Windenergie im Jahr 2023: Zuwachs bei Bau und Genehmigungen
Stand: 10.01.2024, 16:05 Uhr
In Nordrhein-Westfalen sind 2023 mehr Windräder neu in Betrieb gegangen als im Vorjahr. Die Politik muss das Tempo dennoch beschleunigen, um die eigenen Ziele zu erreichen.
Von Tobias Zacher
Im vergangenen Jahr sind in Nordrhein-Westfalen 112 Windräder neu in Betrieb gegangen. Das geht aus vorläufigen Zahlen der Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) hervor, die der Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE) am Mittwoch bekannt gab. Dieser Zubau bedeutet ein Plus von 14 Prozent im Vergleich zum Jahr 2022. Damals wurden 98 Windräder neu ans Netz gebracht.
Ausbauzahlen reichen noch nicht für politische Ziele
Trotz des Aufwärts-Trends: Damit wurden in NRW auch in 2023 zu wenige Anlagen neu aufgestellt, um die selbst gesetzten Ziele der Landesregierung aus CDU und Grünen zu erreichen: 1.000 zusätzliche Windräder bis zum Ende der Legislaturperiode im Mai 2027 verspricht die Koalition seit ihrem Antritt. Das entspricht durchschnittlich 200 neuen Windrädern pro Jahr - ein Tempo, das unter Schwarz-Grün seit Mitte 2022 noch nie erreicht wurde.
Der LEE gab sich dennoch vorsichtig optimistisch: "Der Windenergieausbau im Land hat nach der politisch-administrativen Flaute in den Vorjahren 2023 tatsächlich begonnen Fahrt aufzunehmen", kommentierte der Vorsitzende Hans-Josef Vogel. "Allerdings muss dieses Tempo weiter gesteigert werden, damit die Landesregierung ihre eigenen Ziele erreicht", sagte Vogel. Sein LEE vertritt die Interessen der Unternehmen in der Erneuerbare-Energien-Branche.
Deutliche Steigerung bei den Genehmigungen
Zugleich gibt es eine erhebliche Steigerung bei der Genehmigung neuer Windräder: 322 Anlagen bekamen im vergangenen Jahr eine Zulassung der Behörden. Sie können in den kommenden Jahren gebaut werden. Mit diesem Wert liegt NRW im bundesweiten Jahresvergleich auf Platz eins, noch vor Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Diese Spitzenposition solle "auch beim konkreten Ausbau der Anspruch für die nächsten Jahre sein", forderte Vogel.
Die 322 Anlagen, die im vergangenen Jahr genehmigt wurden, können nach ihrem Bau eine Leistung von 1.700 MW bringen. Dieses Volumen bedeutet mehr als eine Verdoppelung: Im Jahr 2022 waren noch Windräder mit einer Gesamtleistung von 865 Megawatt in NRW genehmigt worden.
SPD-Opposition: "Schneckentempo"
Die SPD, die im Landtag in der Opposition sitzt, kritisierte die Windausbau-Bilanz - und machte eine andere Rechnung auf: "Im vergangenen Jahr wurden in Nordrhein-Westfalen 112 Anlagen errichtet und 91 Altanlagen abgebaut. Im Saldo ist das mit 21 Windrädern ein Ausbau immer noch nur im Schneckentempo. Schwarz-Grün müsste noch achtmal wieder gewählt werden, um ihr selbst gestecktes Ziel zu erreichen", spottete André Stinka mit Blick auf das Tausend-Windräder-Ziel der Landesregierung. Von diesem Vorhaben bleibe "unterm Strich nicht viel übrig", so der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion.
Zum Stichtag 31. Dezember sind nun 3.642 Windräder mit einer Leistung von 7.133 Megawatt in NRW in Betrieb. Zum Vergleich: Das Großraftwerk Datteln 4 hat eine Leistung von 1.100 Megawatt. Es gilt als eins der modernsten Steinkohle-Kraftwerke überhaupt.
Mit Abstand die meisten Windräder stehen im Kreis Paderborn. Auch in den Kreisen Steinfurt, Borken und Soest stehen hunderte Anlagen. Am anderen Ende der Skala stehen die dicht besiedelten Großstädte in den Ballungszentren, zum Beispiel Bochum, Oberhausen, Düsseldorf, Köln oder Bonn. Dort stehen gar keine Windräder
Wirtschaft will weniger Bürokratie und mehr Transportgenehmigungen
Die Unternehmen formulierten ihre Forderungen an die Politik: Die Genehmigungen müssten unbürokratischer ablaufen. Zugleich brauche es schnelle Transportgenehmigungen für die teils riesigen Bauteile der Windräder. Vorbild seien hier die Niederlande, wo die Zustimmung innerhalb von 15 Tagen erteilt würde. "Das Land NRW muss permanent das Bundesverkehrsministerium in die Pflicht nehmen, dessen Autobahn GmbH sich in den zurückliegenden Monaten als ganz, ganz großer Hemmschuh erwiesen hat", so Vogel.
Unternehmer schlägt "Industrie-Windstrom-Pakt" vor
Ein Thema, das die Erneuerbaren-Branche in 2024 vorantreiben will: Energieintensive Industrieunternehmen erzeugen ihren Strom selbst, durch Windräder auf dem eigenen Werksgelände. "Eine in jeder Hinsicht effiziente Lösung" nennt das Milan Nitzschke, Geschäftsführer des Windrad-Projektierers "SL Naturenergie". Die Produktionsbetriebe könnten ihre Energie so direkt per Kabel vom Windrad erhalten, ohne dass die Stromnetze dadurch belastet werden. Von dort müssten sie dann nur noch Elektrizität zukaufen, wenn kein Wind weht.
Doch bislang findet diese industrielle Eigenversorgung in NRW kaum statt. Das liege an hohen rechtlichen Hürden - die entsprechenden Gesetze sähen solche Szenarien noch kaum vor, so Nitschke. Er forderte deshalb einen "Industrie-Windstrompakt für NRW".
NRW-Wirtschaftsministerium verweist auf Beschlossenes
Das Wirtschafts- und Energieministerium des Landes teilte dazu mit, es unterstütze Windräder in Industriegebieten. Ein Sprecher verwies auf entsprechende Änderungen im Landesentwicklungsplan und in der Landesbauordnung. Demnach sind Industriegebiete neuerdings grundsätzlich "für die Windenergienutzung zu prüfen", auch mit geringeren Abstandsregeln auf Gewerbeflächen habe man im vergangenen Jahr entsprechende Erleichterungen beschlossen.