Sozialwohnungen in NRW falsch belegt | Westpol

05:13 Min. Verfügbar bis 09.03.2027

Falsch belegte Sozialwohnungen bleiben in NRW ungeahndet

In vielen Sozialwohnungen in NRW leben offenbar Menschen, die dazu nicht berechtigt sind. Das Land will trotzdem keine Kontrollen.

Von Tim Köksalan, WDR-LandespolitikTim Köksalan

Wer in eine Sozialwohnung einziehen will, braucht eine Berechtigung. Dazu müssen das Einkommen und die Lebensverhältnisse offen gelegt werden - jedoch nur beim Einzug, danach nicht mehr. Stichproben der landeseigenen NRW Bank haben ergeben, dass jede zweite Sozialwohnung unberechtigt genutzt wird – heißt: Hier leben Menschen, die eigentlich ausziehen müssten, etwa weil sie inzwischen mehr verdienen.

Bis 2005 wurde in NRW in solchen Fällen eine Abgabe von den Mietern erhoben. Sie wurde damals abgeschafft, weil keine Wohnungsnot bestand. Heute ist die Lage anders.

Wer darf in einer Sozialwohnung leben?

Die Einkommensgrenzen für den so genannten Wohnberechtigungsschein sind klar festgelegt. Birgit Sterly aus Köln hat so eine Berechtigung. Trotzdem sucht sie seit einem Jahr nach einer passenden Wohnung für sich und ihre Tochter, bislang ohne Erfolg. Aktuell leben die beiden in einer Ein-Zimmer-Wohnung zur Zwischenmiete. "Die meisten Wohnungen sind zu teuer. Wenn doch mal was passt, ist die Konkurrenz so groß, dass man kaum eine realistische Chance hat", sagt Sterly.

Sie inseriert regelmäßig in Wochenzeitungen und Internetportalen und hängt Zettel an Laternen auf. Dass viele Sozialwohnungen von Menschen mit höheren Einkommen als ihrem belegt sind, findet sie nicht fair.

Hessen erhebt Abgabe bei Falschbelegung

Gerade in Großstädten wie Köln, Dortmund oder Düsseldorf ist der Wohnungsmarkt stark überhitzt. Zudem sinkt der Anteil an Sozialwohnungen immer weiter. Der Deutsche Städtetag hält eine Debatte über die Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe für sinnvoll. In Hessen wird sie schon seit einigen Jahren wieder erhoben, die dortigen Kommunen haben positive Erfahrungen gemacht, sagt Hilmar von Lojewski vom Städtetag NRW. Die Abgabe sorge für mehr Gerechtigkeit am Wohnungsmarkt. Mit den Einnahmen wird der Verwaltungsaufwand der Kommunen finanziert, der Rest fließt in den Neubau von Sozialwohnungen. Frankfurt am Main konnte so alleine im vergangenen Jahr knapp fünf Millionen Euro zusätzlich in den Bau von Sozialwohnungen investieren.

Mieterbund befürchtet weniger Durchmischung in Wohngebieten

Hans Jochem Witzke vom Mieterbund NRW kann sich noch an die Zeiten erinnern, in denen es eine solche Abgabe auch in NRW gab. In einigen Vierteln habe es dazu geführt, dass Menschen, die sich vorher im Stadtteil engagiert haben, weggezogen sind. "Mit der Abgabe war die Wohnung nicht mehr attraktiv und die Leute sind in vermeintlich besseren Gegenden gezogen", so Witzke. Das habe den Quartieren eher geschadet. Der zu erwartende Ertrag einer Fehlbelegungsabgabe sei insgesamt nicht so hoch, deshalb plädiert Witzke dafür, lieber mehr Wohnungen zu bauen.

Ministerin sieht NRW auf gutem Weg

Ina Scharrenbach, CDU, NRW

NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach, CDU

Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) betont, dass 40 Prozent der Sozialwohnungen bundesweit in NRW liegen. Doch auch hier sind trotz aller Bemühungen innerhalb von 10 Jahren rund 73.000 Sozialwohnungen weggefallen, weil die Preisbindung ausgelaufen ist. Für den Neubau wurden vom Land zwar Rekordsummen bereitgestellt, aber die Bearbeitung der Bauanträge dauere immer noch zu lange, kritisieren die kommunalen Spitzenverbände. Maßnahmen gegen die hohe Fehlbelegung bei den Sozialwohnungen will Scharrenbach trotzdem nicht ergreifen. Eine Abgabe sieht sie kritisch, weil sie zu viel Bürokratie mit sich bringe. "Aufwand und Ertrag stehen in keinerlei Verhältnis und die Kommunen sind mit ihren jetzigen Aufgaben schon am Anschlag", so Scharrenbach im WDR-Interview.

Rückgang an Sozialwohnungen sorgt für steigende Mieten

Dafür hat das Land die Mietpreisbremse seit dem 1. März 2025 von 18 auf 57 Städte erweitert. Mieterhöhungen sind hier nur noch eingeschränkt möglich. Um Wuchermieten zu vermeiden, müsse man aber auch das Wirtschaftsstrafrecht überarbeiten, sagt die Ministerin. Nur so könnten unverhältnismäßig hohe Mieten geahndet werden. Ob und wann derartige Gesetzesänderungen kommen, ist allerdings unklar.

Für Menschen mit akuter Wohnungsnot, wie Birgit Sterly werden sie erstmal keine Hilfe sein. Die Zwischenmiete für ihre derzeitige Wohnung läuft im Mai aus. Der Druck möglichst bald eine passende Wohnung zu finden, ist entsprechend groß. 

Sozialwohnungen werden ohne Berechtigungen genutzt

WDR Studios NRW 09.03.2025 00:49 Min. Verfügbar bis 09.03.2027 WDR Online


Unsere Quellen:

  • Interview mit NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach
  • Studie Pestel Institut
  • Mieterbund NRW
  • Städtetag NRW

Über dieses Thema berichten wir am 09.03.25 auch in der Sendung Westpol im WDR Fernsehen um 19:30 Uhr.