Abendsonne über Sylt - der Hotspot für reiche Urlauber. Eine ausgelassene Feier - aber das, was auf dem kurzen Video zu hören und zu sehen ist, macht fassungslos. Mehrere Gäste grölen zu einem Pop-Hit "Deutschland den Deutschen - Ausländer raus!", ein Mann macht eine Geste, die stark an einen Hitlergruß erinnert.
Seit Donnerstagabend wird der kurze Clip zigfach in den sozialen Medien geteilt. Inzwischen ermittelt der Staatsschutz, nach Medienberichten haben einige der grölenden Partygäste ihren Job verloren und die vollen Namen der Beteiligten kursieren seit Tagen frei im Netz.
Namen im Netz veröffentlicht
Bei aller berechtigten Empörung über den rassistischen Ausbruch in der nur scheinbar "besseren Gesellschaft": Ist es in Ordnung, die vollen Namen der Beteiligten zu nennen? "Meines Erachtens nicht", meint der Kölner Rechtsanwalt Philipp Obladen, dessen Kanzlei sich auf Internetrecht spezialisiert hat.
Insgesamt müsse man in solchen Fällen immer abwägen. "Auf der einen Seite steht das öffentliche Interesse an der Aufklärung des Sachverhalts, auf der anderen Seite das Persönlichkeitsrecht." Aber: "Ich würde sagen, dass es für das Informationsinteresse nicht erforderlich ist, die Klarnamen zu kennen", sagt Obladen. "So abscheulich das Verhalten dieser Menschen auch sein mag: Sie haben Persönlichkeitsrechte. Und die müssen beachtet werden."
Anders könnte sich die Lage darstellen, wenn Handelnde zum Beispiel Mitglieder einer Partei oder politischen Organisation wären. "Aber darauf deutet ja im Augenblick nichts hin."
Müsste nicht verpixelt werden?
Auch wenn das Video mittlerweile tausendfach im Netz geteilt wurde und es für eine Anonymisierung faktisch zu spät ist: Oft ist eine Verpixelung der Gesichter bei einer Veröffentlichung von Fremdmaterial im Netz rechtlich vorgeschrieben. Auch in diesem Fall?
"Bei vielen Personen dürfte ein unausgesprochenes Einverständnis für die Aufnahmen vorliegen", meint Obladen: "Zum Beispiel bei der Frau, die in die Kamera singt. Das gilt auch für den Mann im Hintergrund, der den angedeuteten Hitlergruß in die Kamera zeigt."
Hinzu komme, dass der Vorfall in einem halböffentlichen Raum stattgefunden habe - also auf einer Terrasse. "Das ist etwas anderes, als wenn das in einem privaten Umfeld stattfindet. Also juristisch, nicht ethisch - abscheulich ist so ein Verhalten überall."
Anmerkung der Redaktion vom 13.06.2024:
Der WDR hat sich entschieden das Video unverpixelt zu zeigen, da es ein zeitgeschichtliches Ereignis darstellt, an dem die Öffentlichkeit ein erhebliches Interesse hatte. Der Begriff der Zeitgeschichte umfasst damit nicht nur Vorgänge von historischer oder politischer Bedeutung, sondern alle Gegenstände, die ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit betreffen. Dazu zählen nicht nur sämtliche Ereignisse, die aus irgendeinem Grund in das Blickfeld der Öffentlichkeit getreten sind, sondern alle Angelegenheiten, die für die Meinungsbildung der Allgemeinheit von Bedeutung sind. Zudem handelt es sich bei den abgebildeten Personen um erwachsene Personen, die gewusst haben, was sie in einem in die Öffentlichkeit hineinragenden Ort taten, und denen auch bewusst war, dass sie gefilmt werden. Durch ihr Verhalten in einer zumindest halb-öffentlichen Situation haben sie sich damit selbst so exponiert, dass sie damit rechnen mussten, dass ihr Verhalten öffentlich wird.
Ziel der Berichterstattung war und ist es, die Vorkommnisse unverblümt darzustellen, um auf dieser Grundlage einen Beitrag zu der durch das Video ausgelösten gesellschaftlichen Debatte zu liefern. Aufgrund der abnehmenden Aktualität haben wir entschieden, die Personen auf dem Video nachträglich unkenntlich zu machen.
Unsere Quellen:
- Gespräch mit Philipp Obladen
- Deutsche Presse Agentur