"Auf nach Lützerath!": Unter diesem Motto stand eine Großdemonstration, die heute in der Nähe des Braunkohletagebaus Garzweiler stattffand. Die Demonstranten hatten sich mittags von Keyenberg aus auf den Weg gemacht. Der Marsch endete in der Nähe von Lützerath, wo es eine Kundgebung gab.
Wie viele Menschen genau vor Ort waren, ist schwer abzuschätzen. Die Polizei ging ursprünglich von 8.000 Teilnehmern aus. Diese Zahl war offenbar deutlich zu niedrig gegriffen, räumte Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach schon am Vormittag ein. Am Abend sprach die Polizei von 15.000 Teilnehmern, die Veranstalter von 35.000.
Polizei setzt Wasserwerfer, Pfefferspray und Schlagstöcke ein
Am Nachmittag wurden laut Polizeiangaben immer wieder Absperrungen durchbrochen. "Einige Personen" seien in den Tagebau eingedrungen, andere würden versuchen, nach Lützerath vorzudringen. Laut Polizei sei Pyrotechnik in Richtung der Einsatzkräfte geflogen. Die Polizei setzte Pfefferspray, Schlagstöcke und Wasserwerfer ein, um Demonstranten daran zu hindern, die abgesperrten Bereiche zu betreten.
WDR-Reporter berichteten von einer Gruppe von mehreren hundert Menschen, die sich früh vom Gros der Demonstranten abgesondert und in Richtung Lützerath und Abbruchkante aufgemacht hätten.
Die größte Demo gab's am vergangenen Samstag. Mit einem großen Aufgebot wollte die Polizei verhindern, dass Teilnehmer der Demonstration in die abgesperrten Bereiche nach Lützerath oder zum Tagebau vordringen.
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Demonstranten an Abbruchkante: Kreis Heinsberg befürchtet "Lebensgefahr"
Die Leitstelle des Kreises Heinsberg forderte Demonstranten mittels einer Gefahrenmitteilung auf, sich von der Abbruchkante zu entfernen. "Bei Aufenthalt an der Abbruchkante des Tagebaus im Bereich Erkelenz-Lützerath besteht akute Lebensgefahr. Verlassen Sie umgehend den betroffenen Bereich." Wie viele Personen sich an der Abbruchkante befanden, war unklar. Aktivisten von "Ende Gelände Bremen" sprachen von "Tausenden Menschen". Am Abend wurde die Warnung wieder aufgehoben.
Lage beruhigt sich nach Sonnenuntergang
Nach der Aufforderung der Polizei, den unmittelbaren Bereich um das Dorf und die Abbruchkante zu verlassen, zogen sich viele Demonstranten zurück. Die Lage hätte sich bei Einbruch der Dunkelheit am frühen Samstagabend beruhigt, berichteten WDR-Reporter, viele Demonstranten seien nach Hause aufgebrochen. Die übrigen Menschen, die zunächst in dem abgesperrten Bereich geblieben waren, wurden von einer breiten Polizeikette auf dem Acker zurückgeschoben.
Unsere Reporterinnen und Reporter sind in Lützerath und Umgebung unterwegs und berichten im Live-Ticker ebenso wie der WDR Newsroom über die aktuellen Entwicklungen:
Rund um den Versammlungsort staute sich bereits am Mittag der Verkehr auf den Straßen. Um Keyenberg und an der Autobahnabfahrt Mönchengladbach-Wanlo gab es größere Staus. Auch die Bahn warnte über Twitter vor volleren Zügen und Verspätungen.
Anreise aus Österreich
Die Aktivisten kommen nicht nur aus Deutschland zur Demo. So wie Aktivist Gerhard, der mit einem Freund im Zelt auf dem Spielplatz in Keyenberg übernachtet. "Das ist eine der größten und wirkungsvollsten Demos, da nehm ich achteinhalb Stunden Fahrt aus Österreich in Kauf", sagt er dem WDR.
Greta Thunberg kritisiert Grüne und vergleicht Tagebau mit "Mordor"
Neben der deutschen Fridays-for-Future-Sprecherin Luisa Neubauer war auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg vor Ort. Sie sprach bei in einer Rede an die Demonstranten davon, das Dorf Lützerath nicht aufzugeben. "Lützerath ist noch da, und solange die Kohle noch in der Erde ist, ist dieser Kampf nicht zu Ende", sagte die 20-Jährige.
Bereits vor ihrer Rede kritisierte sie in einem Interview die deutschen Grünen wegen ihrer Unterstützung für den Abriss von Lützerath. Konzerne wie RWE müsse man eigentlich dafür zur Rechenschaft ziehen, wie sie mit Menschen umgingen, sagte sie. Sie verglich die Gegend im Braunkohlerevier mit "Mordor", dem Reich des Bösen im Roman "Herr der Ringe".
70 verletzte Polizisten
Nach Angaben der Polizei vom Sonntag sind im Zuge der Räumung insgesamt mehr als 70 Polizisten verletzt worden. Die meisten davon seien am Samstag bei den Protestaktionen verletzt worden, sagte ein Polizeisprecher. Die Verletzungen gingen aber nur zum Teil auf Gewalt durch Demonstranten zurück. Teilweise seien die Beamten zum Beispiel auch im schlammigen Boden umgeknickt. Auch Demonstranten seien verletzt worden. Wie viele es seien, wisse man nicht. Seit Beginn der Räumung seien etwa 150 Strafverfahren - etwa wegen Widerstands gegen Polizeibeamte, Körperverletzung und Landfriedensbruchs - eingeleitet worden.