Razzia im Erzbistum Köln - Meineid-Ermittlungen gegen Woelki | sv
00:22 Min.. Verfügbar bis 27.06.2025.
Razzia im Erzbistum Köln - Dokumente zu möglicher Falschaussage von Woelki gesucht
Stand: 27.06.2023, 20:37 Uhr
Kölner Staatsanwaltschaft und Polizei haben am Dienstag verschiedene Objekte im Erzbistum Köln durchsucht. Hintergrund der Razzia sind Meineid-Ermittlungen gegen Erzbischof Rainer Maria Woelki.
Von Jochen Hilgers und Markus Schmitz
Die Staatsanwaltschaft sucht die Originale von belastenden Dokumenten, die der WDR in den vergangenen Monaten bereits veröffentlicht hat. Sie legen den Verdacht nahe, dass Woelki vor Gericht gelogen hat.
Mehrere Objekte des Erzbistums werden durchsucht
Die Ermittler fuhren Punkt acht Uhr an mehreren Gebäuden vor. Insgesamt an sechs Orten, vier davon in Köln und je einer in Kassel und Lohfelden: darunter die Räumlichkeiten des Generalvikariats, des Offizialats und des Erzbischöflichen Hauses sowie ferner die Geschäftsräume des den E-Mail-Verkehr im Erzbistum Köln verwaltenden EDV-Dienstleisters.
Es dauerte, bis die Ermittler Einlass bekamen. In der erzbischöflichen Residenz kam Kardinal Woelki höchstpersönlich und öffnete den Beamten in Zivil das Tor. Die Maßnahmen verliefen ohne Zwischenfälle und trafen an den jeweiligen Durchsuchungsorten weitgehend auf Kooperation, so die Polizei. Die Durchsuchung am Kurienhaus ist inzwischen beendet.
Rund 30 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte sowie vier Staatsanwältinnen und Staatsanwälte waren an der Razzia beteiligt. Hintergrund ist der Verdacht, dass Woelki bei einer Aussage unter Eid vor Gericht gelogen haben könnte.
Ermittler treffen ein
Im Verfahren ging es um die Beförderung eines Priesters zum stellvertretenden Stadtdechanten von Düsseldorf. Von dessen Neigungen will Woelki bis März dieses Jahres in wichtigen Punkten nichts gewusst haben. Im Gerichtssaal sagte er dazu: "Ich schwöre, so wahr mir Gott helfe".
"Ihnen in Christus verbunden"
Der WDR hatte aber unlängst einen persönlich scheinenden Brief Woelkis an den Leiter der Glaubenskongregation im Vatikan veröffentlicht. Darin wurden schon 2018 die Vorwürfe gegen den Priester ganz genau beschrieben. In dem vierseitigen Schreiben, das dem WDR zugespielt wurde, führt Woelki penibel verschiedene sexuelle Übergriffe des Pfarrers gegen Jugendliche auf.
Erzbischof Woelki
So soll er zum Beispiel mit minderjährigen jugendlichen Ministranten häufig Saunabesuche unternommen und sie zu alkoholischen Getränken eingeladen haben. Danach sollen gemeinsam Pornofilme geschaut worden sein. Mit einem 19-Jährigen habe er in seiner Wohnung gegen seinen Willen Pornofilme angeschaut und sich in seiner Gegenwart selbst befriedigt. Dem jungen Mann sei es erst um vier Uhr morgens gelungen, die Wohnung des Geistlichen zu verlassen.
In dem Schreiben heißt es am Ende: "Eminenz, ich bitte Sie freundlich um Weisung, ob und ggf. welche Schritte in dieser Causa nötig sind. Ihnen in Christus verbunden". Woelki behauptet, den Brief beauftragt und nicht gelesen zu haben.
Auszug aus Personalakte
Außerdem liegt dem WDR ein weiteres Schreiben vor, das ebenfalls aus November 2018 stammt. Unterzeichnet ist es vom damaligen Offizial des Kölner Erzbistums, Günter Assenmacher. Der Kernsatz des Schreibens lautet: "... wie vereinbart habe ich ein Dossier zusammengestellt, das der Herr Kardinal heute mit einem Begleitbrief über die Nuntiatur an die Glaubenskongregation auf den Weg gebracht hat, mit der Bitte um weitere Weisung."
Laut Assenmacher, hat der Kardinal den Brief persönlich auf den Weg gebracht. War also offensichtlich aktiv an dem Vorgang beteiligt. Das würde seiner Aussage, den Brief lediglich unterschrieben zu haben, diametral widersprechen. Das Schreiben ist offenbar der Auszug aus der Personalakte des betreffenden Priesters.
Es gibt Einblicke über die Praxis des Erzbistums im Umgang mit Priestern, die sich Jugendlichen genähert haben. In einer Spalte geht es auch um die "Vorwürfe gegen den Kleriker". Aufgelistet ist ein Fall aus dem Jahr 2001. Dort hatte der Priester sich am Kölner Hauptbahnhof mit einem jugendlichen Prostituierten getroffen.
Haftstrafe ab einem Jahr
Meineid ist ein so genannter Verbrechensstraftatbestand. Dafür sieht der Gesetzgeber eine Strafe von mindestens einem Jahr Haft vor. Neben dem aktuellen Vorwurf ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Woelki auch wegen des Verdachts der falschen eidesstattlichen Versicherung in zwei Fällen.
Die Staatsanwaltschaft geht von monatelangen Ermittlungen aus. In den kommenden Wochen muss das sichergestellte Beweismaterial ausgewertet werden. Meineid wird in der Regel mit allen Mitteln des Gesetzes verfolgt. Möglicherweise schaltet sich aber auch der Vatikan in die Belange des Kölner Erzbistums ein.
Allerdings heißt es von der Polizei: "Zur Vermeidung entsprechender Missdeutungen wird im Übrigen explizit darauf hingewiesen, dass dem Beschuldigten in keiner Weise die aktive oder auch nur passive Vertuschung von oder gar Beteiligung an Missbrauchstaten zur Last gelegt wird."
Gesucht wird nicht nur Belastendes, sondern auch Entlastendes - Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn sagte, dass die Staatsanwaltschaft noch am Anfang der Ermittlungen stehe, auch wenn das Verfahren gegen Woelki schon länger dauere. Er betont die Unschuldsvermutung und die Ergebnisoffenheit der Untersuchung: "Wir wissen nicht wirklich, wo die Reise hingeht."