Laumann über Armut: "Es gibt ganz schlaue Leute, die kotzen mich an"
Stand: 08.12.2022, 16:31 Uhr
So eine Rede wie die von Karl-Josef Laumann über die Armut im Land hört man im Landtag selten: persönlich, selbstkritisch und emotional. Und er überraschte mit Zustimmung zur Ampelpolitik in Berlin.
Von Thomas Drescher
Es war die SPD, die eine Landtagsdebatte über die Armut in Nordrhein-Westfalen beantragt hatte. Anlass war der "Digitalatlas Armut" des WDR von Ende November. Die Debatte plätscherte dahin, es ging um die nächste Woche anstehende Armutskonferenz, die die Landesregierung angesetzt hatte und darum, ob es nicht noch viel mehr brauche, um die steigenden Zahlen von Menschen, die unter die Armutsgrenze rutschen, irgendwie aufzuhalten.
Der Antrag der SPD wurde von allen anderen Parteien abgelehnt. Dann trat Landessozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) ans Rednerpult.
"Versaufen und verrauchen das Geld"
Er sprach frei, wollte nicht "das erzählen, was man mir aufgeschrieben hat". Im Plenarsaal wurde es immer stiller. "Wir haben es bislang in Deutschland nicht gut hingekriegt", sagte der Minister, "dass Kinder, die aus bescheidenen Verhältnissen kommen, die vielleicht nicht so ein gutes Elternhaus haben, so dass sie so gefördert werden zuhause, eine wirkliche Aufstiegschance durch Bildung haben".
Und deswegen sei er, seine Partei könne sagen, was sie wolle, ein Mensch, der die Kindergrundsicherung für richtig halte. Die Kindergrundsicherung ist ein Projekt, das sich die SPD, Grüne und FDP in Berlin in dieser Legislaturperiode vorgenommen haben. Man gebe viel Geld aus, für die Grundsicherung, Schulbedarfsparkte, die Jugendhilfe. Aber man kriege das nicht gebündelt.
"Und dann gibt es ganz schlaue Leute, die kotzen mich an, die sagen: Wenn Du armen Leuten mehr Geld gibst, dann versaufen und verrauchen die das und geben es nicht den Kindern." Er kenne keine einzige Statistik oder Studie, die das belegt.
Er esse sehr gerne Eis, bekannte der Minister zur Erheiterung der Abgeordneten. "Auch ganz gerne Bier, aber Eis mag ich auch." Wenn er im Sommer unterwegs sei, stelle er sich vor: "Du selbst bist arm und hast ein kleines Kind an der Hand und musst einen Bogen um die Eisdiele machen. Das macht mich traurig." Und deshalb, so Laumann, finde er die Idee der Kindergrundsicherung richtig.
"Verdammt noch mal"
"Wir müssen es zusammen hinkriegen, dass Kinder aus armen Haushalten eine Chance zum Aufstieg durch Bildung haben", sagte Laumann. Es gebe so viele offene Lehrstellen, ein Arbeitsmarkt, der Fachkräfte sucht. "Verdammt noch mal, wir müssen es jetzt hinkriegen, dass jedes Kind, das in Nordrhein-Westfalen die Schule verlässt, eine Anschlussperspektive durch eine Lehrstelle hat." Dazu werde er jetzt Gespräche mit der Wirtschaft führen.