Sieben Tote durch Polizeischüsse in NRW 2024 | WDR Aktuell

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2024 sieben Tote durch Polizeischüsse in NRW

Stand: 30.12.2024, 12:33 Uhr

Laut NRW-Innenministerium sind 2024 sieben Menschen durch Polizeischüsse getötet worden. Schusswaffengebrauch sei das letzte Mittel, um eine Gefahr für Leib und Leben abzuwenden, so das Innenministerium.

Im Jahr 2024 hat die Polizei in Nordrhein-Westfalen so viele Menschen im Einsatz erschossen wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Sechs Männer und eine Frau starben bis Mitte Dezember durch Schüsse aus einer Polizeiwaffe, wie das Landesinnenministerium in Düsseldorf auf dpa-Anfrage mitteilte. Die Einsatzorte waren Dortmund, Recklinghausen, Moers, Gangelt, Bonn, Bochum und Kamp-Lintfort.

Anstieg im Vergleich zu 2022 und 2023

So viele Todesopfer durch Polizeischüsse waren in NRW laut einer Dokumentation der Zeitschrift "Bürgerrechte und Polizei" seit 40 Jahren nicht mehr gezählt worden. 2022 waren laut NRW-Innenministerum vier Menschen durch Polizeischüsse getötet worden, 2023 waren es drei Menschen.

Herbert Reul Plenar

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU)

Der Schusswaffengebrauch sei für die Polizisten immer die Ultima Ratio - "das letzte zur Verfügung stehende geeignete Mittel, um eine gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben abzuwenden", sagte ein Sprecher von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). Dabei müssten die Polizisten und Polizistinnen in Sekundenbruchteilen die schwerwiegende Entscheidung treffen, ob sie die Schusswaffe einsetzen.

Zwei der Fälle aus dem Jahr 2024: Im April erschoss die Polizei einen gewalttätigen 52-jährigen Wohnungslosen in Dortmund. Das Verfahren wurde eingestellt - der Polizist handelte laut Staatsanwaltschaft aus Notwehr. In Gangelt (Kreis Heinsberg) wurde im Oktober eine 35-jährige Frau getötet. Nach Recherchen des WDR soll die Frau einen Polizisten bedroht haben, offenbar mit einer Glasscherbe oder einem Messer.

Verletzte und Warnschüsse

Gegen Menschen richtete sich der Schusswaffengebrauch laut Innenministerium 2024 bei insgesamt 13 Einsätzen. Siebenmal endete dies tödlich, sieben Menschen wurden verletzt - in einem Fall verletzte ein Geschosssplitter einen Polizisten, als dieser auf eine Frau schoss. Außerdem gab die Polizei sechs Warnschüsse ab.

"Die Zahlen lassen natürlich aufhorchen und müssen genau auf ihre Ursachen hin analysiert werden", sagte die SPD-Innenexpertin im Landtag, Christina Kampmann. Es komme offenbar immer häufiger zu gefährlichen Einsätzen, und das Thema Eigensicherung gerate in den Fokus. Der Schutz der Polizei müsse "immer gewährleistet bleiben". Gleichzeitig müsse der Gebrauch der Schusswaffe stets das letzte Mittel sein. Die Vorfälle sollten "juristisch und je nach Umstand auch politisch aufgearbeitet werden".

Nicht erfasst sind Fälle, bei denen Menschen durch andere Umstände bei oder nach Polizeieinsätzen zu Tode kamen. Erst vor wenigen Tagen starb in Duisburg ein Mann, der in einem Hotel randaliert haben soll. Weil er sich massiv gewehrt haben soll, musste er gefesselt werden. Wenig später habe der Mann dann das Bewusstsein verloren und sei gestorben, so die Polizei.

Der bekannteste Fall der letzten Jahre: die tödlichen Polizeischüsse auf einen 16-jährigen Geflüchteten in Dortmund im Jahr 2022. Mitte Dezember waren fünf angeklagte Polizisten freigesprochen worden. Sie waren bei dem Polizeieinsatz beteiligt, hatten aber nach Überzeugung des Landgerichts rechtmäßig gehandelt, weil sie Gefahr für Leib und Leben abwenden wollten. Der Fall geht in Revision.

Unsere Quellen:

  • Nachrichtenagentur dpa
  • eigene Recherchen

Über dieses Thema berichtet der WDR am 30.12.2024 auch im Hörfunk und im Fernsehen.