Dennis Schröder am Ball, Einzelaktion

Basketball-Liga NBA: "Sklavenhändler" oder Vorbild für die Bundesliga?

Stand: 07.02.2025, 20:13 Uhr

Basketball-Star Dennis Schröder wird in der NBA verschifft wie eine Ware. Das stößt bei deutschen Fans auf Unverständnis. Doch im Grunde steckt dahinter das Ziel, die Liga spannend zu halten - im Gegensatz zur Fußball-Bundesliga.

Von Ingo NeumayerIngo Neumayer

"Am Ende des Tages ist es moderne Sklaverei. Jeder kann entscheiden, wohin du gehst, auch wenn du einen Vertrag hast." Mit diesen Worten hatte Basketballer Dennis Schröder noch am Montag die Praktiken in der NBA rund um den Wechsel von Superstar Luka Dončić kommentiert. Dončić wurde am Wochenende von seinem bisherigen Verein, den Dallas Mavericks, zu den Los Angeles Lakers transferiert - ohne sein Wissen und ohne seine Zustimmung.

Nur zwei Tage später hat es den Kapitän der deutschen Nationalmannschaft selbst erwischt: Schröder wurde am Mittwoch von den Golden State Warriors zu den Utah Jazz geschickt, und keine 24 Stunden später ging es dann schon weiter nach Detroit zu den Pistons. In seiner NBA-Karriere, die 2013 begann, hat Schröder inzwischen zehnmal den Verein gewechselt. Er hat in New York und Los Angeles gespielt, in Boston und Atlanta, in Oklahoma und sogar im kanadischen Toronto.

NBA-Trades: Jonglieren mit Millionengehältern

Dazu muss man wissen: Trades, also Tauschgeschäfte, sind in der NBA gang und gäbe. Die Spieler schließen ihre Verträge nicht mit den Vereinen ab, sondern mit der NBA selbst. Das hat einerseits Vorteile und verschafft den Spielern Sicherheit. Das meist über mehrere Jahre ausgehandelte Gehalt sowie die Laufzeit ändern sich nicht mehr, sobald der Vertrag einmal unterschrieben ist.

So weiß Franz Wagner, der 2023 zusammen mit Schröder die deutschen Basketballer zum Weltmeistertitel führte, jetzt schon, was er zwischen 2025 und 2030 in der NBA verdienen wird: mindestens 224 Millionen Dollar (ca. 206 Millionen Euro). Und zwar ganz egal, ob er bei Orlando Magic bleibt oder zu den Philadelphia 76ers wechselt, ob er fit ist oder verletzt, ob er das Team zur Meisterschaft führt oder mit Formtief auf der Bank sitzt.

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Der Nachteil dabei: Die Vereine können untereinander Spielertäusche aushandeln, ohne diese miteinzubeziehen oder auch nur zu fragen. Aber auch für einen Trade gibt es Regeln. Vereinfacht gesagt: Der Wert der Spieler, die gegeneinander getradet werden, muss gleich hoch sein. Wer einen Spieler holt, der 50 Millionen im Jahr verdient, muss dem anderen Team einen Gegenwert von 50 Millionen zurückschicken. Das kann entweder ein Superstar sein, der ebenfalls 50 Millionen verdient. Oder eben drei Spieler, von denen zwei 20 Millionen kriegen und einer 10 Millionen.

Schröder zählt in der NBA nicht zu den Superstars

Und hier kommt Dennis Schröder ins Spiel. Denn obwohl er bei der WM 2023 zum "Most Valuable Player" (MVP) gekürt wurde, ist er kein NBA-Superstar. Er bekommt zwar ein Jahresgehalt von 13 Millionen Dollar, damit liegt er aber in der NBA-Gehaltstabelle nur auf Platz 121. Das macht seinen Vertrag zur perfekten Verschiebemasse bei einem Mega-Trade: Er ist gut genug, um vielen Teams sportlich weiterzuhelfen, für NBA-Verhältnisse aber relativ billig.

Schröders Pech: Sein bisheriger Verein, die Golden State Warriors, wollte diese Woche unbedingt Jimmy Butler aus Miami holen. Der verdient knapp 50 Millionen im Jahr, und um diesen Betrag zu stemmen, musste Golden State mehrere Spieler abgeben - darunter auch Dennis Schröder.

Nun ist dem Multimillionär Schröder einerseits klar, dass er sich trotz allem in einer äußerst privilegierten Situation befindet, die im Grunde ein "Luxusproblem" darstellt, wie er im Interview mit NBC sagte.

Andererseits hat Schröder eine Familie mit drei kleinen Kindern und steht jetzt in Detroit mal wieder vor den üblichen Herausforderungen, die ein Umzug in eine neue Stadt auch für Spitzenverdiener mit sich bringt: Kitaplatz- und Wohnungssuche, Freunde finden und soziales Netz aufbauen. "Natürlich verdienen wir eine Menge Geld und können unsere Familien ernähren, aber wenn sie sagen: 'Du kommst morgen nicht zur Arbeit, du gehst woanders hin', dann können sie das entscheiden. Daran müssen sie ein bisschen was ändern."

Die Liga soll spannend und ausgeglichen sein

Auch wenn der Vergleich mit der "Sklaverei" übertrieben und wohl im Eifer des Gefechts gefallen ist, hat Schröder mit seiner Kritik bestimmt nicht Unrecht. Andererseits lässt sich an seiner aktuellen Situation gut das Konstrukt NBA erklären.

Denn diese Liga hat (genau wie die anderen US-Profiligen) zunächst nur ein Ziel: Sie will Geld verdienen. Viel Geld. Und das wird hauptsächlich durch den Verkauf der TV-Rechte sowie durch Merchandising erreicht. Doch anders als in Deutschland, wo König Fußball über allen anderen Sportarten thront, gibt es in den USA mehrere große Sportarten, die miteinander konkurrieren: Basketball, Football, Baseball und (mit Abstrichen) Eishockey.

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Serienmeister über ein Jahrzehnt? In der NBA undenkbar

Damit das Interesse am Basketball hochbleibt, muss die Liga spannend bleiben. Ein Serienmeister wie Bayern München, der elfmal hintereinander gewinnt? Mehr oder weniger fest betonierte Rollen für die Teams als Champions League-Aspiranten, graue Mittelfeld-Mäuse und potenzielle Absteiger, wie es in der Bundesliga der Fall ist? So genannte "Ausbildungsvereine", denen ihre guten Spieler regelmäßig von den reicheren Clubs abgeworben werden? Das alles schadet dem Interesse und letztendlich dem Geschäft, findet die NBA.

Das schlechteste Team bekommt den besten Nachwuchsspieler

Um die Liga, in der es keine Absteiger und somit auch keine Existenzsorgen gibt, spannend zu halten, hat die NBA mehrere Regeln aufgestellt. So sollen die Teams mehr oder weniger gleiche Voraussetzungen haben, damit kein Team den anderen finanziell und sportlich enteilt. Ein Teil davon ist das Trade-System, ein anderer sind die Spielergehälter.

Diese können nicht willkürlich festgelegt werden, sondern sind unter anderem daran geknüpft, wie lange ein Spieler schon in der Liga spielt und welche persönlichen Errungenschaften er bislang erreicht hat - etwa die Wahl zum MVP oder ins "All Star Team". Außerdem gibt es eine Obergrenze, wieviel ein Team für Spielergehälter ausgeben darf - aktuell 140 Millionen Dollar. Wer diesen "Salary Cap" überschreitet, muss Strafen zahlen und hat es im Wiederholungsfall schwerer, in der Zukunft Spieler zu holen.

Wenn Turbokapitalismus auf sozialistische Elemente trifft

Dazu kommt das Draft-System, das zusätzlich für einen Ausgleich sorgen soll: Beim Draft stehen die 60 besten Nachwuchsspieler der Welt zur Auswahl, die in die NBA wollen. Und je schlechter ein NBA-Team in der Saison abschneidet, desto besser sind die Chancen, beim Draft im kommenden Jahr zuerst auszuwählen und sich dort mit einem potenziellen künftigen Superstar zu verstärken.

Golden State Warriors werfen einen Korb

NBA: Zumindest in der Ausgeglichenheit ein Vorbild für die Bundesliga

Wenn man so will, verbinden sich in der NBA also Turbokapitalismus und fast schon sozialistische Motive - auch wenn das wahrscheinlich niemand in den USA so bezeichnen würde. Die Ergebnisse zeigen: Das Prinzip der Transparenz und Gleichmacherei funktioniert. In den vergangenen sechs Spielzeiten gab es sechs verschiedene Meister und die Karten werden jede Saison mehr oder weniger neu gemischt - ein Zustand, den sich viele Fußballfans auch für die Bundesliga wünschen wurden.

Dennis Schröder bezeichnete die NBA Anfang der Woche noch als "fucked up business". Damit mag er Recht haben. Aber es ist ein verdammt unterhaltsames Business.

Unsere Quellen:

  • Nachrichtenagenturen dpa, SID
  • NBC
  • USA Today

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