WDR 5: Herr Biesenbach, Sie hatten vor der Sommerpause ja Dutzende Termine veranschlagt. Machen Sie überhaupt eine Pause?
Peter Biesenbach: Ja, wir machen jetzt in den Sommerferien schon sitzungsfreie Zeit, weil wir uns jetzt in die neuen Komplexe erst einmal aktenmäßig einlesen müssen. Und da brauchen wir noch keine Zeugen, die werden wir unmittelbar nach der Sommerpause wieder laden. Am 30. August geht es mit der nächsten Sitzung los. Wobei ich nicht zu viel verrate, wenn ich sage, dass es am 2. August noch eine Sondersitzung geben wird.
WDR 5: Zu welchen Komplexen werden Sie sich jetzt einlesen?
Peter Biesenbach: Das sind insbesondere die noch offenstehenden Bereiche Umgang mit Alltags- und Kleinkriminalität, dann insbesondere mit der Situation Erfahrung aus Hogesa: Wie wurden Sie umgesetzt, sind sie angewandt worden, haben sich daraus Erkenntnisse ergeben, die eigentlich die Silvesternacht hätten verhindern können? Und insbesondere mit Gewalt gegen Polizeibeamte. Und das Kapitel, welche Lehren aus der Silvesternacht zu ziehen sind.
WDR 5: Und wie ist der Stand der Dinge bis jetzt? Was konnten Sie an Punkten herausarbeiten, die zur Aufklärung beitragen?
Peter Biesenbach: Es ist ein Zwischenbericht zu geben, der nicht ganz leicht fällt. Warum? Je mehr Zeugen wir befragen, desto mehr neue Fragen ergeben sich auch. Was relativ sicher im Augenblick zu sagen ist, ist, dass es sich um keine organisierte Situation gehandelt hat. Denn auch die Auswertung der Beobachtung aller sozialen Medien macht deutlich, dass da Gruppen zusammen aufgetreten sind, die sich auch untereinander kannten. Aber es ist nicht zu erkennen und auch nicht belegbar, dass es hier eine übergeordnete Organisation gab.
WDR 5: Wie sieht es aus mit den Verantwortlichkeiten politischer Natur? Haben Sie da schon bisschen mehr festzimmern können?
Peter Biesenbach: Ja, da sind eigentlich die Bereiche ganz gut abgeklopft worden, was Stadt Köln anging, was die Bundespolizei anging, was die Landespolizei anging und auch bis hoch in die Bereiche der Behörden, die unmittelbar im Ministerium selber angesiedelt sind. Hierzu liegt schon eine Menge an Aussagen vor, auch eine Menge an Details. Hier ergibt sich bereits ein gutes Bild.
WDR 5: Der Ausschussbericht soll nächstes Jahr im März, wenn ich das richtig verstanden habe, ins Landesparlament gehen. Da stecken Sie selbst ja dann schon im Landtagswahlkampf für Ihren Wahlkreis. Im Mai wird gewählt. Kritiker sagen, Sie würden das absichtlich in die Länge ziehen, um Hannelore Kraft und Konsorten politisch zu schaden. Was sagen Sie dazu?
Peter Biesenbach: Ich kann eigentlich die Kritiker nur einladen, sich mal unsere Aktenberge anzusehen. Wir werden planmäßig bis Mitte Dezember Zeugen vernehmen. Wir haben jetzt noch knapp 40 Tage Zeugenvernehmung, die bereits geplant sind. Und ich wage mal die Prognose, dass wir möglicherweise damit nicht auskommen. Das heißt, wir haben also einen Riesenberg an Aussagen. Jedes Protokoll hat locker um die 100 Seiten, wenn es ausführliche Zeugenvernehmungen waren. Und die müssen anschließend so aufbereitet werden, dass es einen Sachbericht gibt. Und dann gibt es auch die Gelegenheit, die zu bewerten. Da der Sachbereich unstreitig sein dürfte, wir bei den Bewertungen aber damit rechnen müssen, dass das unterschiedlich betrachtet wird, haben ja auch die Fraktionen die Notwendigkeit dazu, etwas Zeit zu haben. Wir sind für einen Untersuchungsausschuss von Mitte Dezember - da kommt die Weihnachtszeit und dann geht es los - bis Mitte März, wo wir das alles fertig haben müssen, unter einem Zeitdruck, der ungewöhnlich ist. Normalerweise rechnet ein Untersuchungsausschuss mit einer Nachbearbeitungszeit von sechs Monaten. Wir müssen es und werden es in drei Monaten schaffen.
WDR 5: Der Kölner Polizeipräsident hat seinen Posten geräumt. Es ist nicht so, als hätten sich die Verantwortlichen komplett aus der Affäre gezogen. Die Frage ist vielleicht, ob man jede einzelne SMS von Hannelore Kraft mit der Lupe untersuchen muss, nur um im Zweifelsfall die Spitze der Landesregierung noch mitzudemontieren.
Peter Biesenbach: Jetzt sage ich mal andersherum: Der Ausschuss stimmt mit seiner Mehrheit für Beweisbeschlüsse. Und wenn es eine Mehrheit gibt oder die geschützten Minderheiten das Quorum erreichen, dann ist eben das gesetzlich zumindest zugestanden. Da der Vorsitzende Beschlüsse zu vollziehen hat, will ich mich in die Wertung jetzt ungern reinhängen lassen.
WDR 5: Jetzt kann man aber auch sagen, es hat schon Reaktionen gegeben in Deutschland, und zwar sogar auf Bundesebene. Es gibt ein verschärftes Sexualstrafrecht wegen dieser Silvesternacht in Köln. Sind Sie mit den politischen Konsequenzen zufrieden, so wie sie bis jetzt gelaufen sind?
Peter Biesenbach: Oh, ich bin mit dem Ergebnis bisher sehr zufrieden. Wir haben erst mal durchgängig die Erkenntnis, dass wir mehr Polizeibeamte brauchen. Das ist schon was. Das zeigt sich daran, dass in Köln und auch in Düsseldorf, als wir mehr Polizeibeamte in der Altstadt in Düsseldorf und in Köln rund um den Dom hatten, die Quoten bei Taschendiebstahl und ähnlichen Delikten rapide sanken. An der Erkenntnis kommt keiner mehr vorbei. Und wir werden gemeinsam künftig zu überlegen haben, wie wir die Polizeistärke erhöhen. Weiter ist klar geworden, dass wir auch in Situationen, wo viele Menschen zusammen feiern wollen, immer damit rechnen müssen, dass es zu Exzessen kommt und wir eben nicht mehr sagen können, wir lassen mal den lieben Gott einen guten Mann sein. Sondern wir haben viel stärker im Vorfeld zu prüfen, ob es örtliche Situationen gibt, die zu beleuchten und zu betrachten sind. Wir haben über das Innenleben von Polizeiarbeit immens viel gelernt. Und das wird es umzusetzen gelten im Zusammenhang mit den Verantwortlichen der Polizei, auch der Polizeipräsidien, um deutlich zu machen, was künftig in Einsätzen besser gemacht werden kann. Und das wird eine ganze Menge sein.
Das Gespräch führt Max von Malotki im WDR 5 Morgenecho vom 14.07.2016.
Für eine bessere Rezeption weicht die schriftliche Fassung des Interviews an einigen Stellen vom gesendeten Interview ab. Die intendierte Ausrichtung der Fragen und Antworten bleibt dabei unberührt.