Run auf die Silvesterknaller Aktuelle Stunde 28.12.2024 42:51 Min. Verfügbar bis 28.12.2026 WDR Von Alexander Schwinning

"Lipstick-Effekt": Warum der Feuerwerk-Verkauf auch in Krisen boomt

Stand: 28.12.2024, 16:24 Uhr

Während sich der Einzelhandel in Deutschland über ein mäßiges Weihnachtsgeschäft beklagt, läuft es für die Hersteller von Böllern und Raketen richtig gut. Die Branche steuert auf ein weiteres Rekordjahr zu. Wie passt das mit der wirtschaftlichen Krisenstimmung zusammen?

Von Philipp Brost

Seit heute sind die Geschäfte wieder voll mit Feuerwerkskörpern. Besonders beliebt sind sogenannte Batterien und Verbundfeuerwerk. Einmal angezündet, schießen sie ihre Leuchtkugeln minutenlang in den Himmel.

Ein großes Verbundfeuerwerk kostet zwischen 100 und 200 Euro. Pyrotechnikhersteller machen mit solchen effektreichen Feuerwerken inzwischen 50 Prozent ihres Umsatzes, gefolgt von den klassischen Raketen mit 20 Prozent.

Die Zeit der schnöden Knaller scheint vorbei. Die Menschen wollen, dass Silvester glitzert – und lassen sich das auch einiges kosten. Hardcorefans geben beim Feuerwerksverkauf in Grevenbroich schon mal bis zu 1.000 Euro aus. "Das ist Feeling, man lebt dafür", sagt ein Kunde. 

180 Millionen Euro in einer Nacht

In diesem Jahr werden die Feuerwerkshersteller dadurch vermutlich einen neuen Umsatzrekord einfahren. Schon in den vergangenen beiden Jahren haben die Deutschen jeweils 180 Millionen Euro in die Luft gejagt, so viel wie in keinem Jahr zuvor.

Der Verband der pyrotechnischen Industrie (VPI) ist zuversichtlich, dass es dieses Jahr noch wird. Verbandgeschäftsführer Klaus Gotzen sagte dem WDR, dass die Händler im Vergleich zum Vorjahr 15 Prozent mehr Ware geordert haben. Im letzten Jahr waren viele Artikel schnell vergriffen, weswegen sie ihre Regale dieses Jahr besonders voll machen. 

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"Lipstick-Effekt": Sich etwas Kleines gönnen, wenn es für Großes nicht reicht

Wie es dazu kommt, dass die Menschen mehr Geld für Feuerwerk ausgeben, während es sonst in Deutschland wirtschaftlich nicht so gut läuft, lässt sich möglicherweise durch den sogenannten "Lipstick-Effekt" erklären. Gerade in Krisenzeit suchen sich die Menschen etwas Schönes, das ihnen Freude bereitet.

180 Millionen Euro Umsatz mit dem Verkauf von Feuerwerk WDR Studios NRW 28.12.2024 00:56 Min. Verfügbar bis 28.12.2026 WDR Online

Wenn sonst keine großen Ausgaben drin sind, gönnt man sich mal eine Kleinigkeit - zum Beispiel einen Lippenstift oder eben das Feuerwerk. Von der Knallerbse für wenige Cent bis zum Verbundfeuerwerk für über hundert Euro wird man mit jedem Budget fündig.

Dazu hat es etwas Romantisches: Ein Feuerwerk kann die Sehnsucht nach besseren Zeiten ausdrücken.

"Wenn das Jahr nicht gut gelaufen ist, legen die Menschen ihre Hoffnungen ins neue Jahr." Klaus Gotzen vom Pyrotechnikverband

Demnach sei der Umsatz der Pyrotechnik-Branche auch in Krisen stabil, sagt Klaus Gotzen. "Die Vergangenheit hat gezeigt: Auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten will man das neue Jahr farbenfroh mit Feuerwerk begrüßen".

Auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wollen viele sich Feuerwerk zum Jahresende gönnen. | Bildquelle: dpa / Frank Hammerschmidt

Feuerwerks- und Lippenstiftverkäufe kein Beweis für Wirtschaftskrisen

Auch echte Lippenstifte, beziehungsweise Kosmetikprodukte scheinen gefragt zu sein. Während der Handel allgemein über ein mäßiges Weihnachtsgeschäft klagt, lief es für die Parfümerie-Kette Douglas beispielsweise ausgesprochen gut. Umsatz und Gewinn sind laut Jahresbericht trotz Wirtschaftsflaute und höheren Lebenshaltungskosten der Menschen in Deutschland gestiegen.

Aber wir sollten in Feuerwerks- und Lippenstiftverkäufe nicht zu viel hinein interpretieren, sagt Bo Hyun Kim aus der ARD-Finanzredaktion. Manche Fachleute deuteten den "Lipstick-Effekt" zwar als Zeichen für wirtschaftlich schlechte Zeiten: "Es sind aber nur Beobachtungen, keine harten Beweise".

Unsere Quellen:

  • Nachrichtenagentur dpa
  • Verband der pyrotechnischen Industrie
  • WDR-Reporter vor Ort in Grevenbroich
  • Gespräch mit Bo Hyun Kim, ARD-Finanzredaktion