Ein Leben auf der Straße ist schon unter normalen Umständen sehr schwierig. Doch angesichts der frostigen Temperaturen haben es Obdachlose im Moment noch schwerer als sonst. Statt einer Heizung in den eigenen vier Wänden bleibt ihnen nur ein warmer Schlafsack, um die Minusgrade zu überstehen.
Die Wuppertaler Kälte-Koordinatorin Juliane Steinhard beschäftigt diese schwierige Lage.
Land verdoppelt Kältehilfen
Diese Menschen seien besonders gefährdet. "Bis hin zu Todesgefahr bei den kommenden Temperaturen." Eine Studie hat ergeben, dass es in NRW dreimal mehr Obdachlose gibt, als bislang statistisch erfasst. Das Land hat die Kältehilfen in diesem Winter daher verdoppelt.
Mit den Mitteln aus der Kältehilfe können die Träger und Initiativen beispielsweise Schlafsäcke, Decken und Isomatten zum Schutz vor Kälte beschaffen sowie Desinfektions- und Hygienemittel oder haltbare Lebensmittel an wohnungslose- und obdachlose Menschen verteilen. Auch beheizte Zelte oder Wärmehallen können damit finanziert werden.
Wie man selbst helfen kann
Doch was kann jeder von uns tun, wenn auf dem Weg nach Hause oder vor dem Supermarkt eine obdachlose Person zu sehen ist? Dennis Bucek hilft Wohnungslosen in Köln und gibt einen ganz simplen Tipp: "Einfach auf Augenhöhe mit den Menschen kommunizieren." So könne gefragt werden, ob es der Person gut gehe und ob sie etwas brauche. "Das ist oftmals schon eine ganz große Hilfe." Manche Betroffene wüssten gar nicht, was es alles an Hilfsangeboten gebe.
Darüber hinaus gibt es noch weitere Tipps:
- Wenn nötig, Hilfe holen: Ist eine Person nicht ansprechbar verletzt oder wirkt unterkühlt, sollte die 112 gerufen werden
- Kältebusse oder Notfallhotlines kontaktieren
- Tickets für Bahnfahrten anbieten: Züge und Busse sind meist beheizt. Obdachlose können sich dort kurz aufwärmen oder zu Hilfestellen fahren
- Warme Kleidung oder Schlafsäcke spenden
- Ein warmes Getränk ausgeben
- Hygienebeutel mit Zahnpasta, Zahnbürste und Deo spenden, die zwar nicht gegen die Kälte helfen, aber ein bisschen Würde bringen
Notunterkünfte werden zum Teil gemieden
Städte und Kommunen sind dazu verpflichtet, Notschlafplätze anzubieten. Es gibt jedoch Gründe, warum Obdachlose diese Notunterkünfte meiden: Angst in Räumen zu liegen, Angst bestohlen zu werden, ein Hund, der nicht mit in die Unterkunft darf, oder eine Sucht, mit der man nicht in den Heimen zugelassen wird.
Nächtliche Helfer auf den Straßen
Trotzdem seien die Unterkunftsheime zur jetzigen Zeit "definitiv alle sehr voll", so Holger Brandenburg, Gründer des Vereins "Unsichtbar". Jenen, die nicht in einer Unterkunft übernachten, hilft sein Verein unter anderem in Ennepetal, Wuppertal und Hagen, wo die Helfer von "Unsichtbar" nachts unterwegs sind und Gespräche, warme Suppen und Kaffee oder auch wintertaugliche Schlafsäcke anbieten.
Auch die Kältehilfe der Johanniter konzentriert sich auf die Betreuungslücke in der Nacht. Mehr als 120 ehrenamtlich Helfende kümmern sich an fünf Standorten in NRW um ihre Gäste: In Bonn und Rhein-Sieg-Kreis, in Aachen, Bochum, Münster und Düsseldorf.
In NRW ist auch das Deutsche Rote Kreuz mit Kältebussen in mehreren Städten auf den Straßen, um den Obdachlosen im Winter zu helfen, zum Beispiel in Wattenscheid.
Die Obdachlosenhilfe "FairSorger" in Essen verteilt seit sechs Jahren Mahlzeiten an Bedürftige, zum Teil versorgen sie an einem Tag bis zu hundert Gäste. Am vergangenen Montag, dem Tag des Ehrenamts, waren sie zum Tausendsten Mal unterwegs.
Pastor Michael Geymeier von der Heilsarmee engagierte sich mehr als 20 Jahren mit der Ausgabe von warmen Mahlzeiten für Bedürftige. Seit Anfang 2021 ist er in Kassel aktiv.
Seit 2005 engagieren sich in Köln etwa die Helfer des Straßenwächter e.V. für Obdachlose. Sie fahren mit ihrem Bollerwagen abends eine feste Route ab, um Menschen mit warmem Essen zu versorgen. Teilweise erhalten sie dafür von Kölner Betrieben Lebensmittel und Backwaren.
Herzenswärme gegen aggressive Stimmung
Nicht nur die Kälte des Winters macht den Obdachlosen zu schaffen. Der Obdachlosenarzt und Kandidat bei der vergangenen Bundespräsidentenwahl, Gerhard Trabert, registriert zunehmend eine aggressive Haltung gegenüber Wohnungslosen. Der Gründer des Vereins "Armut und Gesundheit in Deutschland" höre bei seinen Kontakten zu wohnungslosen Patienten immer häufiger von gewalttätigen Übergriffen.
Es gibt aber Gegenbeispiele, die Hoffnung machen. Kirchen und Hilfsorganisationen versuchen mit unterschiedlichen Aktionen, den Menschen auf der Straße nicht nur Wärme sondern auch Nähe und soziale Kontakte zu geben. Eine Bürgerinitiative hat zum Beispiel eine ehemalige Klosterkirche in Köln-Mülheim zu einem Ort der Begegnung gemacht, wo sich Kreative, Musikfans, Obdachlose oder Kinder treffen können.
Geldspenden und Ehrenamt helfen
Was die Helfer immer gebrauchen können, sind natürlich Geldspenden für ihre aktuellen Hilfsprojekte. Die "FairSorger" in Essen benötigen zum Beispiel dringend einen neuen Wagen, um weiter mobil zu sein, wie Ingrid Steinhauer-Saar erklärt. Aber sie freue sich nicht nur über Geldspenden, sondern auch über jeden, der vorbeikommen und hospitieren möchte. "Vielleicht auch, um mögliche Berührungsängste zu überwinden."
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version schrieben wir, dass Pastor Michael Geymeier weiterhin in Bielefeld auf den Straßen unterwegs ist. Seit 2021 wechselte er zur Heilsarmee nach Kassel.