Werteunion-Frauen bei AfD-Treffen
03:26 Min.. Verfügbar bis 12.01.2026.
Nach "Geheimtreffen": Wie nah sich AfD und Identitäre in NRW stehen
Stand: 12.01.2024, 20:13 Uhr
In Potsdam sollen sich Vertreter der AfD mit einem ehemaligen Kopf der Identitären Bewegung (IB) getroffen haben, um Ideen zu millionenfachen Abschiebungen durchzuspielen. Offiziell betont die AfD gerne, dass sie nichts mit der IB zu tun hat. Wie sieht das in NRW aus?
Nach dem Bericht des Recherchenetzwerks Correctiv über ein Treffen hochrangiger AfD-Politiker mit Neonazis in Potsdam, ist die Diskussion über den Umgang mit der Partei wieder in vollem Gange. Thema bei der Zusammenkunft im November in einem Hotel waren demnach Pläne, wie man Ausländer, Migranten aber auch Deutsche, die nicht ins gewünschte Bild der Rechten passen, dazu bringen könne, das Land zu verlassen.
Parteien und Sozialverbände reagierten mit Verurteilungen und Warnungen auf den Correctiv-Bericht. Kritik gab es auch an der CDU, da zwei Mitglieder der parteinahen Werte-Union ebenfalls an dem Treffen teilgenommen haben sollen. Nahezu zeitgleich wurde die Debatte über ein AfD-Verbot erneut angestoßen.
Debatte um AfD-Verbot neu angestoßen
Während sich CDU-Chef Friedrich Merz klar gegen ein Verbotsverfahren aussprach, hält es Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) durchaus für geboten, sich einzelne Äußerungen, Personen und Gliederungen in der AfD anzuschauen, um Beweise für ein mögliches Gerichtsverfahren zu sammeln.
Unter anderem könnten dafür die Verbindungen der AfD zu rechtsextremen Organisationen interessant sein. Als Referent für die auf dem Treffen im November vorgestellten Abschiebungsideen hatten die Veranstalter Martin Sellner eingeladen. Der 35-Jährige ist einer der bekanntesten Vertreter der Neuen Rechten. Bis vergangenes Jahr war er Sprecher der Identitären Bewegung (IB) Österreich.
Von der IB stammt auch das Schlagwort "Remigration", das sie seit 2015 immer wieder in Verbindung mit Abschiebung und Vertreibung von Minderheiten nutzt. Ursprünglich kommt der Begriff aus der Exilforschung und ist auf die persönliche Biografie bezogen, etwa wenn man in das Land zurückkehrt, das man selbst - und nicht die Vorfahren - einmal verlassen hat. In der Form, in der ihn die IB nutzt, gilt er laut Verfassungsschutz als "ausländer- und islamfeindlich".
AfD und Identitäre Bewegung in NRW
Das ist auch die Identitäre Bewegung laut der Definition der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb). Demnach vertreten die Identitären die Theorie des Ethnopluralismus. Darin werden Menschen bestimmten Kulturkreisen zugeordnet, beispielsweise dem Abendland oder dem arabischen Kulturkreis. "Tatsächlich vertreten die Identitären klassische islamfeindliche, rassistische und demokratiefeindliche Positionen", heißt es in der Definition der bpb.
Dass sich AfD-Mitglieder sich mit einem Kopf dieser Organisation treffen, wundert WDR-Redakteur Christoph Ullrich nicht. "Sobald man sich die AfD in NRW unterhalb der Vorstandsebene anschaut, trifft man unweigerlich auf Mitarbeiter, die der IB angehören oder ihr zumindest nahe stehen", sagt Ullrich, der seit Jahren für den WDR über die Alternative für Deutschland berichtet.
Verbindungen zur neuen Rechten werden verschleiert
Daran ändere auch nicht, dass die IB auf der "Unvereinbarkeitsliste" der AfD steht. Sprich: Wer einer Organisation, die auf dieser Liste aufgeführt wird, angehört, kann nicht auch noch AfD-Mitglied sein. Die Partei will sich so zumindest äußerlich von verbotenen und verfassungsfeindlichen Gruppierungen abgrenzen, um dem Verfassungsschutz kein zusätzliches Material zu liefern.
AfD-Politiker Roger Beckamp bei einer Rede
Gerade in NRW versuchten viele AfD-Politiker daher, Verbindungen zur IB möglichst nicht zu öffentlich zu machen, sagt Ullrich. Ein Beispiel: Roger Beckamp, Bundestagsmitglied und Sprecher des AfD-Kreisverbandes Rhein-Sieg. Offiziell gibt es keine Bilder oder Berichte von ihm mit Mitgliedern der IB. Als 2018 bekannt wurde, dass er im Haus der Identitären Bewegung in Halle einen Vortrag halten sollte, erklärte die AfD-Fraktion in NRW kurz darauf, er habe sich in seiner Rolle als Dokumentarfilmer dort aufgehalten und distanziere sich von den Rechten.
Am Vokabular der Neuen Rechten bedient er sich trotzdem. Im August vergangenen Jahres sprach er bei einem Vortragsabend über "die Auswirkungen der Masseneinwanderung nach Deutschland und die Möglichkeiten, diese einzudämmen". Dabei nutzte Beckamp - genau wie Sellner bei dem Treffen in Potsdam - den Begriff "Remigration".
AfD-Kandidatin punktet mit Schlagwort der Identitären
Der gleiche Begriff fällt auch in dem Post, den die stellvertretende Sprecherin der AfD im Rhein-Sieg-Kreis, Irmhild Boßdorf, mit einem gemeinsamen Foto von dem Treffen auf Instagram postete. Auch sie selbst nutzt die Schlagworte der Identitären. Zum Beispiel Ende Juli auf der Europawahlversammlung der AfD in Magdeburg.
Irmhild Boßdorf bei einer Rede
Unter anderem mit ihrer Warnung, die Menschen in Deutschland sollten eher den "menschengemachten Bevölkerungswandel" als den menschengemachten Klimawandel fürchten, und der Forderung nach "millionenfacher Remigration" punktete sie bei den Delegierten. Am Ende landete sie auf den neunten Listenplatz für die Europawahl.
Weibliches Gesicht der Identitären in Deutschland
Boßdorfs Nähe zur IB beschränkt sich aber nicht nur auf ihre Wortwahl. Ihre Tochter Reinhild gehörte lange der Bewegung an und zählte während dieser Zeit nach Informationen der Amadeu-Antonio-Stiftung zu den weiblichen Gesichtern der Identitären Bewegung in Deutschland. Mittlerweile gehört sie der Frauengruppe Lukreta an, in der in erster Linie Frauen aus dem Umfeld der IB und der AfD organisiert sind.
Aus ihren Ansichten - auf im Bezug auf die Diskussionen um das "Remigrations"-Treffen in Potsdam - macht Reinhild Boßdorf keinen Hehl. In ihrem Instagram-Status teilte sie am Tag nach dem Erscheinen des Correctiv-Berichts eine Art Cartoon, in dem es darum geht, dass die Abschiebepläne der AfD genau der Grund sind, die Partei zu wählen.
Ursprünglich gepostet hatte das Bild Roger Beckamp.
Unsere Quellen:
- Correctiv-Bericht über "Geheimtreffen" der neuen Rechten
- Nachrichtenagentur dpa
- Bericht über Rechtsextremismus in NRW der Antonio-Amadeu-Stiftung
- Bundeszentrum für politische Bildung
- Instagram-Profile
- Recherchen von WDR-Reportern
Über dieses Thema berichten wir im WDR am 12.01.2024 auch im Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.