Gerichtsverfahren zu Autobahnen, Schienen oder Windrädern sollen künftig kürzer werden. Das hatte sich zumindest Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) von einer einer Änderung des Prozessrechts versprochen. Beim Oberverwaltungsgericht NRW in Münster glauben die Richter daran nicht so ganz. Das wurde am Donnerstag bei der Jahrespressekonferenz des Gerichts deutlich.
„Es kann vielleicht noch kleine Verfahrensbeschleunigungen geben“, sagt OVG-Pressesprecherin Gudrun Dahme zum neuen Gesetz. Das hatte der Bundestag vor zwei Wochen beschlossen - trotz massiver Kritik.
Über Windräder kann künftig ein Richter alleine urteilen
Schneller könnte es allenfalls gehen, weil künftig bei bestimmten Verfahren ein Richter alleine entscheiden kann - statt der sonst üblichen fünf Richter. Das könne etwa bei Klagen von Nachbarn gegen Windräder relevant werden. Die zu erwartende Zeitersparnis sei aber gering, so die Prognose in Münster.
Die Ursachen für lange Verfahren lägen bei solchen Projekten nicht im Prozessrecht, sondern an den Vorgaben für das Projekt selbst. Gemeint ist etwa das Naturschutzrecht oder die Frage, wann ein Windrad die Umgebung stört. Wenn so etwas im Gesetz klar geregelt ist, müssen die Gerichte weniger umfangreich argumentieren – das könne dann Zeit sparen.
Eigener Spezialsenat für Windräder hat gut zu tun
Windräder beschäftigen das OVG in erheblichem Umfang. Im vergangenen Jahr wurde über 60 Mal im Zusammenhang mit Windkraftanlagen geklagt, hinzu kommen Alt- und Eilverfahren. Die Tendenz ist steigend. Ein Großteil der Akten landet beim Windkraft-Senat, den es seit vergangenem Sommer gibt. So ein Spezialsenat sei deutschlandweit wohl einzigartig, die Erfahrungen bislang gut. Die Richter würden zu Experten auf dem Fachgebiet, wovon dann alle profitierten.
Entscheidungen zum Hambacher Forst und Corona-Hilfen
In den nächsten Monaten beschäftigen auch andere wichtige Verfahren das Gericht. Im Sommer wird es etwa urteilen, ob 2018 die Räumung des Hambacher Forstes rechtswidrig war. Und schon Mitte März geht es um drei Musterverfahren zu den Corona-Soforthilfen.
Soloselbständige und Unternehmer aus rund 2.500 Klageverfahren warten auf diese Entscheidung vom OVG aus Münster. Sie alle sollen dem Land jeweils mehrere tausend Euro Corona-Hilfen zurückzahlen. Dagegen wehren sie sich.
Richter warten seit zwei Jahren auf neuen Präsidenten
Unabhängig davon sorgt in Münster ein anderes Thema für Unmut: Das Gericht steht ohne Präsidenten da – und das seit Ende Mai 2021. Seitdem muss der Vizepräsident, Sebastian Beimesche, neben seinem eigenen Job auch den des Präsidenten erledigen. „Das sorgt hier zunehmend für Fragen“, sagt er bei der Jahrespressekonferenz. Auch von "Unverständnis" ist die Rede.
Zuständig für die Auswahl eines neuen Präsidenten ist NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne). Ein erstes Auswahlverfahren - damals noch unter Vorgänger Peter Biesenbach (CDU) - war 2021 gescheitert, weil der einzige Bewerber zurückgezogen hatte.
Das Ministerium möchte auf WDR-Anfrage keine Auskunft zum laufenden Verfahren geben. Auch wie lange es noch dauere will man nicht sagen. Nur: Durch Vertretungsregeln sei die Arbeit gesichert. Die Fraktionen im Landtag sehen das dank der Arbeit von Vize-Präsident Beimesche ähnlich.
"Für die Justiz kein Ruhmesblatt"
Allerdings habe es wohl einige Probleme bei der komplexen Auswahlverfahren gegeben, so FDP-Politiker Werner Pfeil. „Das ist für die Justiz kein Ruhmesblatt“, so die SPD-Fraktion. Die alte Landesregierung habe es versäumt, frühzeitig eine Lösung vorzubereiten.
Bei der Pressekonferenz des OVG wurde deutlich, dass die Richter am höchsten Verwaltungsgericht des Landes sich schnell eine Lösung wünschen. Auch wenn Verwaltung und Rechtsprechung des Hauses weiter sichergestellt seien: „Natürlich wirkt sich das aus, wenn eine solche Stelle so lange nicht besetzt ist“, sagt Pressesprecherin Gudrun Dahme.