Handgemenge im Parlament, verletzte Demonstranten und bedrohte Oppositionelle: Dass das politische Klima in Georgien derzeit von Gewalt und Einschüchterung geprägt ist, ist in den vergangenen Wochen immer wieder deutlich geworden.
Seit einem halben Jahr ist Georgien Beitrittskandidat der Europäischen Union. Ein neues Gesetz rückt diese Perspektive allerdings in weite Ferne. Der Ex-Sowjet-Staat am Schwarzen Meer steht zwischen russischer Einflussnahme und EU-Orientierung.
Breiter Protest gegen das neue "Agentengesetz"
Besonders umstritten war die Verabschiedung des Gesetzes gegen ausländische Einflussnahme durch das georgische Parlament in dieser Woche. Kritiker des Gesetzes fühlen sich an das russische „Agentengesetz“ von 2012 erinnert und sehen darin einen Versuch, die Opposition, den Nichtregierungssektor und unabhängige Medien zu unterdrücken.
Das georgische Gesetz, das bereits im vergangenen Jahr verabschiedet werden sollte, stieß auf heftigen Widerstand innerhalb der Bevölkerung. Rund Zweihunderttausend Menschen gingen nach der Verabschiedung auf die Straße.
Getragen wurden die Proteste von einem breiten Bündnis aus überwiegend städtischen und jungen, aber auch älteren Georgierinnen und Georgiern, berichtet ARD-Korrespondent Björn Blaschke, der die Proteste seit mehreren Wochen vor Ort beobachtet.
Die Rolle der EU
Die Europäische Union hat wiederholt ihre Unterstützung für die demokratischen Bestrebungen des Landes betont. Verschiedene Politikerinnen und Politiker sind nach Tiflis gereist. Neben dieser eher symbolpolitischen Anteilnahme brauche es dringend eine klare Kommunikation darüber, was es jetzt für die Aufrechterhaltung des Beitrittsstatus brauche, betont Björn Blaschke.
Ein Blick in die Zukunft
Die derzeitige Krise könnte Georgien in eine tiefere politische und gesellschaftliche Spaltung treiben. Umso relevanter erscheinen daher die Wahlen im Oktober. Diese werden zeigen, ob die Partei „Georgischer Traum“, die die Russifizierung maßgeblich vorantreibt, ihre Mehrheit aufrecht erhalten kann. Ob die Hoffnung Georgiens auf einen EU-Beitritt erfüllt wird, hängt von vielen Faktoren ab – auch von der Bereitschaft der internationalen Gemeinschaft, Georgien auf seinem Weg zu unterstützen.
Im Podcast "nah dran - die Geschichte hinter der Nachricht" erzählen unsere Reporterinnen und Reporter, was sie bei ihren Recherchen erlebt haben. Sie werfen einen Blick hinter die Nachrichten, hören Betroffenen zu und erleben selbst mit, wovon die meisten nur kurz in den wöchentlichen Schlagzeilen lesen. Näher ran als sie kommt keiner - egal ob im Ausland, in der Hauptstadt oder direkt vor unserer Tür in der Region.