Michael Bertrams verliest ein Urteil

Ex-Präsident des NRW-Verfassungsgerichts Michael Bertrams ist tot

Stand: 21.02.2025, 13:40 Uhr

Er war im besten Sinne ein streitbarer Richter - zum Ärger vieler Landesregierungen. Jetzt ist Michael Bertrams mit 77 verstorben.

Von Klaus SchefferKlaus Scheffer

Landesregierungen jeglicher Couleur mussten unliebsame Urteile von Michael Bertrams schlucken. Auch mit dem Bundesverfassungsgericht legte er sich an. Und auch aus dem Ruhestand meldete er sich bis zuletzt immer wieder zu Wort. Jetzt ist der frühere Präsident des NRW-Verfassungsgerichtshofs mit 77 Jahren verstorben.

Noch im letzten Jahr hatte Michael Bertrams sich mehrfach kritisch über den nordrhein-westfälischen Justizminister Benjamin Limbach geäußert. Bei der geplanten Neubesetzung des Präsidentenpostens am Oberverwaltungsgericht Münster sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen, hatte Bertrams gesagt.

Regelmäßig äußerte der frühere höchste Richter Nordrhein-Westfalens sich zu aktuellen rechtspolitischen Themen. Im Kölner Stadt-Anzeiger schrieb er Kommentare und Einschätzungen. Sein letztes Thema: "Die Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten ist ein Irrweg".

Beeindruckende Karriere

Streitbar war Michael Bertrams immer schon gewesen. Begonnen hatte er seine berufliche Laufbahn als Assistent des SPD-Bundestagsabgeordneten Claus Arndt. 1975 wechselte er aber in den Richterdienst, zunächst am Verwaltungsgericht Köln. Nach Zwischenstationen am Oberverwaltungsgericht NRW und dem Bundesverwaltungsgericht wurde Bertrams 1994 zum Präsidenten des Landesverfassungsgerichts NRW und des OVG in Münster ernannt.

Beide Ämter behielt er 18 Jahre lang. Am 1. Februar 2013 ging Michael Bertrams in den Ruhestand.

Historische Urteile

In diesen 18 Jahren schrieb er einige Kapitel Landesgeschichte. Unter seiner Ägide verhinderte das Verfassungsgericht die Einführung der Fünf-Prozent-Klausel bei Kommunalwahlen. Das Gericht entschied, dass eine Zusammenlegung von Innen- und Justizministerium, die der damalige Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) geplant hatte, gegen Rechte des Landtags verstieß. Und es gab Urteile gegen Landeshaushalte, weil die zu viele Kredite vorsahen oder zu spät vorgelegt wurden.

Streit über Umgang mit Neonazis

Bei den Medien hatte Michael Bertrams seinen Ruf weg. Er wurde als "schneidiger Präsident" tituliert, als "Quälgeist jeder Landesregierung" und als "der Kritische" mit legendärer Konfliktbereitschaft.

Die zeigte sich auch in seiner Auseinandersetzung mit dem Bundesverfassungsgericht über die Zulässigkeit von Neonazi-Demonstrationen. Das Oberverwaltungsgericht unter Bertrams Leitung hatte solche Verbote oft bestätigt, die Karlsruher Richter hatten diese Verbote immer wieder aufgehoben. Bertrams kritisierte das scharf und warf den Bundesverfassungsrichtern sogar vor, damit das Aufkommen des Rechtsextremismus zu begünstigen.

Als Michael Bertrams 2013 in den Ruhestand ging, attestierte er sich selbst "Fleiß und Hartnäckigkeit". Man dürfe als oberster Verfassungsrichter nie nach Applaus schielen, sondern sich immer an Recht und Gesetz orientieren. Stolz war er auch darauf, in den 18 Jahren seiner Tätigkeit keinen einzigen Tag krank gewesen zu sein.

Jurist Michael Bertrams gestorben

WDR 5 Westblick - aktuell 21.02.2025 02:24 Min. Verfügbar bis 21.02.2026 WDR 5


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"Seine Stimme wird fehlen"

Nach seinem Tod würdigt ihn auch die Politik, der er so oft die Leviten gelesen hatte.

Mit Bertrams verliere das Land "einen Menschen mit beeindruckender Geradlinigkeit und Konsequenz", schreibt Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Justizminister Limbach (Grüne) nennt Betrams "eine Persönlichkeit, die dem Rechtsstaat mit unermüdlichem Einsatz gedient hat". Von einer "wichtigen Stimme in unserer Demokratie" spricht FDP-Fraktionschef Henning Höne; "eine solche Stimme wird schmerzlich fehlen", sagt dessen SPD-Kollege Jochen Ott.

Über das Thema berichten wir am Freitag (21.02.) auch im "Westblick" um 17.05 Uhr auf WDR 5.

Unsere Quellen:

  • Pressemitteilungen des Land NRW
  • Archivmaterial

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