochen Ott allen Jüdinnen und Juden. Sie dürften keine Opfer mehr werden - nicht in Deutschland und nicht im Nahen Osten. Der Sozialdemokrat verurteilte den Hamas-Terrorangriff als "Akt der Barbarei" und betonte das Recht des Staates Israel, sich zu verteidigen.
Kritik an israelfeindlichen Demos
Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer kritisierte Demonstrationen, bei denen "Straftaten begangen werden, wo Volksverhetzung auf die Straßen getragen und die öffentliche Sicherheit gefährdet" werde. Antisemitismus müsse bekämpft werden. "Wir erleben in Deutschland gerade einen massiven israelbezogenen Antisemitismus – aus migrantischen Communities, aus dem linken Milieu, aus dem Rechtsextremismus", sagte Schäffer.
"Ja, aber"-Debatten, bei denen der Terror der Hamas relativiert werde, kritisierte FDP-Fraktionschef Henning Höne. Er wünsche sich, dass Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, Widerspruch bekommen, wenn sie mit "antisemitischen Vorurteilen" spielten wie Richard David Precht. Höne forderte einen verstärkten Schutz jüdischer Einrichtungen. Ziel müsse es aber sein, "dass dieser Schutz eines Tages nicht mehr notwendig sein wird".
AfD-Fraktionschef Martin Vincentz verurteilte den Hamas-Terrorangriff ebenfalls. Die AfD legte einen eigenen Antrag zum Thema vor, da sie von den anderen Parteien "ausgegrenzt" werde, so Vincentz. Der Zentralrat der Juden hatte die AfD mehrfach als "Gefahr" für jüdisches Leben bezeichnet, weil es sich um "eine rechtsextreme Partei" handele.
"Nie wieder"
Ministerpräsident Hendrik Wüst im Landtag
Gegen Ende der Debatte sprach Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) das Schicksal der vielen Geiseln an, die sich noch immer in der Gewalt der Hamas befinden. Mit Blick auf NRW sagte Wüst: "Auf unseren Straßen und in den Köpfen der Menschen: Antisemitismus und Judenhass dürfen nirgendwo einen Platz haben, ohne Wenn und Aber".
Der Antisemitismus von Menschen mit Migrationsgeschichte sei "ein Ausweis unzureichender Integration", sagte Wüst. Wer nach Deutschland komme, müsse wissen, dass Deutschland sich dem "Nie wieder" verschrieben habe, sagte der Ministerpräsident. Das Grundgesetz sei eine direkte Reaktion auf den Holocaust.
Andere Redner in der Debatte betonten ebenfalls die historische Verantwortung Deutschlands für Jüdinnen und Juden. Die Novemberpogrome gegen Juden in Nazi-Deutschland jähren sich am 9. November zum 85. Mal. Laut Israels Präsident Izchak Herzog wurden seit dem Holocaust nicht mehr so viele Juden an einem Tag getötet wie bei dem Hamas-Terrorangriff am 7. Oktober 2023.