Das Land NRW will am Freitag gemeinsam mit sieben anderen Bundesländern eine Initiative zur Änderung des Transplantationsgesetzes in den Bundesrat einbringen. Das Kabinett der NRW-Landesregierung hatte diesen Schritt bereits Ende Mai einstimmig beschlossen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass alle Menschen in Deutschland als Organ- und Gewebespender gelten, wenn sie dem nicht aktiv widersprechen. Das Ziel der Initiative ist, die große Lücke zwischen gespendeten und von Kranken benötigten Organen zu verringern.
In Deutschland warteten Ende 2023 fast 8.400 Kranke auf ein Spenderorgan, erklärte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) Anfang Juni in Berlin. Es seien 2023 jedoch nur knapp 2.900 Organe von 965 Menschen gespendet worden - obwohl eine Mehrheit der Bevölkerung der Organspende positiv gegenüberstehe. Die Zahlen bewegten sich seit Jahren auf einem vergleichbaren Niveau. "Das ist eine massive Lücke, die für viele Menschen am Ende womöglich den Tod bedeuten kann", sagte Laumann.
Zustimmungs- oder Widerspruchsregelung?
Geregelt ist die Organspende in Deutschland im Transplantationsgesetz. Das Bundesgesetz trat 1997 in Kraft. Seither gilt in Deutschland eine Zustimmungsregelung: Nur wenn Verstorbene zu Lebzeiten ausdrücklich einer Organentnahme zugestimmt haben, dürfen die Organe entnommen werden. Wenn keine Stellungnahme vorliegt, dürfen auch Angehörige oder vom Verstorbenen dazu bestimmte Personen entscheiden. Diese zurzeit geltende Regelung wird auch als Entscheidungsregelung bezeichnet.
Bei der Widerspruchsregelung ist jede Bürgerin und jeder Bürger automatisch potenzielle Organ- und Gewebespenderin beziehungsweise -spender. Es sei denn, sie oder er hat ausdrücklich widersprochen.
Kritiker verweisen jedoch darauf, dass mit der Widerspruchsregelung in einem wichtigen Bereich von einem Grundprinzip des deutschen Gesundheitswesens abgewichen wird: Jeder noch so kleine Eingriff bedarf der ausdrücklichen Zustimmung der Patientin oder des Patienten. Das Schweigen dürfe nicht als Zustimmung gewertet werden.
Der gescheiterte Versuch einer Gesetzesänderung
Der Bundestag hatte im Jahr 2020 die Widerspruchsregelung mehrheitlich abgelehnt. NRW-Gesundheitsminister Laumann hofft, dass der seit 2021 neu zusammengesetzte Bundestag nun anders entscheiden wird. Auch unter den Bundestagsabgeordneten gibt es Bestrebungen, die Widerspruchsregelung erneut zur Abstimmung zu stellen. Für Laumann ist das keine Konkurrenz, wie er betonte. Er hofft, dass eine Initiative aus beiden Kammern "der Sache mehr Schub gibt".
Er ist von der Widerspruchsvariante überzeugt: "Niemand darf zu einer Organspende gezwungen werden. Ich bin aber schon der Meinung, dass wir die Menschen dazu verpflichten können, eine Entscheidung dafür oder dagegen zu treffen." Wichtig sei, dass die Entscheidung dokumentiert werde.
Der Minister ist überzeugt, "dass wir in Deutschland keinen Mangel an Menschen haben, die aus Solidarität oder Nächstenliebe nach ihrem Tod Organe spenden wollen". Aber es gebe ein Dokumentationsproblem. "Wenn Menschen ihre Einstellung nicht hinterlegt haben, müssen die Angehörigen entscheiden. In der Regel wird dann die Organspende aus Angst davor abgelehnt, möglicherweise gegen den Willen des Verstorbenen zu handeln."
Laumann: Ablehnung der Organspende "moralisch zu akzeptieren"
Der Gesundheitsminister betonte, dass bei dem von ihm angestrebten Systemwechsel ein Widerspruch gegen eine Organ- und Gewebeentnahme nicht begründet werden müsse, dieser sei "moralisch in vollem Umfang zu akzeptieren". Dieser Widerspruch kann übrigens laut Entwurf schriftlich erfolgen oder auch mündlich gegenüber Angehörigen, die dann vor der Organentnahme befragt werden müssten.
Über das Thema berichten wir am Dienstag auch in Hörfunk und Fernsehen, zum Beispiel im WDR-5-Landesmagazin Westblick ab 17.04 Uhr.