Cum-Ex: Land NRW soll Bankier Olearius Entschädigung zahlen

Stand: 08.11.2023, 15:12 Uhr

Das Land NRW soll 10.000 Euro an Ex-Bankier Olearius zahlen, weil Beamte zu unrecht Tagebücher weitergaben. Für seinen Anwalt verletzte das die Unschuldsvermutung.

Von Philip Raillon

Der Cum-Ex-Skandal beschäftigt die NRW-Justiz seit Jahren. Hunderte Millionen Euro sollen dem Staat durch Steuerhinterziehungen entgangen sein. Einer der Hauptverdächtigen ist der ehemalige Chef der Hamburger Warburg Bank, Dr. Christian Olearius. Seit September steht er deswegen vor dem Landgericht Bonn. Der Vorwurf: Besonders schwere Steuerhinterziehung.

In einem anderen Verfahren hat Olearius nun vor dem Landgericht Köln aber einen Teilerfolg erzielt - und soll Geld bekommen. Für seinen Anwalt ist das ein wichtiger Schritt. Denn es sei um die Unschuldsvermutung gegangen, so Rechtsanwalt Dr. Klaus Laundry.

Genaue Quelle bei den Ermittlungsbehörden unbekannt

Konkret ging es bei dem Verfahren vor dem Landgericht Köln um die Weitergabe von Olearius Tagebüchern an Journalisten. Diese spielen im Cum-Ex-Skandal immer wieder eine Rolle. Nach Recherchen mehrerer Medien hat Olearius dort unter anderem Gedanken zu Treffen mit dem damaligen Ersten Bürgermeister aus Hamburg und heutigem Kanzler Olaf Scholz (SPD) notiert – dies wurde der Öffentlichkeit erst durch die Medienberichte über die Tagebücher bekannt.

Weil der Inhalt von Tagebüchern aber aus Ermittlerkreisen an die Journalisten gelangt sein musste, wollten Olearius Anwälte Entschädigung vom Land haben, Vor dem Landgericht Köln bekamen sie nun in erster Instanz Recht. Die Kammer war sich sicher, dass die Quelle auf Seiten der Ermittlungsbehörden zu suchen ist.

Dieses Durchstehen sei aber rechtswidrig gewesen, die Beamten hätten eine Amtspflicht verletzt. „Das beklagte Land trifft die Pflicht, sensible Daten so aufzubewahren, dass sie vor einem unbefugten Zugriff geschützt sind“, heißt es in dem Urteil, das dem WDR vorliegt. Wer genau die undichte Stelle war, konnte das Gericht nicht herausfinden.

Ermittlungen nach undichter Stelle ohne Ergebnis

Aus dem gleichen Grund hatte die Staatsanwaltschaft Bonn im vergangenen Jahr bereits ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt geführt und eingestellt. Damals ging es darum, welche konkrete Person die Tagebücher weitergegeben hatte. Die Ermittler aus Bonn fanden sie aber nicht. Dass die Veröffentlichung durch die Medien aber rechtmäßig war, hatte der Bundesgerichtshof im Frühjahr festgestellt.

Land- und Amtsgericht in Köln

Amtsgericht Köln

Offen blieb die nun abgeurteilte Frage um die Amtspflichtverletzung, also die Fehler des Landes und seiner Beamten. Die genaue Quelle, also welche Person, war dafür nicht relevant. Nach Auffassung der Kölner Richter sei nämlich ausgeschlossen, dass die Tagebuch-Quelle aus dem Umfeld von Olearius selbst komme. Dazu befragte die Kammer mehrere Zeugen, etwa die Ehefrau, Mitarbeiter und einen Anwalt von Olearius.

LG Köln: Olearius erlitt Schaden in Höhe von 10.000 Euro

Gleichzeitig entstand Christian Olearius, nach Auffassung des LG Köln, aber ein Schaden. Denn die Notizen und Gedanken in den Tagebüchern gehören zum Persönlichkeitsrecht. Da dieses durch die Weitergabe an die Medien verletzt wurde, sprachen die Richter Olearius 10.000 Euro Entschädigung zu.

Seine Anwälte hatten ursprünglich 50.000 Euro gefordert. „Uns ging es aber nicht um das Geld“, stellte Dr. Klaus Landry gegenüber dem WDR klar. Anwälte seiner Sozietät vertraten Olearius bei dem Prozess, er selbst vertritt Olearius in anderen Verfahren und war Zeuge vor dem Landgericht Köln. Für den Rechtsanwalt der Wirtschaftskanzlei Graf von Westphalen war die Weitergabe ein Verstoß gegen die grundgesetzlich garantierte Unschuldsvermutung.

Die Landesregierung äußerte sich auf Anfrage nicht zu dem Urteil, da es noch nicht rechtkräftig ist. Derzeit werde geprüft, ob man Berufung gegen die Entscheidung einlege.

Landtags-Opposition verweist auf rechtsstaatliche Regeln

Dr. Werner Pfeil

Werner Pfeil, FDP

Die Opposition im Landtag stellte hingegen klar, dass Daten im Ermittlungsverfahren geschützt sein müssen. Das gelte insbesondere für höchstpersönliche Daten wie Tagebücher, sagte der FDP-Abgeordnete Dr. Werner Pfeil dem WDR. Ähnlich auch die Einschätzung der SPD-Fraktion. „Das darf nicht von Fall zu Fall variieren“, so Sonja Bongers (SPD).

Markus Wagner aus der AfD-Fraktion hält das aktuelle Urteil hingegen für ein Zeichen von Korruption und Filz in der Justiz. Dem widerspricht die FDP-Fraktion. Anzeichen von Korruption könne er nicht sehen, so Werner Pfeil, Vorsitzender des Rechtsausschusses im Landtag.

Über dieses Thema berichtet der WDR am 8.11.2023 auch in der Sendung Westblick auf WDR 5.