Flüchtlingsunterkunft in Bergisch Gladbach

Ukraineflüchtlinge: Zunehmend Probleme bei Verteilung

Stand: 18.09.2022, 07:00 Uhr

Nach dem Aufnahme-Chaos im Frühjahr war im Sommer Ruhe eingekehrt. Doch jetzt müssen wieder mehr Menschen aus der Ukraine untergebracht werden. Die Kommunen sind unter Druck.

Von Cedrik PelkaCedrik PelkaMartina KochMartina Koch

Annette Feistl koordiniert die Flüchtlingshilfe des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Bergisch Gladbach. In drei Unterkünften leben aktuell rund 500 Menschen aus der Ukraine, 800 sind in privaten Haushalten untergekommen. Das Schwierigste sei derzeit, den Kindern gerecht zu werden: "Im Kindergarten gibt es derzeit in der Stadt quasi keine Plätze", so Annette Feistl. Die Grundschulkinder wurden sofort untergebracht, aber die Älteren müssen noch auf einen Platz an der weitführenden Schule warten. Der zuständige Rheinisch-Bergische Kreis bestätigt dem WDR eine Wartezeit von bis zu acht Wochen.

Wartelisten für Schulkinder aus der Ukraine

Zu sehen ist Annette Feistl vom DRK Rheinisch-Bergischer Kreis

Annette Feistl, DRK Rheinisch-Bergischer Kreis

Landesweit lernen inzwischen fast 35.000 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine in Schulen. 2.100 warten noch auf einen Platz. Die Wartelisten unterscheiden sich von Region zu Region deutlich. Im Regierungsbezirk Düsseldorf warten zum Beispiel 1.019 Kinder, im Regierungsbezirk Münster nur 22.

Die schwierige Suche nach Schulplätzen ist nur ein Symptom der sich anbahnenden Überforderung der Kommunen. Verbände und Politik gehen davon aus, dass die Zahl der Kriegsvertriebenen aus der Ukraine im Herbst und Winter weiter steigen könnte. Seit Kriegsbeginn kamen mehr als 214.000 Menschen allein in NRW an.

Anzahl der ukrainischen Kinder und Jugendlichen auf Wartelisten, Stichtag 30.8.2022
RegierungsbezirkAnzahl Kinder auf Wartelisten
Arnsberg362
Detmold576
Düsseldorf1019
Köln180
Münster22
Gesamt2159

Quelle: Schulministerium NRW

Kommunen fordern mehr Unterstützung vom Land

Die Solidarität in den Kommunen ist weiter groß – zum Beispiel in Bergisch Gladbach. Die vom Krieg schwer getroffene Stadt Butscha ist hier Partnerstadt. Bürgermeister Frank Stein (SPD) war vor Ort und hat die Zerstörungen gesehen. In seiner Stadt werden jetzt noch mehr Container aufgestellt, damit mehr Menschen Zuflucht finden können.

Frank Stein, Bürgermeister Bergisch Gladbach

Bürgermeister Frank Stein (SPD)

Bürgermeister Stein fordert mehr Unterstützung vom Land: "Ich erwarte schon eine berechenbare und gerechte Verteilung und einen vernünftigen Ablauf. Ich finde, die Bezirksregierungen und der Bund hatten jetzt genügend Zeit, um sich darauf vorzubereiten." Immer noch würden Menschen sehr kurzfristig den Kommunen zugewiesen.

Landesregierung warnt vor Überlastung

Auch das NRW-Flüchtlingsministerium warnt vor einer Überlastung. In einem Brief, der vergangene Woche an das Bundesinnenministerium geschickt wurde und dem WDR vorliegt, drohte das Land mit einem Aufnahmestopp. Der Grund: Andere Bundesländer würden keine Geflüchteten mehr aufnehmen, obwohl sie ihre Aufnahmequote noch nicht erfüllt hätten.

Offenbar hat dieser Brief Wirkung gezeigt: "Es gibt jetzt eine Verständigung auch unter den Bundesländern, mit dem Bund gemeinsam wieder zu einer regulierten und koordinierten Verteilung zu kommen. Das ist wichtig, damit alle gemeinsam auch diesen Herausforderungen gerecht werden können", so NRW-Flüchtlingsministerin Josefine Paul (B'90/Grüne). Das habe in den letzten Wichen nicht so funktioniert, wie das eigentlich vorgesehen sei: "Wir als Nordrhein-Westfalen nehmen auch weiterhin Geflüchtete auf“, verspricht Paul.

Um den Kommunen zu helfen, will NRW bis Oktober die Plätze in den Landeseinrichtungen von 4.040 auf 4.500 ausbauen. Das würde den Kommunen mehr Zeit geben, sich auf Neuankömmlinge vorzubereiten und vernünftige Unterbringungen zu organisieren.

Verwirrung um Aufnahmezahlen

In dem Brief aus der vergangenen Woche hieß es auch, dass nur drei Länder im Moment Geflüchtete aufnehmen. Die anderen hätten sich dafür gesperrt. Auf Westpol-Anfrage heißt es aus dem Bundesinnenministerium, das könne sich stündlich ändern. Sperren "können wenige Stunden bis wenige Tage oder Wochen andauern. Dies ist von der konkreten Situation (z.B. dem Ausfall von IT-Systemen, etc.) abhängig und entspricht dem üblichen Verfahren", so das Ministerium.

Laut einer WDR-Abfrage in dieser Woche haben Thüringen, Niedersachsen, Hamburg, Baden-Württemberg, das Saarland und NRW ihr Aufnahmesoll noch nicht erreicht (Stand 15.09.2022).

Streit um Finanzierung

Doch Unterbringung ist das eine, die Finanzierung das andere. Bisher durften die Kommunen alle Kosten, die durch den Ukraine Krieg entstehen, aus ihrer Haushaltsplanung herausrechnen. Das zuständige Kommunalministerium will diese Regelung verlängern. Damit entspreche man einem Wunsch der Städte und Kreise, so das CDU-geführte Ministerium.

Doch Bürgermeister Frank Stein (SPD) aus Bergisch Gladbach sieht darin keine Dauerlösung: "Ich erwarte richtiges Geld für richtige Probleme. Da müssen Bund und Länder gemeinsam handeln. Und da erwarte ich einen Bund-Länder Gipfel, der auch einen richtigen Rettungsschirm mit richtigem Geld für die Kommunen beinhaltet", so Stein.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagt dazu auf WDR-Anfrage: "Für einen weiteren Austausch auf Spitzenebene stehe ich jederzeit bereit." Mehr Geld verspricht sie jedoch bislang nicht.

Über dieses Thema berichtet der WDR auch in der Sendung Westpol, am 19.9.2022, ab 19:30 Uhr.