Sondersitzung im Landtag

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Sondersitzung: Landtag streitet über Milliarden-Loch im Haushalt

Stand: 03.06.2024, 17:34 Uhr

Die schwarz-grüne Landesregierung hat vergangene Woche überraschend einen Nachtragshaushalt mit neuen Schulden für 2024 angekündigt. In einer Sondersitzung des Landtags musste sich der Finanzminister heftiger Kritik stellen.

Von Peter HildPeter Hild und Thomas Drescher

Nordrhein-Westfalens Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) hat in einer Sondersitzung des Landtags das Vorhaben der Landesregierung bekräftigt, neue Schulden für das laufende Haushaltsjahr aufzunehmen und einen Nachtragshaushalt vorzulegen. Mit den neuen Krediten sollen die Folgen der Wirtschaftsflaute und wegbrechender Steuereinnahmen gemildert werden.

Die Lücke im laufenden Haushalt wird nach der jüngsten Steuerschätzung auf 1,2 Milliarden Euro beziffert, im kommenden Jahr muss mit einem Minus von 1,3 Milliarden Euro gerechnet werden. Die Verantwortung für die Konjunkturschwäche schob CDU-Minister Optendrenk auf die Wirtschaftspolitik der Ampelkoalition in der Berlin.

SPD: Regierung will vertuschen

Oppositionsführer Jochen Ott (SPD) warf der Regierung von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) vor, sie versuche die Öffentlichkeit zum Narren zu halten und das Milliarden-Loch im Haushalt zu vertuschen. Ott sagte, er habe im Grundsatz nichts gegen neue Schulden, solange sie in Zukunftsinvestitionen fließen, etwa die Beseitigung der Kita-Krise, in Verkehrsinfrastruktur, Wohnungsbau oder Schulen. Schulden zum Stopfen von Haushaltslöchern lehnte er ab.

Die Landesregierung forderte er auf, sich zusammen mit der SPD für eine Reform der Schuldenbremse einzusetzen, um mehr Investitionen zu ermöglichen. FDP-Fraktionschef Henning Höne kritisierte, dass die Landesregierung keinen klaren Kurs habe und sich die Menschen in NRW auf sie nicht mehr verlassen könnten.

Beide Oppositionsfraktionen warfen der Regierung außerdem vor, das Parlament missachtet zu haben, weil die Öffentlichkeit vor den Abgeordneten über die geplanten neuen Schulden informiert worden sei.

Überraschende Ankündigung des Nachtragshaushalts

Die schwarz-grüne Landesregierung hatte vergangene Woche überraschend mitgeteilt, für dieses Jahr einen Nachtragshaushalt vorlegen und neue Kredite aufnehmen zu wollen - eine Kehrtwende zum bislang propagierten Sparkurs. Lange Zeit hatte NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) von "engen Handlungsspielräumen" gesprochen, eine Haushaltssperre aber ausgeschlossen. Von möglicher Neuverschuldung war zunächst keine Rede.

Haushaltskrise in NRW

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Auslöser des Kurswechsels ist die jüngste Steuerschätzung, nach der NRW bis 2028 mit insgesamt fast fünf Milliarden Euro weniger Einnahmen rechnen muss. Was das konkret für den Landeshaushalt bedeutet, soll sich in den nächsten Wochen klären. Anfang Juli soll das Kabinett dann den Nachtragshaushalt und den Haushaltsentwurf für 2025 beschließen, so Optendrenk, danach gingen diese zur Beratung in den Landtag.

Die neuen Kredite sollen trotz der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse möglich werden, indem NRW die sogenannte "Konjunkturkomponente" der Schuldenbremse nutzt. Diese Regelung sieht vor, dass im Falle einer Wirtschaftskrise neue Schulden in begrenzter Höhe aufgenommen werden können.

Finanzminister immer wieder in der Kritik

Schon bei den Haushaltsplanungen der vergangenen Jahre war Optendrenk mehrfach in die Kritik geraten. Ende 2022 war er vom Landesrechnungshof gerügt worden, weil er ungenutze Gelder des Corona-Rettungsschirms "umwidmen" wollte in Hilfen zur Bewältigung der Krise infolge des Ukraine-Kriegs.

Daraufhin stellte die Regierungsmehrheit im Landtag eine "außergewöhnliche Notsituation" fest, um zusätzliche Kredite in Höhe von fünf Milliarden Euro als Sondervermögen aufnehmen zu können.

Auch dies wurde vom Landesrechnungshof kritisiert: Die Verwendungszwecke für die Gelder seien nicht klar genug definiert und außerdem seien Sparmöglichkeiten im Haushalt nicht ausreichend geprüft worden. Gegen diese Art der Neuverschuldung hatte die Opposition im vergangenen Frühjahr beim NRW-Verfassungsgerichtshof in Münster Klage eingereicht, das Verfahren läuft noch.

Im vergangenen Winter sorgten dann unter anderem die sogenannten "Selbstbewirtschaftungsmittel" der Landesministerien für Diskussionen, die sich laut Optendrenk Anfang 2023 auf rund acht Milliarden Euro beliefen - stille Reserven der Ministerien, die der Finanzminister kräftig anzapfen wollte, ebenso wie etwa den Pensionsfonds der Landesbeamten, um Löcher im Haushalt für 2024 zu stopfen. Auch diese Praxis sorgte für reichlich Kritik des Landesrechnungshofes und der Landtagsopposition.

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