"In Europa gelten unsere Regeln": NRW-Medienminister Nathanael Liminski (CDU) im Gespräch mit WDR-Hauptstadtkorrespondent Philipp Menn über Plattformregulierungen

12:27 Min. Verfügbar bis 11.04.2027

NRW-Medienminister: "In Europa gelten unsere Regeln"

Stand: 14.04.2025, 05:50 Uhr

Teil 2/2 - "Russland ist bereits im Krieg mit uns"

WDR: Seit dem Regierungswechsel in den USA wurde die Selbstregulierung der großen Plattformen, also die Einheiten, die moderieren, aufgelöst. Man hat das Gefühl, dass Mark Zuckerberg Ähnliches auch in Europa gerne machen würde. Das geht aber nicht wegen der europäischen Regeln. Für wie problematisch halten Sie diese Entwicklung?

Liminski: Ich halte es für höchst besorgniserregend, dass die amerikanischen Big Tech-Unternehmen den Kniefall vor Donald Trump und der MAGA-Bewegung gemacht haben und vor diesem sehr radikalen Verständnis von freier Rede. Das können Sie für sich in Amerika so entscheiden. In Europa gelten unsere Regeln.

Wir sind mit 450 Millionen Nutzerinnen und Nutzern ein sehr attraktiver Markt, auch für solche Unternehmen. Und wir müssen ausstrahlen: Wer hier Geld verdienen will, der kann das tun, aber nach unseren Regeln. Und das gilt dann auch für amerikanische Big Tech-Unternehmen. Und deswegen ist es wichtig, dass wir unser europäisches Verständnis von Freiheit, das immer in Verbindung mit Verantwortung ist, und dass seine Grenze in der Freiheit des Nächsten findet, dass wir das auch im digitalen Raum durchsetzen.

WDR: Gleichzeitig sehen wir auch, dass zum Beispiel die Plattform X die Reichweite von neurechten Inhalten künstlich verstärkt, während andere Inhalte künstlich runtergerechnet wird. Welches Ziel steckt dahinter?

Liminski: Spätestens diese Verzerrung durch Algorithmen, die Sie gerade beschrieben haben, zeigt, dass das alte Verständnis davon, dass die Plattform lediglich neutrale Infrastruktur sei, ein falsches, ein naives Verständnis ist. Da wird redaktionell Inhalt aufbereitet. Und wie wir sehen unter der Ägide von Elon Musk mit einer sehr starken Präferenz für radikale, für extremistische Inhalte.

Und deswegen sollte jetzt dem Letzten gedämmert sein, dass wir an der Stelle klar sein müssen in unserer Regulierung. Und das glaube ich erfordert, dass wir die europäischen Regeln an dieser Stelle nachschärfen. Wenn man für freie Rede ist, dann kann man nicht für die manipulative Verzerrung von Öffentlichkeit sein. Sei es durch Fake-Accounts, sei es durch Bots, sei es durch gekaufte Reichweite.

WDR: Bisher ist es ja im Digital Services Act nicht so, dass man gegen solche Verstärkungsmechanismen durch Algorithmen vorgehen könnte. Wie genau wollen Sie das machen?

Liminski: Wir können den Digital Services Act durchsetzen. Das zeigen wir momentan bei den ersten zehn Verfahren, wo wir Transparenz einfordern über die Funktionsweise des Algorithmus. Wo wir Transparenz einfordern darüber, wer trifft wann in diesem Unternehmen welche Entscheidungen. Das ist notwendig. Und wir müssen an der Stelle mit der Zeit gehen und unsere Behörden in die Lage versetzen, Verstöße gegen diese Regeln auch tatsächlich zu ahnden. Dafür müssen aber erstmal die Regeln selber nachgeschärft werden. Diese Diskussion steht jetzt in Brüssel an. Dazu stehe ich im Austausch mit Abgeordneten, mit der zuständigen Kommissarin. Und ich glaube, es gibt Möglichkeiten an dieser Stelle.

Aber uns muss klar sein: Diese US-Administration versteht sich als Vertreter der Big Tech-Unternehmen aus den USA. Und deswegen ist es nicht nur ein Konflikt zwischen Regulierern und Regulierten, sondern an dieser Stelle bekommt das eine sehr politische Komponente.

WDR: Also sind die USA, was dieses Thema betrifft, nicht mehr Alliierte, sondern Konkurrent oder sind sie sogar schon Feind?

Liminski: Sie sind auf jeden Fall Konkurrent dahingehend, dass sie ein anderes Verständnis präsentieren. Und die Aggressivität, mit der sie es vortragen, lässt nahelegen, dass sie uns dabei als Feind wahrnehmen.

WDR: Aber wieso haben Sie es ausgerechnet so stark auf diesen DSA abgesehen?

Liminski: Diese US-Administration vertritt das Verständnis, dass Freiheit im Netz, freie Rede bedeutet: Alles ist erlaubt. Also auch die Behauptung falscher Tatsachen, das Verbreiten von Desinformation, das Aufrufen zu Straftaten. Und das kann nicht unser Verständnis sein. Das ist fundamental gegensätzlich im Widerspruch zu dem, was wir für richtig erachten, was unserer Rechtstradition in Europa entspricht.

Und deswegen stehen wir in diesem harten Konflikt. Und ich bin sehr, sehr besorgt, dass wir in Europa die Kraft aufbringen, politisch die Mehrheiten dafür gewinnen, in diesem Konflikt auch durchzuhalten. Und dass wir an dieser Stelle uns nicht auseinandertreiben lassen.

WDR: Haben Sie denn das Gefühl, dass die EU-Kommission die Sorgen, die Sie jetzt formuliert haben, selber schon so teilt?

Liminski: Ich glaube, dass die Dimension der Herausforderungen in diesem Bereich mittlerweile auch in Brüssel erkannt wird. Die Frage wird sein, ob die Bereitschaft auch gegeben ist, hier zu kämpfen und hierfür auch Preise zu zahlen. Hierfür auch bereit zu sein, Nachteile in Kauf zu nehmen.

WDR: Welche könnten das sein?

Liminski: Das könnte sein, dass J.D. Vance ernst macht und sagt: Wenn ihr unser Verständnis von freier Rede nicht mehr teilt, dann ist das nicht mehr das Konzept des Westens, das die Grundlage für die NATO war. Und deswegen müssen wir euch an anderen Stellen bestrafen.

WDR: Wenn man sich den Erfolg russischer Desinformationskampagnen anguckt, dann hat man das Gefühl, dass dieser Teil der Beeinflussung Europas viel erfolgreicher ist als zum Beispiel die militärische Bedrohung über den Krieg in der Ukraine.

Liminski: Richtig ist, dass heutzutage Bedrohungen hybrid beginnen. Nicht erst, wenn der erste Schuss fällt, sondern durch die Desinformation, die lange im Vorfeld beginnt, die längst auf deutschem Boden stattfindet. Russland ist bereits, was das angeht, im Krieg mit uns, mindestens nach eigener Wahrnehmung. Und dementsprechend müssen wir uns dagegen verwehren, müssen Desinformation hart bekämpfen und müssen an der Stelle auch die Kraft aufbringen, tatsächlich dagegen vorzugehen.

WDR: Vielen Dank für das Gespräch.

Über dieses Thema berichten wir am Montag (14.04.) unter anderem in den Hörfunknachrichten und in der WDR 5-Sendung Westblick ab 17.04 Uhr.