Staatspreis NRW für die Band "Die Toten Hosen"

Lokalzeit aus Düsseldorf 30.10.2024 03:12 Min. Verfügbar bis 30.10.2026 WDR Von Andreas Turnsek

Staatstragende Staatspreisträger: Die Toten Hosen

Stand: 30.10.2024, 16:00 Uhr

Ministerpräsident Wüst (CDU) hat den Toten Hosen den Staatspreis verliehen. Wüst und Laudator Wim Wenders würdigten das gesellschaftliche Engagement der Band. Campino reagierte mit einer Lobrede auf das Land NRW.

Von Martin TeiglerMartin Teigeler

Das Apollo-Theater in Düsseldorf. Vor dem altmodischen Varieté in der Nähe des Landtags am Rhein stehen an diesem Mittwochmittag die "Omas gegen rechts" und ein paar Passanten. Drinnen wird gefeiert: Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) ist da, Ex-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) auch, dazu Künstler, Sportler - und viele schwarz-grüne B- und C-Promis aus der Landeshauptstadt.

Westart Extra: Staatspreis NRW 2024 - Der Festakt

Westart 30.10.2024 01:02:26 Std. Verfügbar bis 30.10.2025 WDR

Es ist der große Tag der Toten Hosen. Die Düsseldorfer - einst als Punks gestartet, heute eine der populärsten Musikbands der Republik - erhalten aus den Händen von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) den NRW-Staatspreis. Es ist die höchste Auszeichnung, die das Land zu vergeben hat.

Im Glanz der Promi-Preisträger sonnen

Wüst ist nicht der erste Ministerpräsident, der sich ein wenig im Glanz der Staatspreisträger sonnt. Das tat Preisstifter Johannes Rau (SPD), als er in den 1980er- und 1990er-Jahren Kulturgrößen wie Lew Kopelew oder Pina Bausch auszeichnete. Auch einer seiner Nachfolger, Jürgen Rüttgers von der CDU, genoss sichtlich die Nähe zu Denkern wie Jürgen Habermas.

Campino zum NRW-Staatspreis: "Aufforderung, am Ball zu bleiben"

WDR 2 Gäste 30.10.2024 05:48 Min. Verfügbar bis 30.10.2026 WDR 2 Von Jan Malte Andresen


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"Alles Tote Hosen Fans hier", sagt der Ministerpräsident zu Beginn seiner Rede und lacht. Er betont natürlich auch sein Fantum. Schon im Landtagswahlkampf 2022 bezeichnete er die Hosen im Fragebogen einer Zeitung als seine Lieblingsband. 15 Jahre vorher hatte er in einem Interview noch die Höhner, Nirvana und Queen genannt - aber egal, Musikgeschmack kann vielfältig sein. Man stellt sich vor, wie der konservative junge Helmut-Kohl-Fan Wüst Anfang der 1990er einen DTH-Song wie "Sascha … ein aufrechter Deutscher" hörte.

Ministerpräsident lobt soziales Engagement

Die Toten Hosen erhielten den Preis nicht nur wegen ihres musikalischen Erfolgs (sie seien "Kult", so Wüst), sondern wegen "ihrer herausragenden Verdienste für unsere Gesellschaft", sagt der Ministerpräsident in seiner Rede. "Das hört sich groß an. Ja, ist es auch." Wüst zählte auf, wofür die Hosen sich engagieren: für Sportvereine in ihrer Heimatstadt Düsseldorf, für Obdachlose, für Erdbebenopfer, für "Menschenwürde, Freiheit, Demokratie und Zusammenhalt". Für Werte, so Wüst, die den Kern dieses Landes ausmachen.

Hosen statt Habermas: Und der NRW-Staatspreis geht an...

Von Martin Teigeler

Seit 1986 verleiht das Land den Staatspreis. Die Liste der Preisträger ist vielfältig - und sagt teils auch einiges über die jeweilige Regierung aus, die die Auszeichnung vergibt. In diesem Jahr werden Die Toten Hosen geehrt.

Musiker der Rockband Tote Hosen in der Düsseldorfer Arena

2024 geht der NRW-Staatspreis an die Düsseldorfer Band Die Toten Hosen (v.l.n.r.): Andreas von Holst (Kuddel), Michael Andreas Meurer (Andi), Michael Breitkopf (Breiti), Andreas Frege (Campino) und Stephen George Ritchie (Vom). Die Verleihung findet am Mittwoch im Apollo-Theater neben dem Landtag statt. Die Laudatio hält der Filmregisseur Wim Wenders. Die Hosen erhalten die höchste Auszeichnung des Landes für ihren Einfluss auf den "gesellschaftlichen Diskurs und die kulturelle Landschaft in Nordrhein-Westfalen und für ihr jahrzehntelanges soziales und gesellschaftliches Engagement", so die Staatskanzlei. Die Gruppe engagiert sich seit vielen Jahren unter anderem gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus sowie für geflüchtete und obdachlose Menschen.

2024 geht der NRW-Staatspreis an die Düsseldorfer Band Die Toten Hosen (v.l.n.r.): Andreas von Holst (Kuddel), Michael Andreas Meurer (Andi), Michael Breitkopf (Breiti), Andreas Frege (Campino) und Stephen George Ritchie (Vom). Die Verleihung findet am Mittwoch im Apollo-Theater neben dem Landtag statt. Die Laudatio hält der Filmregisseur Wim Wenders. Die Hosen erhalten die höchste Auszeichnung des Landes für ihren Einfluss auf den "gesellschaftlichen Diskurs und die kulturelle Landschaft in Nordrhein-Westfalen und für ihr jahrzehntelanges soziales und gesellschaftliches Engagement", so die Staatskanzlei. Die Gruppe engagiert sich seit vielen Jahren unter anderem gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus sowie für geflüchtete und obdachlose Menschen.

Gestiftet wurde der Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen in der Regierungszeit von Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) (hier neben seinem engen Berater Bodo Hombach). Die ersten Preisträger waren 1986 das Kabarettisten-Ehepaar Lore und Kay Lorentz, die sich den Preis mit dem Publizisten Walter Dirks teilten. In den ersten 20 Jahren ging die Auszeichnung meist an zwei Preisträger - seit rund 20 Jahren in der Regel an eine Person.

Der zunächst mit 50.000 D-Mark (heute 25.000 Euro) dotierte Preis wurde und wird für herausragende kulturelle oder wissenschaftliche Leistungen oder herausragende Leistungen in anderen Lebensbereichen an Persönlichkeiten verliehen, die dem Land Nordrhein-Westfalen "durch Werdegang und Wirken" verbunden sein sollen. 1990 ging der Staatspreis an die Tänzerin Pina Bausch (1940-2009).

2006 ehrte der damalige Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) den Philosophen und Sozialwissenschaftler Jürgen Habermas. Der Staatspreis wird laut Landesregierung nicht öffentlich ausgeschrieben. Bewerben kann man sich dafür auch nicht. "Vorschläge zur Verleihung des Staatspreises können Träger des Staatspreises, die Mitglieder der Landesregierung sowie die Präsidentin bzw. der Präsident des Landtags dem Ministerpräsidenten unterbreiten."

2011 erhielten der langjährige Krupp-Manager Berthold Beitz und seine Ehefrau Else in Essen den Staatspreis. Mit der Auszeichnung wurde ihr Einsatz zur Verteidigung der menschlichen Würde ausgezeichnet, so die Staatskanzlei damas. Else und Berthold Beitz hatten im Zweiten Weltkrieg in Polen Hunderte Juden vor dem Tod gerettet. Mit dem Preis wurde auch ihr großes Engagement für den Strukturwandel in Nordrhein-Westfalen gewürdigt.

Auch weniger prominente Menschen erhielten den NRW-Staatspreis. 2012 zeichnete die damalige Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) die Gründerin der Kölner Hilfsorganisation medica mondiale, die Ärztin und Frauenrechtlerin Monika Hauser, aus. Die vollständige Liste der Preisträger aus knapp 40 Jahren findet sich hier.

Der Wandel des Einwanderungslandes NRW zeigt sich ebenso beim Blick auf die Liste der Preisträger. 2017 übergab Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) den Preis in Köln an den Schriftsteller Navid Kermani. Der in Siegen als Sohn einer eingewanderten iranischen Familie geborene Autor trage durch "kluge Gedanken, kritische Betrachtungen und differenzierte Argumentation" zu einem guten Zusammenleben in NRW, Deutschland und Europa bei, so Laschet, der im Kabinett Rüttgers einst Integrationsminister war.

Die Laudatio auf Kermani hielt der damalige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU). Über die Jahre haben immer wieder namhafte Laudatoren die Lebensleistung der Preisträger gewürdigt: 2009 nahm EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek stellvertretend für das ganze Parlament den Preis entgegen. Die Laudatio hielt der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne). Bei Habermas war es 2006 der einstige SPD-Chef Hans-Jochen Vogel.

2022 hieß der NRW-Staatspreisträger Michael Schumacher. Der frühere Formel-1-Weltmeister wurde "für seine herausragenden internationalen sportlichen Leistungen als Rennfahrer von Weltrang, in Anerkennung seines vorbildlichen sozialen Engagements und für seine Verdienste um sein Heimatland Land Nordrhein-Westfalen" geehrt. Familienangehörige Schumachers nahmen den Preis entgegen. Die Laudatio hielt Ex-Ferrari-Teamchef Jean Todt. 

Als politische Geste wurde 2023 die Ehrung für Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) von Beobachtern bewertet. Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) überreichte den Staatspreis damit an eine Politikerin, deren Bezugspunkte zu NRW überschaubar sind. Offenbar ging es Wüst eher darum, seine Verbundenheit zu Merkel zu bekunden. "Mit ihrer Entscheidung im Jahr 2015, Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen, hat Angela Merkel den Abschottungstendenzen in Europa aus christlicher Grundüberzeugung Mut und Menschlichkeit entgegengesetzt", so Wüst im vergangenen Jahr. Mittlerweile hat der Ministerpräsident seine politische Rhetorik geändert und will "irreguläre Migration" beenden. Außer Merkel hat bisher kein Ex-Kanzler den Preis erhalten.

Laudator Wim Wenders

Hosen-Freund Wim Wenders erinnert in seiner Laudatio an den "fast anachronistischen, antizyklischen" Start der Band zu Beginn der 1980er-Jahre, als die Punk-Bewegung in England schon "wieder auf dem absteigenden Ast war - sozusagen tote Hose". Der Erfolg der Band liege darin begründet, dass es ihr um Erfolg nie gegangen sei, so der berühmte Filmemacher. Auch er erwähnt das langjährige Engagement der Musiker - vom Kampf gegen Rechtsextremismus - und dies seit Jahrzehnten, bis zur Unterstützung von Pro Asyl.

Seitenhieb aus Bayern zur K-Frage der Union

Im musikalischem Rahmenprogramm singen und spotten die Well Brüder, alte Freunde der Hosen aus Bayern. Sie sollen Wüst etwas von Ministerpräsident Söder (CSU) ausrichten, trällern sie. Es sei schade, dass er sich für Merz, das "Ekel aus dem Warsteiner-Land", (als Kanzlerkandidat der Union) entschieden habe.

Die Toten Hosen halten den Staatspreis in ihren Händen

Am Ende betreten die Hosen die Bühne. Wüst ermuntert sie, "nicht so schüchtern" zu sein und näher zu kommen. Er überreicht den vier anwesenden Bandmitgliedern Andreas von Holst (Kuddel), Michael Andreas Meurer (Andi), Andreas Frege (Campino) und Stephen George Ritchie (Vom) die Staatspreis-Urkunden. Die 25.000 Euro, die sie für den Preis bekommen, wollen sie für zwei soziale Einrichtungen spenden.

Campinos "Melting Pot" NRW

Die kurze Dankesansprache von Campino ist dann die vielleicht politischste Rede des Tages. Er macht sich etwas lustig darüber, dass man vor 40 Jahren noch von der NRW-Polizei überwacht und fotografiert worden sei vor dem legendären "Ratinger Hof" in der Altstadt. Und nun bekomme man den Staatspreis. Vor allem aber liefert der Frontmann eine kleine Liebeserklärung an das Land Nordrhein-Westfalen ab.

Nordrhein-Westfalen sei "wirklich ein außergewöhnliches Land, ein ganz ganz tolles Land", so Campino. "Ich persönlich hätte nirgendwo anders geboren werden können, denn das Land ist von den Briten bestimmt und zusammengesetzt worden", sagt der Sohn eines deutschen Vaters und einer englischen Mutter. "Ich gehöre natürlich nur in diesen komischen Melting Pot."

Die Zusammensetzung des Landes sei "eine ganz feine", "ein unheimlich schönes Gebräu". Campino lobt die Vielfalt des Landes - vom Fußball bis zu Kunst und Kultur. NRW bestehe zu fast einem Drittel aus Menschen mit Migrationshintergrund. Die AfD sei hier "relativ schwach vertreten". Es sei ein Grund, auf NRW stolz zu sein, so Campino, dass ausländerfeindliche Parolen in diesem Bundesland laut Umfrage am entschlossensten abgelehnt würden. Einen staatstragenderen Staatspreisträger kann sich eine Demokratie kaum wünschen.

Über dieses Thema berichten wir im WDR am Mittwoch auch im Fernsehen und im Hörfunk.