Im Raum steht der Verdacht auf Vetternwirtschaft. Bei der Neubesetzung eines der höchsten Richterposten in NRW, soll NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) die ihm genehme Bewerberin bevorzugt ausgewählt habe. So der Vorwurf der Oppositionsparteien SPD und FDP.
Andere Bewerber, die leer ausgingen, hatten vor den Verwaltungsgerichten Düsseldorf und Münster geklagt und zum Teil Recht bekommen.
Minister Limbach hatte dagegen beim Oberverwaltungsgericht Münster erfolgreich Beschwerde eingelegt - und ebenfalls Recht bekommen. Weil dagegen wiederum einer der unterlegenen Bewerber Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht hat, blieb die Stelle bislang unbesetzt - seit nunmehr drei Jahren.
Am Donnerstag beschloss der Landtag einen Untersuchungsausschuss zur "Causa Limbach". Beantragt hatten ihn SPD und FDP.
Angebot beim Abendessen
Dabei geht es aus Sicht der beiden Parteien um pikante Details. Als der Grüne Benjamin Limbach nach der Landtagswahl 2022 Justizminister wurde, war die Präsidentenstelle am Oberverwaltungsgerichts NRW unbesetzt.
Noch unter seinem Vorgänger im Amt des Justizministers, Peter Biesenbach (CDU), hatten sich mehrere Kandiaten beworben. Einen davon hatte Biesenbach empfohlen. Limbach aber, frisch im Amt, stoppte das Verfahren Ende Juni 2022.
Kurz darauf folgte ein Abendessen Limbachs mit einer alten Bekannten aus seiner Richterzeit am Verwaltungsgericht Köln. Dabei soll diese ehemalige Kollegin Interesse an der Stelle geäußert haben. Sie war inzwischen Abteilungsleiterin für Digitalisierung im Innenministerium. Welche Rolle dieses Treffen spielte, ist aber weiterhin unklar.
Klage folgte auf Klage
Schließlich schlug Limbach eben jene Kollegin für den Posten an der Spitze des Oberverwaltungsgerichts vor. Zwei der anderen Bewerber entschlossen sich daraufhin, den Rechtsweg zu beschreiten.
Das Verwaltungsgericht Münster befand, Limbach habe bei dem Besetzungsverfahren "rechtswidrig" und "manipulativ" gehandelt. Ähnlich urteilte das Verwaltungsgericht Düsseldorf.
In einem Fall bemängelte das Verwaltungsgericht, dass der gezielte Stopp des vorherigen Bewerbungsverfahrens durch Limbach ohne Angabe von Gründen erfolgt sei. Offenbar sei es darum gegangen, die nachträgliche Bewerberin noch berücksichtigen zu können. Mit seiner "Überbeurteilungen" habe Limbach zudem "zielorientiert" die Auswahlentscheidung gesteuert und dabei teilweise die falschen Kriterien angewendet.
Das Oberverwaltungsgericht Münster wiederum gab dem Justizminister Recht. Die Klagen gingen bis zur Verfassungsbeschwerde im März 2024, weswegen die Stelle nun immer noch nicht besetzt ist.
Unterdessen berichtete die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung", Limbach persönlich habe zwei Kandidaten zum Rückzug ihrer Bewerbungen bewegen wollen. Dazu im im Rechtsausschuss des Landtags befragt, hatte Limbach gesagt, es sei ein Gebot der Fairness, transparentes Feedback über die Chancen einer Bewerbung zu geben.
Zurückgehaltene Details und Falschaussagen?
Die Opposition wirft der Landesregierung vor, das Parlament bezüglich der Entwicklungen in diesem Fall nicht aktiv informiert zu haben. Erst durch viele Nachfragen seien später weitere Einzelheiten bekannt geworden.
Einer der unterlegenen Bewerber habe im Dezember 2023 eine eidesstaatliche Versicherung abgegeben, in der er der Landesregierung vorwarf, vor dem Oberverwaltungsgericht "falsch vorgetragen" zu haben. Justizminister Limbach habe dem Parlament außerdem in zahlreichen Sitzungen nicht den Tatsachen entsprechende Informationen weitergegeben.
SPD und FDP hatten deshalb in der Vergangenheit bereits den Rücktritt von Limbach gefordert.
SPD: Kein Zweifel an Gerichtsentscheidungen
In der Debatte am Donnerstag im Landtag stellte Sven Wolf von der SPD klar: Der Untersuchungsausschuss habe nicht das Ziel, die Rechtmäßigkeit der Gerichtsentscheidungen prüfen. Vielmehr sollten Fragen geklärt werden: "Gab es eine Vorfestlegung auf politischer Ebene? Hat die Landesregierung in dem Verfahren vor den Gerichten und gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit wahrheitsgemäß vorgetragen?"
"Wir haben als Parlament die Pflicht, die Regierung zu kontrollieren", rief Wolf, statt klarer Antworten aber seien "immer neue Fragen" entstanden.
Auswahlverfahren transparent?
FDP-Mann Werner Pfeil erklärte, es gehe darum, "aus den zahllosen Puzzleteilen", die in Aktuellen Stunden, Befragungen und Einzelaussagen entstanden seien, die Frage zu beantworten: "War das Auswahlverfahren unvoreingenommen und transparent oder kam die Entscheidung anders zustande?"
Der CDU-Abgeordnete Jörg Geerlings dagegen sprach von "politischem Klamauk" der Opposition, dessen "Krönung" nun der Untersuchungsauschuss sei. SPD und FDP unterstellte er, "den Rechtsstaat umbauen" zu wollen.
Die Grüne Abgeordnete Dagmar Hanses warf der Opposition sogar vor, "hochkarätige Richter für ihre Zwecke zu missbrauchen", das sei "peinlich und unangenehm" - und ein Zeichen des "Überlebenskampfes" der Parteien SPD und FDP.
Ausschuss mit elf Abgeordneten
Zum Ende der Debatte beschloss der Landtag, wie erwartet, die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschuss "OVG-Besetzung". Der Ausschuss soll sich demnach "ein Gesamtbild über mögliche Versäumnisse, Fehleinschätzungen und Fehlverhalten der Landesregierung" machen.
Ebenso solle geprüft werden, "welche Gespräche durch welche Personen zu welchem Zeitpunkt geführt wurden, aber auch wann und zu welchem Zeitpunkt wer die Entscheidungen hierzu schließlich getroffen und zu verantworten hat". Dem Ausschuss werden elf Abgeordnete angehören.
Quellen:
- Parlamentsdebatte am 16.05.2024
- Antrag der SPD und FDP