Trotz eines leicht positiven Trends im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 gibt es mehrere besorgniserregende Entwicklungen in der Verkehrsunfallstatistik 2022. Dies betonte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Mittwoch in Düsseldorf bei der Vorstellung der Zahlen. Sorgen bereitet demnach der Anstieg der tödlich verunglückten Pedelec-Fahrer, viele von ihnen über 65 Jahre. Hinzu kommen tödliche E-Scooter-Fahrten und Tote bei illegalen Autorennen.
Insgesamt ereigneten sich 2022 rund 610.000 Verkehrsunfälle in NRW - zum Vor-Corona-Jahr 2019 ein Minus von 9,5 Prozent, zum Pandemiejahr 2021 ein Anstieg um 4,8 Prozent. 451 Menschen starben im vergangenen Jahr in NRW bei Verkehrsunfällen (26 mehr als 2021, fünf weniger als 2019). Fast 12.500 Menschen wurden schwer verletzt. Das sind etwa 1.000 weniger Schwerverletzte als noch 2019. Die Zahl der Leichtverletzten nahm hingegen zu.
Insgesamt sind in NRW laut Statistik zudem zwölf Menschen bei illegalen Autorennen getötet worden - 2021 hatte es hier nur einen Todesfall gegeben. Die Polizei habe rund 2.000 illegale Autorennen zur Anzeige gebracht, sagte Reul: "Diese Unfälle sind alle genauso tragisch wie vermeidbar."
Fast 50 getötete Pedelec-Fahrer
Mit einem E-Bike oder Pedelec verunglückten 2022 über 6.700 Menschen. 2021 waren es noch 4.700. Dabei kamen 48 Menschen ums Leben - fast zwei Drittel der tödlichen Verunglückten waren über 65 Jahre alt. Die Hälfte war sogar älter als 75.
Ältere Menschen verunglücken besonders oft mit dem E-Bike
Dass immer mehr Menschen mit den elektrisch angetriebenen Fahrrädern verunglücken liegt auch daran, dass diese immer stärker verbreitet sind. Im Kreis Herford zum Beispiel ist die Zahl der Pedelec-Unfälle um 88 Prozent gestiegen. Ähnlich ist die Situation in Dortmund, wo im vergangenen Jahr 149 Pedelec-Fahrer verunglückt sind, doppelt so viele wie im Jahr davor. Auffällig überall: Unter den Verunglückten mit Pedelec sind viele Menschen im Rentenalter.
E-Bike-Simulator in Münster
"Mit Blick auf die Pedelec-Nutzung unterschätzen gerade ältere Fahrer das höhere Gewicht und die stärkere Beschleunigung", sagt Roman Suthold vom ADAC, "Wir empfehlen deswegen, den sicheren Umgang mit dem Pedelec regelmäßig zu üben. So lassen sich nicht nur Stürze, sondern auch viele gefährliche Situationen im Straßenverkehr vermeiden." In Münster hat die Polizei dafür einen eigenen Simulator. Die Teilnehmer der Sicherheitstrainings lernen damit, welche Gefahren das Fahrradfahren mit einem E-Bike mit sich bringt. Einen solchen Simulator führte Reul auch vor.
Mehr Unfälle mit E-Scootern
Auch die Zunahme der E-Scooter im Straßenverkehr hinterlässt in der Unfallstatistik Spuren. In Duisburg wurden im Jahr 2021 bei E-Scooter-Unfällen 22 Menschen verletzt, im vergangenen Jahr waren es schon fast dreimal so viele. Die Situation ist in vielen anderen Städten, zum Beispiel Gelsenkirchen oder Münster, ganz ähnlich. Bei diesen Unfällen sind die meisten Verletzten jung, ein Drittel von ihnen ist zwischen 18 und 24 Jahren alt.
Auch in diesem Bereich versucht die Polizei durch Präventionsarbeit Unfälle zu vermeiden. So werden zum Beispiel Erstsemester an der Universität Münster über die Gefahren von E-Scootern aufgeklärt.
2022 starben in NRW erstmals drei Menschen bei Unfällen mit einem E-Scooter. 1.620 Menschen wurden landesweit bei Unfällen mit den elektrischen Rollern verletzt (plus 66 Prozent).
Der Innenminister plädierte aber dennoch nicht für eine Helm- oder Führerscheinpflicht für E-Scooter. Er setzt weiter auf Freiwilligkeit. Bei Pedelecs empfahl er gerade Älteren spezielle Kurse bei der Polizei. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club in Nordrhein-Westfalen fordert angesichts der vielen Pedelec-Unfälle "mehr Tempo beim Ausbau einer sicheren Radverkehrsinfrastruktur". Es müsse "endlich Schluss sein mit dem Flickteppich aus zu schmalen und kaputten Radwegen".
Reul warnt vor Cannabis-Freigabe
Mit Blick auf die bundespolitische Diskussion über eine Freigabe von Cannabis warnte Reul vor den Auswirkungen auf Straßenverkehr. Bei einer Legalisierung würden sich "noch mehr Menschen im Drogenrausch hinters Steuer setzen", sagte der Innenminister. Die Anzahl der Unfälle mit Drogen stieg 2022 auf 637 (plus 30 Prozent gegenüber 2021). Die Polizei zählte zudem 3.345 Unfälle unter Alkoholeinfluss (plus 28 Prozent).