Ärger um Flüchtlinge in Mülheim-Raadt
Lokalzeit Ruhr. 18.07.2023. 25:33 Min.. Verfügbar bis 18.07.2025. WDR. Von Daniela Rüthers-Becker.
Anwohner beklagen Zustände rund um Flüchtlingsunterkunft in Mülheim-Raadt
Stand: 19.07.2023, 08:34 Uhr
Lärm, Dreck, Drogen: Die Vorwürfe wegen einer Unterkunft mit 600 Flüchtlingen wiegen schwer. Mehrere Ministerien und Behörden können es nun in einem Brandbrief der Anwohner nachlesen.
Von Daniela Becker
Die Neubausiedlung an der Theo-Wüllenkemper Straße in Mülheim-Raadt gilt als Idyll für Familien. Gepflegte Reihenhäuser mit Garten, ein Spielplatz in der Straße, jeder kennt jeden. Doch seit vier Wochen leben in nur wenigen Metern Entfernung gut 600 neue Nachbarn in einem ehemaligen Bürogebäude an der Parsevalstraße. Es wurde zur Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) des Landes. Es gibt massive Probleme im "gewünschten guten Miteinander".
"Die Lage hat sich in den vergangenen Tagen leider deutlich zugespitzt", schreibt ein Anwohner in einem Brief. Er ist adressiert an Innenminister Herbert Reul (CDU), Familienministerin Josefine Paul (Grüne), die zuständige Bezirksregierung in Düsseldorf und den Oberbürgermeister von Mülheim, Marc Buchholz (CDU). Eine weitere Anwohnerin, die anonym bleiben möchte, ergänzt schriftlich: Man sei nicht "gegen Flüchtlinge in diesem Land", nur die hohe Anzahl an Menschen stelle "ein massives Problem" für Mülheim-Raadt dar. Dem WDR liegen beide Briefe vor.
Lärm, Müll, Drogen – sogar ein Einbruchsversuch wurde gemeldet
Gerade in den Abend- und Nachtstunden würden Geflüchtete lautstarke Telefonate auf dem Gelände und in den Nebenstraßen führen. An Schlaf sei teilweise nicht zu denken, heißt es. In und um die Zentrale Unterbringungseinrichtung komme es zu vermehrtem Müllaufkommen. Essensreste landeten in privaten Papiermülltonnen. Leere Alkoholflaschen und Restmüll würden achtlos entsorgt.
Zudem sei der Spielplatz schnell überfüllt. "Es müssen mehr Spielmöglichkeiten geschaffen werden", so die Forderung der Anwohner. Außerdem nutzten junge Männer den Spielplatz zum abendlichen Alkohol trinken. Das müsse "unterbunden werden".
Auch Drogen sollen von Geflüchteten konsumiert werden. Ein Anwohner berichtet zudem von einem Einbruchsversuch in seine Garage am vergangenen Wochenende, aufgezeichnet von einer Überwachungskamera. Die Täter seien von der Polizei als Bewohner der ZUE identifiziert worden, schreibt er in seinem Brandbrief an Politik und Behörden. Inzwischen sollen die beiden Personen in andere Einrichtungen verlegt worden sein.
Stadtspitze führt Gespräche mit dem Regierungspräsidenten
Die Sozialdezernentin der Stadt Mülheim, Daniela Grobe, äußert sich gegenüber dem WDR und bestätigt: "Auch wir sind der Auffassung, dass hier zum Teil Grenzen überschritten werden und dass es einen akuten Handlungsbedarf gibt." Man nehme die nachvollziehbaren Sorgen und Beschwerden der Nachbarinnen und Nachbarn der ZUE sehr ernst.
Oberbürgermeister Marc Buchholz (CDU) hat am Dienstag Gespräche mit dem Regierungspräsidenten von Düsseldorf, Thomas Schürmann, über die aktuelle Lage in Mülheim-Raadt geführt.
Anwohner fordern schnelles Handeln: Sicherheitsempfinden gestört
Um im Austausch zu bleiben, sollte es regelmäßige Treffen von Anwohnern mit Vertretern von Stadt und Land geben. Doch dieser Jour fixe "hat bis jetzt noch kein einziges Mal stattgefunden".
Außerdem fordern die Anwohner mehr Sicherheitspersonal, auch außerhalb der Flüchtlingsunterkunft. Man erwarte "eine zeitnahe Rückmeldung mit konkreten Lösungsvorschlägen".
Beschwerden in Deutschland keine Seltenheit
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, erklärte im Interview mit dem WDR, solche Brandbriefe kenne man auch aus anderen Teilen Deuschlands. "Das ist ein Signal, dass die Kommunen an ihre Kapazitätsgrenzen kommen bei der Unterbringung", sagte er.
Ein Problem seien fehlende dezentrale Einrichtungen. Diese könnten die Städte entlasten. Es gehe nicht um fehlende Gelder, sondern um ein geordnetes Verfahren. "Ich hoffe sehr, dass unsere Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern, das ist zugesagt im November, ein neues Konzept vorstellt.“
Wie lässt sich potenzieller Ärger vermeiden?
Landsberg betonte, das Land müsse besser mit den Menschen vor Ort kommunizieren, wenn Einrichtungen wie in Mülheim geschaffen werden. Es brauche außerdem ein solides Sicherheitskonzept und bauliche Maßnahmen gegen Lärm.
"Ist doch klar: Wenn Menschen geflohen sind, sind sie teilweise traumatisiert. Dass sie nachts nicht leise sind und um 19 Uhr ins Bett gehen, ist auch logisch." Das sei bereits vorher bekannt und man müsse sich entsprechend darauf einstellen.